Der Markt gedruckter Bücher in China – was im Land der Mitte anders ist

Wer in China Informationen über die Buchbranche sucht, kann entweder bei den Firmen selbst oder bei der zuständigen staatlichen Behörde fragen – oder aber bei OpenBook Co., einem der GfK oder Mediacontrol vergleichbaren privaten Unternehmen, das den Buchmarkt im Land der Mitte untersucht. OpenBook erhält Daten von 2000 stationären und 20 Online-Händlern, die etwa ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmachen. Erfasst werden dabei nicht nur die verkauften, sondern auch die gelagerten Exemplare eines Titels. Das ist in China wichtig, denn die Händler teilen den Verlagen ihre Verkäufe nur ungern mit. Erst in diesem Moment müssen sie nämlich auch bezahlen.

Wenn Jiang Yanping, General Managerin von OpenBook, von ihrer Aufgabe erzählt, gibt sie erst einmal ihrem Neid auf Deutschland Ausdruck. Hierzulande gebe es nämlich, erstens, einen guten Markt für akademische Bücher. Und zweitens wären die Verlage nicht gezwungen, schon kurz nach dem Erstverkaufstag den Endkunden-Preis zu senken: die Preisbindung wünscht sich die chinesische Buchbranche offenbar sehr.

Dann erklärt die zierliche, für chinesische Verhältnisse aber doch recht groß gewachsene Managerin die Besonderheiten des chinesischen Marktes. Zunächst einmal muss man wissen, dass es hier formell keine privaten Verlage gibt. Staatsunternehmen haben das Monopol auf die Bezeichnung “Verlag”, und nur sie können ISBN vergeben. Private Verleger, die es in großer Zahl gibt, müssen darum mit einem Staatsbetrieb zusammenarbeiten, der ihnen die ISBN zur Verfügung stellt. Vertrieb und Großhandel hingegen sind privatisiert. Die Privat-Verlage arbeiten trotzdem ganz wie Verlage, die wir kennen – nur nennen sie sich anders, etwa “Kulturagentur”.

Der chinesische Buchmarkt ist ungefähr 100 Milliarden Yuan (ca. 14 Milliarden €) schwer – in Deutschland waren es 2015 9,3 Milliarden. Die Hälfte davon kommt aus dem Bildungsbereich – immerhin gilt es, ein Volk von 1,3 Milliarden Menschen mit Schulbüchern zu versorgen. Die restlichen 50 Milliarden Yuan werden zu 60 Prozent von stationären Händlern und zu 40 Prozent online umgesetzt. Seit 2008 wächst die Branche kaum noch oder schrumpft leicht (2012/2013). Im vergangenen Jahr und wohl auch in diesem gab es wieder ein leichtes Plus. Die Umsätze der Online-Buchhandlungen steigen Jahr für Jahr rasant, im 1. Halbjahr 2015 gab es im Vergleich zum Vorjahr schon wieder 30 Prozent Wachstum.

Was wird verkauft? Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen Läden und Online-Shops. Im Buchhandel laufen Lehrbücher am besten, online hingegen haben diese einen geringen Anteil. Allgemein haben Kinder- und Jugendbücher eine große und stetig wachsende Kundschaft. Einen hohen Anteil an den Umsätzen machen ältere Titel (“Backlist”) aus. Interessanterweise verkaufen stationäre Händler mehr Neuerscheinungen, online läuft die Backlist besser. Von den insgesamt 1,32 Milliarden lieferbaren Titeln erreichen im Buchhandel die Top 5 Prozent 64 Prozent des Umsatzes, online sind es sogar 80 Prozent. Pro Jahr steigt die Zahl lueferbarer Titel etwa um ein Fünftel.

Anders als in Deutschland ist die Branche noch nicht sehr konzentriert: die fünf größten Verlage erwirtschafteten zuletzt gemeinsam unter neun Prozent der Umsätze. Die Top 10 kamen zusammen auf 16 Prozent.

Ein aktueller Trend besteht darin, dass sich ehemalige Staatsverlage von den zugeordneten Behörden lösen (oder gelöst werden). Nur manche werden diesen Prozess überstehen – die, die sich rechtzeitig auf den Markt eingestellt haben.

Eine Gemeinsamkeit mit dem deutschen Markt ist ebenfalls zu beobachten: Elektronisches Lesen wird zumindest von der traditionellen Buchbranche noch so gut es geht ignoriert. eBook-Anbieter wie iReader scannen lizenzierte Titel oft noch selbst oder erzeugen eBooks aus PDFs. Zahlen dazu erfasst OpenBook nicht. Sieht man allerdings, wie hoch der Anteil der elektronisch Lesenden in der U-Bahn ist, könnte es sich dabei um einen Fehler im System handeln.

(Der Artikel entstand nach einer Verleger- und Lektorenreise des BIZ-Beijing, das die Reisekosten des Autors bezahlt hat).