Der Kampf gegen den Sprungmarken-Trick – und was Amazon tut

Vor einer Woche berichtete die Selfpublisherbibel, wie zwielichtige “Autoren” mit Amazons Leih-Programm KindleUnlimited Kasse machen. Seitdem haben die Betrüger Gegenwind bekommen – vor allem aus der Selfpublishing-Community. Von bisher über 350 allein bei Amazon.de gefundenen und an Amazon gemeldeten Trick-Titeln wurden fast 300 gelöscht. Je nach Tagesform der Support-Mitarbeiter bei KDP werden Titel auch mal erst nach dem zweiten, dritten oder zehnten Melden gelöscht, doch steter Tropfen höhlt hier offenbar den Stein. Wer sich selbst beteiligen will: Schreib Fair und Autoren vs. Betrüger kümmern sich um solche Fälle.

Doch nach wie vor tauchen neue derartige Machwerke auf, und zahlreiche sind noch online. Seit heute gibt es immerhin eine offizielle Stellungnahme von Amazon im KDP-Forum…haben uns einige Mitglieder der Community über die Aktivitäten einer kleinen Minderheit von Verlegern unterrichtet, die möglicherweise versuchen, Verkäufe oder Seiten durch den Einsatz verschiedener Techniken aufzublasen, indem sie zum Beispiel unnötige oder verwirrende Hyperlinks anhängen, das Inhaltsverzeichnis (TOC) verschieben oder störende Inhalte hinzufügen. Wir überwachen diese Art von Aktivitäten eigenhändig, aber führen zudem auch Untersuchungen durch, wenn uns die Community auf einen solchen Missbrauch hinweist, (vielen Dank an alle, die uns in dieser Hinsicht geholfen haben). Jeder von uns ermittelte Missbrauch hat die unmittelbare Suspendierung eines Titels zur Folge. Einige Umstände, einschließlich Wiederholungstaten, führen dann letztendlich zur Sperrung des KDP-Kontos. In jedem Missbrauchsfall werden wir zudem auch verwandte gelesene Seiten aus der Verteilung des monatlichen KDP Select Global Funds entfernen…

Dass sich auch hinter den Kulissen etwas tut, darauf deuten Berichte aus den USA hin. In einem Versuch, das Problem systematisch anzugehen, wurden dort offenbar Autoren abgemahnt, die das Inhaltsverzeichnis ans Ende ihres eBooks gestellt haben. Das führt bei jeder Nutzung des Inhaltsverzeichnisses durch den Leser rein praktisch natürlich zum selben Effekt wie der Sprungmarken-Trick – beabsichtigt war das von den Autoren allerdings ganz gewiss nicht, zumal ihre Bücher die anderen Kennzeichen der Betrüger-Titel vermissen lassen: die Häufung mehr oder weniger sinnloser Inhalte, um das Buch künstlich aufzublähen.

Offiziell sagt Amazon dazu nun: In vielen Fällen kann es für Leser zu einer schlechten Erfahrung führen, wenn das Inhaltsverzeichnis eines Buches (Table of Contents “TOC”) am Ende eines Buches aufgeführt wird, und in der Regel empfehlen wir Autoren TOCs an den Anfang eines Buches zu stellen. Wenn die Formatierung eines Buches zu einer schlechten Erfahrung beiträgt oder Leser ernsthaft verwirrt, oder dazu entwickelt wurde, auf unnatürliche Weise den Verkauf gelesener Seiten zu steigern, wird uns dies dazu veranlassen Titel zu entfernen und Leser zu schützen. Das heißt, abgesehen von alle anderen Fragen in Bezug auf Qualität, dass ein an das Ende eines Buches gesetztes Inhaltsverzeichnis (TOC) an sich nicht außerhalb unserer Richtlinien steht.

Im Grunde wäre das Problem sehr einfach zu lösen. Statt die Länge eines KU-Titels willkürlich auf 3000 Seiten zu begrenzen und so ehrlichen Autoren mit “dicken” Büchern zu schaden und statt nach irgendwelchen Formatierungen zu fahnden, müsste Amazon einfach nur zählen, wieviele Seiten ein Leser wirklich gelesen hat. Dass man auch durch Springen “gelesene” Seiten angerechnet bekommt, hatte ich schon in meinem KindleUnlimited-Test zur Einführung des Systems hier beschrieben. Seitdem ist fast ein Jahr vergangen – aber eine Lösung für dieses Problem (dessen möglichen Missbrauch jeder mit etwas Phantasie hätte ahnen können) hat Amazon bis heute nicht präsentiert.

Der den an KindleUnlimited beteiligten Autoren entstandene Schaden ist schwer zu beziffern – es kursieren allerdings Abrechnungen von Betrüger-Autoren im Netz, die Monatseinnahmen von über 70.000 Dollar zeigen. Tatsache ist, dass allein in Deutschland sechs AllStar-Autoren mit Betrugsmasche identifiziert wurden; sechs andere Autoren haben dadurch also keinen bzw. einen geringeren Bonus erhalten. Außerdem ist die pro Seite gezahlte Quote wohl stärker gesunken, als wenn es die Betrugsmasche nicht gegeben hätte.