Amazon-Diskussion: Warum es keinen fairen Buchmarkt gibt

Inzwischen muss man sich ja beinahe dafür entschuldigen, einen weiteren Beitrag zur Amazon-versus-Hachette-Debatte zu liefern. Ich versuche es trotzdem, weil ein Punkt hier immer wieder zu kurz kam: die Frage nach den Interessen. Im bewussten Autoren-Brief, in Amazons “Readers United”-Aufruf und in so gut wie jedem anderen Statement und erst recht in den Presse-Reaktionen darauf gab es viel zu viele bestimmte Artikel.

“Die” Autoren, “die” Leser, “die” Self Publisher”, “die” Buchhändler, “die” Verlage: der Artikel unterstellt, dass die Angehörigen dieser Gruppen dieselben oder zumindest ähnliche Interessen haben – und dass diese mit den Interessen der jeweils als Gegensatz dargestellten Gruppe kollidieren. Tatsächlich gibt es aber beispielsweise schon unter den Autoren mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Und dass Autoren und Verlage von denselben Interessen getrieben werden, stimmt höchstens auf einer grundlegenden Ebene: Man will von seiner Arbeit leben.

Also bitte, liebe Briefschreiber, liebe Kollegen von der Presse: Verzichtet auf das “die”.

Gleichzeitig heißt das aber auch, dass wir uns von einer Idee verabschieden müssen: dass es einen “fairen Buchmarkt” geben könnte. Der Buchmarkt funktioniert, wie jeder andere Markt, nach gewissen Regeln. Fairness oder Gerechtigkeit gehören nicht dazu, gehörten noch nie dazu.

Lange Zeit konnten zum Beispiel Verlage als eine Art Wächter bestimmen, welcher Autor Anteil am Buchmarkt hat und welcher nicht. Ist das fair? Das hat sich zumindest für eBooks inzwischen geändert, und daran ist Amazon nicht ganz unschuldig. Aber auch ohne Amazon wäre das passiert – dann hieße der Bösewicht heute vielleicht Apple.

Das ist nicht das Ende des Abendlandes, es ist einfach eine Folge der Digitalisierung, wie sie auch viele andere Branchen spüren. Wenn sich die Welt ändert, kann man versuchen, die Veränderung aufzuhalten. Historisch war das selten erfolgversprechend. Darum ist es vielleicht klüger, sich daran zu beteiligen. Dazu braucht man Amazon nicht zu lieben. Es genügt völlig, sich auf die eigenen Interessen zu besinnen.