Der Buchreport widmet sich aktuell dem Thema “Perspektiven des E-Book-Geschäfts im Buchhandel“. Eine ganze Reihe interessanter Einwürfe lese ich da – primär von Buchhändlern, aber auch von anderen Branchenexperten. Über viele Punkte besteht dabei erstaunliche Einigkeit.

  • Der Wandel des kompletten Kerngeschäfts ist nicht aufzuhalten. Das gedruckte Buch wird zwar nicht verschwinden, doch das eBook wird einen großen Teil der Umsätze übernehmen.
  • Amazon setzt die Maßstäbe und wird kaum einholbar sein – dafür ist der Vorsprung zu groß. Durch die Kopplung der Inhalte an das Gerät, etwa auch bei Apple und Google, haben es unabhängige Anbieter schwer.

Im Vergleich zur Vorwoche fallen in den Amazon-Charts eine ganze Reihe neu eingestiegener Titel mit Erscheinungstermin von 2011 auf – das Ergebnis einer Sonderaktion des Anbieters zum Jubiläum von KDP. All diese Titel sind exklusiv bei Amazon verfügbar. Das verschiebt das Kräfteverhältnis in den Top 100 noch weiter zugunsten der Selbst-Verleger. Fast die Hälfte aller eBook-Bestseller, genau 49 (Vorwoche: 41), kommt in dieser Woche von unabhängigen Autoren. 38 (Vorwoche: 29) davon gibt es nirgendwo anders zu kaufen. Unter den ersten Zehn gibt es derzeit nur zwei Verlags-eBooks.

Ein gutes Motiv für Self Publishing? 33 Prozent der deutschsprachigen Autoren sind mit ihrem Verlag unzufrieden – das ergab eine Umfrage, die Autorenverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter ihren Mitgliedern durchgeführt haben. Abgesehen davon, dass damit die große Mehrheit der insgesamt über 1200 Befragten zufrieden oder sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit ist, finden sich in der Auswertung noch weitere interessante Zahlen.

Die Zufriedenheit lässt sich zum Beispiel 1:1 auch auf die Vertragsbedingungen übertragen. Ganze 34% der deutschen Umfrageteilnehmer hätten gern andere Verträge. Mit der inhaltlich-kreativen Zusammenarbeit sind hierzulande 37 Prozent unzufrieden.

In den Amazon-Charts hat sich in der vergangenen Woche einiges getan – doch die grundlegenden Daten haben sich nicht geändert: 41 der Top 100 sind von unabhängigen Autoren selbst publiziert, in der Vorwoche war es noch ein Titel mehr. 29 (Vorwoche: ebenfalls 29) davon sind nirgendwo anders erhältlich – Amazon ist mit seinem KDP-Select-Programm offenbar weiter erfolgreich. Immerhin sind nun drei Verlagstitel unter den ersten zehn – ein kleines Plus.

Leicht gesunken ist der Durchschnittspreis der Self-Publisher-Bestenliste: von 2,48 auf 2,44 Euro. Die Top 100 sind insgesamt erstaunlich stabil: Nur vier Neuerscheinungen haben es auf Indie-Seite in die Charts geschafft.

Der Ansatz klingt spannend: Creatavist verspricht, jede Geschichte, jedes Buch auf alle erdenklichen Plattformen zu bringen. Per Mausklick entstehen eBook (ePub und Mobi), iBook (auch “enhanced”) für die iTunes-Plattform, eigene Apps für iOS und Android und schließlich auch eine Web-Version. Kein Umformatieren mehr, keine Pflege unterschiedlicher Versionen. Der feuchte Traum aller Autoren also – oder vielleicht sogar die Wirklichkeit? Ich gebe zu, die Vorstellung, mit einem Klick alle Plattformen bedienen zu können, ist sehr reizvoll. Dafür würde ich vielleicht sogar Jutoh aufgeben…

Erreichbar ist die Plattform unter www.creatavist.com. Eine kurze Einführung gibt es hier. Creatavist beruht auf einer Lösung, die Unternehmen bereits länger zur Verfügung steht und die von einer ganzen Anzahl an Risikokapitalgebern unterstützt wird. Die Registrierung ist kostenlos, gilt aber zunächst nur für ein einziges Projekt. Wer die Plattform dauerhaft nutzen will, zahlt 10 Dollar im Monat für einen Account mit 5 Gigabyte Speicherplatz.

Nachdem ich letztens den Anteil der Self Publisher bei Amazon thematisiert habe, war auch ein Blick auf Kobo, iTunes, Google und so weiter fällig. E-Book-Anbieter also, die entweder selbst Self Publishern den Zugang erlauben oder aber ebenso komfortabel über Distributoren bedient werden können (siehe Wer verteilt mein eBook?).

Beginnen wir den Rundgang bei Kobo. In den aktuellen Top50 taucht der erste Self Publisher auf Platz 3 auf. Sein Name tut hier nichts zur Sache 😉 Immerhin erlaubt mir das gewisse Rückschlüsse auf die eBook-Verkäufe bei Kobo (aber das ist ein eigener Artikel). Weiter geht es auf Platz 11 mit einem Psychothriller. Platz 23 erreicht eine ältere Version des Buches auf Platz 3. Platz 34 und Platz 37 nehmen der erste und der zweite Band von Berlin Gothic ein – vor langer Zeit mal ein Amazon-Bestseller. Auf Platz 49 begegnet uns schließlich noch Band 3 der MondLicht-Saga von Marah Woolf. Das war’s: 6 von 50.

Anlässlich der Vorstellung des Kobo Aura (Test hier) beantwortete mir Kobo-Manager Wayne White, Executive Vice President and General Manager, Devices, ein paar Fragen – zum Tolino, zum Markt, über das Self Publishing – und über den neuen Kobo Aura HD.

Was gibt es Neues bei Kobo?

Wir wachsen noch immer sehr stark: 190 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Wir haben jetzt 13 Millionen Kunden und 3,4 Millionen eBooks in 68 verschiedenen Sprachen. Writing Life, unser Self-Publisher-Angebot in 13 Ländern, macht zehn Prozent unserer weltweiten Verkaufszahlen aus. Der Markt für eInk-Geräte wächst weltweit in attraktivem Ausmaß: 2015 sollen es 18 Millionen Geräte werden. Menschen, die unsere Geräte kaufen, gehören zu den aktivsten Lesern. Sie kaufen im Mittel vier Bücher pro Monat, das ist extrem viel. Im Vergleich zu den Nutzern unserer Apps kaufen eReader-Besitzer fünfmal so viel. Vielleser greifen in der Regel offenbar lieber zu einem speziellen Lesegerät als zu einem allgemeinen Tablet.

Die aktuellen SFP-Charts – diese Übersicht wird es ab jetzt regelmäßig hier geben: Welche eBooks deutscher, verlagsunabhängiger Autoren sind derzeit in den Amazon-Top-100 am besten platziert? Auf den ersten Blick ist das schnell nachzulesen: Was weniger als 3 Euro kostet, kommt sicher nicht aus einem Verlag. Irrtum: Auch Verlage haben inzwischen erkannt, dass ein günstiger Preis Käufer anzieht. Nicht zuletzt Amazon selbst macht mit dem eigenen Imprint Amazon Crossing den Self Publishern Konkurrenz.

Bei Amazon Crossing (der “Abteilung” von Amazon, die international erfolgreiche Titel in andere Sprachen übersetzt) erschienene eBooks nehme ich in die Übersicht bewusst nicht auf: Sie haben schließlich ein ziemlich großes Unternehmen im Hintergrund… Ebenso fehlen “ehemalige” Self Publisher. Ob nun “Shades of Grey”, Kerstin Gier oder andere – ehemalige Self Publisher werden zwar gern bei der Erfolgsgeschichte des unabhängigen Publizierens als Beispiele angeführt, aber sie sind eben nicht mehr Teil der Gegenwart. Etwas anderes ist es, wenn Autorinnen oder Autoren nur die Printrechte abgeben und mit den eBooks Self Publisher bleiben.

Als interessante Zusatzinformation habe ich das Feld “Exklusiv?” angefügt. Es verrät, ob das betreffende eBook via KDP Select exklusiv bei Amazon verfügbar ist. Tatsächlich müssen andere eBook-Anbieter auf den Großteil der selbst publizierten Hits verzichten. Zum Zeitpunkt meiner Erhebung (Sonntag Abend) waren 29 von 100 der eBook-Hits nur bei Amazon erhältlich. Wenn das kein Argument ist, sich lieber einen Kindle statt eines Tolino zuzulegen?

Seit dem Start von KDP in Deutschland im Frühjahr 2011 ist Self Publishing für Autoren auch hierzulande eine ernstzunehmende wirtschaftliche Alternative. 70 Prozent des Netto-Verkaufspreises versus 10 (bei eBooks manchmal 20) Prozent, die Verlage bieten – das ermöglicht eine ganz andere Preisgestaltung und damit auch deutlich höhere Verkaufszahlen, als auf dem bisher üblichen Weg erreichbar.

Nach anfänglicher Begeisterung stellen viele Autoren aber auch schnell fest: 70 Prozent sind nicht 70 Prozent. Amazon zieht zum Beispiel vom Nettopreis Transferkosten ab. Andere wichtige Plattformen wie Thalia oder Hugendubel sind nur über Drittanbieter wie Xinxii oder Neobooks erreichbar – und die erledigen den Job natürlich nicht, ohne ebenfalls an den Einnahmen beteiligt zu sein.

Es gibt eine Alternative: Der Autor stellt sich selbst mit einem digitalen Bauchladen ins Netz und bietet seine Titel selbst an. Das ist technisch gar nicht allzu kompliziert. Dazu sollte er zwei Voraussetzungen mitbringen. Erstens braucht er bereits einen gewissen Namen, eine Community, Leser, die er auf seine Website ziehen kann, die bereit sind, ihn direkt zu unterstützen. Zweitens muss er ein wenig Arbeit in den eigenen Shop investieren und bereit sein, sich um typische Probleme eines Online-Ladens zu kümmern, die sonst der eBook-Anbieter übernimmt.

1. Option: eigener eBook-Store von Ceebo

Die Autorin Myra Cakan ist diesen Weg gegangen. Sie hat ihre Erfahrungen in einem Blogpost beschrieben. Die für ihre Charts bekannte Firma Mediacontrol bietet unter dem Ceebo-Label einen eBook-Laden an, den der Nutzer nach eigenen Vorgaben ausgestalten kann, in Grenzen zumindest. Das ist in der Praxis unkompliziert – am schwierigsten ist noch die Vorbereitung, da man natürlich auch ISBNs selbst bereitstellen muss. Die Käufer können Paypal und Kreditkarte nutzen, Dateiformat ist ePub.

Alison Baverstock hat im britischen Guardian sehr hübsch zusammengefasst, welche Veränderungen das Self Publishing der Buchbranche insgesamt gebracht hat, gerade bringt oder noch bringen wird. Lesen Sie den Text bitte selbst, es lohnt sich: Ich bin erst selten auf so eine kompetente Zusammenfassung gestoßen.

Für eilige Leser deshalb hier nur eine kurze Zusammenfassung der zehn Thesen: Wir wissen (1) mehr über den Veröffentlichungsprozess und dass (2) Verlage nicht allwissend sind. Lektoren (3) und Luxus-Editionen (4) sind wertvoll. Die Rollen von Autor (5) und Literaturagent (6) ändern sich. Neue Geschäftsmodelle (7) entstehen. Self Publishing ist als Mittel zur Selbstverwirklichung (8) ebenso anerkannt wie als Werkzeug zum Geldverdienen (9) und zum Glücklichwerden (10).

Genug gerast – hier nun einige Realitäten, die sich durch eBooks und das Self Publishing bisher nicht geändert haben und vielleicht auch nie ändern werden. Ich schicke ausdrücklich voraus, nur damit keine Missverständnisse entstehen: Ich bin ein absoluter Fan des Self Publishing (sonst würde ich auch kaum dieses Blog schreiben). Doch die Wirklichkeit ist mir allemal lieber als der Hype, den manche Akteure entfachen.

1. Die Verlage werden nicht sterben. Egal ob als heimliche Hoffnung geäußert oder als geheime Angst verschwiegen – die Verlage sterben nicht. Es wird in Zukunft sogar mehr Verlage geben als bisher. Doch das werden keine unbeweglichen Riesen mehr sein, die jede Veränderung zu blockieren suchen, sondern kleine, flexible Einheiten, die sich über neue Trends freuen und zum eigenen Nutzen und zu dem des Lesers einsetzen. Vielleicht werden sie sogar von Self Publishern gegründet, die sich zusammenfinden, um von Dienstleistern bessere Konditionen und vom Buchhandel besseren Zugang zu erlangen.