Diskussion: Warum die Preisbindung gut für Selfpublisher ist

Preisbindung

Wann immer in den USA ein neues HumbleBundle erscheint und mal eben Umsätze in fünfstelliger Höhe erwirtschaftet, erwacht das Interesse, auch hierzulande ein solches Modell für eBooks anzubieten. Zwar erlaubt die Preisbindung, Bücher zu verschenken – doch wie bei Openbooks.com den Käufer einen eigenen Preis festlegen zu lassen, das ist eindeutig verboten. Das Preisbindungsgesetz, das muss man eindeutig feststellen, behindert die Umsetzung innovativer Preismodelle. Und da Selfpublisher schon vom Ansatz her innovativ sind und sein müssen, stoßen sie öfter an vom Gesetz vorgegebene Grenzen, als ihnen lieb ist. Ich schließe mich selbst da mit ein.

Trotzdem bin ich strikt gegen die Abschaffung der Preisbindung. Ich gestehe: mir geht es dabei nicht primär um den Schutz des Kulturgutes Buch. Wenn man ehrlich ist, gibt es wenig Grund zu glauben, dass die bei einem Fall der Preisbindung zu erwartenden Veränderungen des Marktes dem Buch und dem Lesen den Garaus machen würden. Die Preisbindung schützt nicht das Buch an sich, sondern die Art und Weise, wie es in Deutschland an den Leser gebracht wird. Sie hilft dem Buchhandel und sie nutzt den meisten Verlagen mehr als sie ihnen schadet.

Ihre Rolle wird manchmal überschätzt: Die Verdrängung kleiner Buchhändler durch die großen Ketten konnte sie nicht verhindern, und auch den Ersatz des Taschenbuches durch das E-Book kann und wird sie nicht aufhalten. Aber sie gibt ganz sicher den kleinen Händlern etwas Luft zum Atmen – in Form von kalkulierbaren Margen. Verlage und Händler können den neuen Murakami im Hardcover für 30 Euro an seine treuen Leser verkaufen, ohne befürchten zu müssen, dass ein großer Anbieter ihnen mit einem Sonderangebot für 9,95 Euro die Käufer abspenstig macht. Wer die Rechte am Buch hat, behält auch die Preis-Hoheit.

Das ist auch ein Vorteil für Selfpublisher: In den USA kann es durchaus vorkommen, dass etwa Google eigenmächtig eine Rabattaktion für ein eBook durchführt. Selbst wenn das Honorar des Autors dadurch nicht sinkt, muss er aber damit rechneb, dass Amazon, Nook und Apple im Rahmen des Price-Matching hinterherziehen. Plötzlich kostet Ihr Buch nicht mehr 3,99 Dollar, sondern nur noch 1,49 – und zwar überall und ohne Ihr Zutun. Keine schöne Vorstellung.

Der Hauptvorteil der Preisbindung liegt allerdings woanders. Sie stärkt gerade im deutschen Buchmarkt die Stellung unabhängiger Autoren. Weltweit erhöhen große Händler ihre Marktanteile, indem sie

  • Bücher agressiv bepreisen
  • Exklusiv-Deals mit Verlagen schließen
  • Mit Service punkten

Ein möglichst großes (und anderswo nicht erhältliches) Angebot zu möglichst niedrigen Preisen und bei bequemster Lieferung ist das Ziel. Was lässt sich davon in Deutschland umsetzen? Durch die Preisbindung, die Vereinbarungen der Verlage untereinander und den hoch entwickelten Verbraucherschutz (Fernabsatzgesetz) beinahe nichts.

Das hat Amazon sehr früh erkannt – und das einzige Unterscheidungskriterium gefunden. Kindle Direct Publishing ist 2011 beinahe unfertig gestartet. Die Kindle-Lesegeräte hatten noch eine englische Oberfläche. Und trotzdem hat man Autoren bereits umworben. Schon die Verkaufsrankings, die andere Händler nur in Ansätzen bieten, bieten Selfpublishern interessante Regalflächen. Nur in Deutschland zahlt man den 150 meistverkaufenden Autoren einen AllStar-Bonus für ihre exklusiven Amazon-Titel (anderswo den ersten 100). Die Boni sind angesichts der Marktgröße überproportional hoch. Titel, die in der KindleUnlimited-Bibliothek gelistet sind, erhalten deutlich mehr Sichtbarkeit. Wer als Selfpublisher sein E-Book ausschließlich über Amazon verkauft, bekommt mit den Kindle-Deals kostenlos unbezahlbares Marketing. Während man gegenüber den Verlagen von der 70:30-Aufteilung abzurücken versucht, ist beim Kindle Direct Publishing davon nicht die Rede.

Eine Abschaffung der Preisbindung würde diese unbestreitbare Sonderrolle der Selfpublisher definitiv beenden – und gerade denen mit professionellem Anspruch unter ihnen nachhaltig schaden. Dass ich dadurch auf innovative Preismodelle verzichten muss, schmerzt dabei durchaus: Das Optimum bestünde deshalb darin, wenn das Preisbindungsgesetz zeitlich eng begrenzte Experimente zulassen würde und dabei den Autoren beziehungsweise Verlegern weiterhin die Preishoheit überließe.