Gastbeitrag: Brauchen Selfpublisher einen Literaturagenten?

Spätestens wenn man als erfolgreicher Selfpublisher irgendwann mit einem Verlag verhandelt, fragt man sich, ob das nicht jemand übernehmen könnte, der sich damit besser auskennt: ein(e) Literaturagent(in). Petra Hermanns von der Agentur scripts for sale diskutiert in einem Gastbeitrag diese Frage. Ich übergebe das Wort:

Als Literaturagentin stehe ich zunehmend vor der gestellten Frage, ob Selfpublisher einen Literaturagenten brauchen. Eine Frage, die sich nicht eindeutig auf alle Märkte und Autoren beantworten, aber deutlich werden lässt, dass die Aufgabenbereiche der Agenten immer vielfältiger werden mögen. Vor wenigen Wochen konnte ich mich auf der Frankfurter Buchmesse mit der Branche über die neuesten Trends und Entwicklungen austauschen, das Thema Selfpublishing wurde dabei stets erwähnt und diskutiert.

Zu Beginn steht die Frage im Raum, was Literaturagenten für Selfpublisher konkret tun können. Grundsätzlich dient ein Literaturagent als Schnittstelle zwischen dem Buchautor und dem Verlag und weiteren Medienunternehmen. Als Interessenvertreter für den Autor verhandelt er die mitunter komplexen Verträge mit den Verlagshäusern. Dabei steht nicht nur die Werthaltigkeit der Geschichte im Fokus, sondern auch die Untersuchung der Verwertungskette. Denn mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, aus einer Geschichte mehr als nur ein Printbuch zu machen: Hörbücher, Sonderausgaben, E-Books oder die Verfilmung des Stoffes sind nur einige Optionen, die jedes Buch mit sich bringt. Letztere Option ist im Buchmarkt mehr und mehr gefragt, geht man bereits davon aus, dass mehr als 50 Prozent aller weltweit produzierten Filme auf Romanvorlagen basieren. Dennoch liegt die Hauptaufgabe der Literaturagenten darin, das Vertragsmanagement zu führen.

Globale Märkte: Literaturagenten agieren sehr verschieden in ihrem Umfang

Im weltweiten Vergleich stehen deutsche Literaturagenten noch am Anfang, was die erweiterte Betreuung im Bereich des Selbstverlegens angeht. In den USA ist es bereits die Regel, dass Selfpublisher mit Literaturagenten kooperieren. Amerikanische Literaturagenten haben sich in den letzten Jahren den Bedürfnissen ihrer Kunden angepasst, da dort vermehrt etablierte Selfpublisher mit einem großen Leserstamm bestehen, die ein gewisses Erfolgspotenzial für den Agenten voraussagen.

In den USA besteht zudem der Normalfall, dass Literaturagenten die Auslandsrechte von Werken in alle Länder generell selbst lizensieren und diese nicht an den amerikanischen Verlag übertragen, so dass es alleine schon für das Lizenzgeschäft dortzulande sinnvoll ist, einen Agenten zu haben. In Deutschland kommen Selfpublisher in der Regel erst auf eine Literaturagentur zu, wenn sie den Weg vom selbstverlegten Buch zum klassischen Printverlag suchen. Deutsche Literaturagenten können für Selfpublisher derzeit bei der strategischen Arbeit wie der Entwicklung neuer Stoffe, der Verhandlung und Überwachung von Verträgen sowie der Kontrolle der Abrechnungen behilflich sein.

Zukunftsvisionen: Erweitertes Leistungsangebot für Presse- und Marketingarbeit

Da in Deutschland ein großer Bedarf an Öffentlichkeitsarbeit für Literatur herrscht, steht dem deutschen Agentenmarkt das Potenzial offen, ihre Leistungen für Selfpublisher im Bereich der PR- und Marketingarbeit zu erweitern. Hier könnten effektive Verknüpfungen zu PR-Fachleuten hergestellt werden, die eine ganzheitliche Betreuung der Autorenschaft sicherstellen würden. Die Frage bleibt allerdings offen, wer diese Leistungen bezahlt, da man diese als Agentur schwer auf Basis einer reinen Erfolgsprovision anbieten kann.

Petra Hermanns_PortraitZusammenfassend ist nicht eindeutig ersichtlich, wohin die Reise für Literaturagenten geht. Die Entwicklungen des Marktes im Bereich Selfpublishing werden entscheiden, in welcher Intensität sich das Leistungsspektrum der Agenten und die Bedürfnisse der Selfpublisher verändern werden. Fest steht für mich, dass die starke Rolle der klassischen Publikumsverlage und des Buchhandels in Deutschland erhalten bleiben wird. Selfpublishing wird sich als ein paralleler Markt weiter etablieren, der sich vorrangig in speziellen Genres und Zielgruppen wiederfindet und gleichzeitig die Brücken innerhalb der Buchbranche stärken wird. Die Kommunikation aller Beteiligten wird wachsen, Monopolstellungen werden relativiert. Ganz entscheidend für die Entwicklung im Buchmarkt ist dabei die Beibehaltung der Preisbindung. Bleibt die Preisbindung erhalten, wird sich der Buchmarkt auch in Zukunft in seinen Wesensmerkmalen treu bleiben – der Werthaltigkeit des Buches zuliebe.