Die gefährlichsten und häufigsten Fehler beim Schreiben eines Romans – Erkennen, beheben, vermeiden (Teil 1)

Typisch passiver Protagonist... (Foto: Everett225 / Depositphotos.com)
Typisch passiver Protagonist… (Foto: Everett225 / Depositphotos.com)

Vorwort: Selfpublishing – das ist der komplette Prozess vom Schreiben des Manuskripts über das Lektorat, das Erstellen des eBooks und schließlich die Vermarktung. Bisher ging es in der Selfpublisherbibel um alles – nur nicht um das Schreiben. Das soll sich ab sofort ändern. Mindestens alle zwei Wochen wird Stephan Waldscheidt spannende Tipps zu Sprache und Text geben. Und damit übergebe ich das Wort. Wir starten mit den…

…gefährlichsten und häufigsten Fehlern beim Schreiben eines Romans

Gute, für die Leser befriedigende Romane zu schreiben, ist nicht ganz einfach. Haben Sie auch schon gemerkt? Schön. Wesentlich einfacher ist es, grundlegende Fehler beim Schreiben zu vermeiden, die Ihren Roman garantiert gegen die Wand fahren. Viele dieser grundlegenden Fehler begehen die meisten Autoren bei ihren ersten Romanen. Und damit, sorry, sehr wahrscheinlich auch Sie.

Die gute Nachricht: Wenn Sie diese Fehler vermeiden, machen Sie Ihren Roman sofort besser als 90 Prozent der Romane anderer Autoren. Heute und in weiteren Artikeln zum Thema fahnden wir nach diesen ebenso typischen wie tödlichen Problemen. Und Sie lernen, sie in Ihren Romanen zu beheben. Los geht’s.

Fataler Fehler Nummer eins: Der passive Protagonist

Der größte Teil der Erstlingswerke von Romanautoren leidet an einem zu passiven Protagonisten oder einer zu wenig aktiven Heldin. Ereignisse wirken zufällig, statt vom Helden in die Wege geleitet. Hindernisse werden nicht von der Heldin überwunden, sondern von anderen. Oder sie gehen von allein wieder weg. Es können sich keine Konflikte entwickeln, wenn der Held ihnen aus dem Weg geht. So aber entsteht keine Spannung. Der Held kommt nicht aus eigener Kraft weiter, sondern muss sich auf andere verlassen oder auf den Zufall (= die helfende Hand des Autors). Dem Leser fällt es schwer, sich mit der passiven Hauptfigur zu identifizieren, mehr noch: Eine passive Hauptfigur nervt, weil sie schwach wirkt oder wie ein Opfer.

Am schlimmsten: Ein passiver Protagonist verdient sich sein Happy End nicht. Die Folge: Der Leser empfindet keine poetische Gerechtigkeit und legt das Buch unzufrieden weg. In den meisten Fällen aber wird er es nicht einmal bis zum Ende lesen.

Was genau ist das Problem mit der Passivität des Protagonisten? Was meine ich überhaupt mit Passivität?

Ein passiver Protagonist hat entweder kein Ziel, das als Zentrum der Handlung den Plot vorantreibt. Ein solches Ziel ist etwa das Ziel von Frodo in Tolkiens »Der Herr der Ringe«: Frodo will den Einen Ring zum Schicksalsberg bringen und ihn zerstören. Davon handelt der Roman.

Ein passiver Protagonist mag ein Ziel haben, verfolgt es aber nicht.

Im Beispiel mit Frodo könnte das Folgendes bedeuten: Zwar verpflichtet sich Frodo, den Ring nach Mordor zu tragen. Dass er danach aber erst einmal seine Oma in Carn Dûm besucht, wo er drei glückliche Wochen verbringt, und anschließend mit seinem Kumpel Baluk in den Iron Hills Trolle jagen geht.

Ähnliche Fälle kommen in erstaunlich vielen Anfängerromanen vor.

Ein passiver Protagonist mag ein Ziel verfolgen, tut es aber nicht entschieden genug.

In unserem Negativbeispiel liefe Frodo zwar Richtung Mordor. Als er jedoch das erste Mal den Achselschweiß eines Orks riecht, kehrt er angewidert ins Auenland zurück.

Die fehlende Entschiedenheit bei der Zielverfolgung könnte zwei Gründe haben, die schon jeder für sich zu einem passiven Protagonisten führen.

Grund 1: Der Protagonist ist nicht hinreichend motiviert.

Im Beispiel mit Frodo heißt das womöglich, Frodo verspürt keinen Zwang, den Ring nach Mordor zu bringen. Andere Dinge sind ihm wichtiger oder entsprechen eher seinem innersten Bedürfnis.

Im Original von Tolkien gründet Frodos Motiv auf seiner Liebe zu seiner Heimat, zur Idylle des Auenlandes. Auch die enge Verbundenheit zu den Mitgliedern der Bruderschaft des Rings spielt mit in das Motiv hinein.

Grund 2: Die Einsätze für den Protagonisten sind nicht hoch genug. Für ihn steht nicht genug auf dem Spiel.

Das wäre bei Frodo etwa dann der Fall, wenn das Auenland nicht in Gefahr wäre, von Sauron unterjocht zu werden. In diesem Fall könnte er einfach der Bruderschaft des Rings den Rücken kehren und nach Hause gehen und dort weiterhin in Frieden und wohlgenährt weiterleben.

Tipp: Stellen Sie sich in Ihrem Roman daher immer wieder die Frage: »Was geschieht, wenn mein Protagonist sein Ziel nicht erreicht?« Ideen finden Sie mit dieser Frage: »Was geschieht schlimmstenfalls, wenn mein Protagonist sein Ziel nicht erreicht?«

(wird fortgesetzt in Teil 2…)

Stephan Waldscheidt ist Schriftsteller & Skriptdoktor sowie Autor einer erfolgreichen Reihe von Autoren- und Schreibratgebern. Er berät Romanautoren persönlich oder in Workshops übers Schreiben und Veröffentlichen und schreibt als Paul Mesa selbst Romane.

schriftzeit.de | facebook.com/Waldscheidt | twitter.com/schriftzeit | paulmesa.de

Mehr Tipps zum Schreiben eines Romans in:

»Bessere! Romane! Schreiben! 1 & 2«