Gastbeitrag: Wie Sie ein Fachbuch schreiben – vom Thema bis zum Verlag

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des ersten Teils der Serie, die komplett im Blog von Boris Karnikowski zu finden ist. Vielen Dank, Boris!

Fachbuch schreiben – die Grundlagen

Was ein Fachbuch ist
Buchveröffentlichungen fallen entweder unter Fiction oder unter Non-Fiction –  im deutschsprachigen Buchmarkt also in die Bereiche Belletristik sowie Ratgeber-, Sach- und Fachliteratur. Es ist Konsens bei Verlagen und Buchhändlern, dass Autoren sich für eines dieser Genres entscheiden sollten, denn Mischformen gelten als schwer bis nicht verkäuflich. Auch wenn beim näheren Hinsehen die Grenzen schon mal verschwimmen, gilt: Anleitung gehört in die Ratgeberschublade, populäres Wissen und Meinung ins Sachbuch und alles, was mit Wissensvermittlung zu tun hat, ins Fachbuch. Fachbücher umfassen die komplette Bildungsliteratur an Schulen, Fachhochschulen, Akademien und Universitäten sowie ihre populärwissenschaftlichen Ausprägungen für den Hausgebrauch (die Grenzen zum Sachbuch sind hier fließend).

Was Fachbücher leisten
Was Fachbücher in Zeiten des Internet anbieten, ist nicht allein Wissen, sondern dessen lesergerechte Aufbereitung und Vermittlung. Nur für diesen Mehrwert investieren Leser Zeit und Geld, weil er ihnen erlaubt, die benötigten Kompetenzen möglichst effizient zu erlernen.

Dies bedeutet: Gute Fachbücher stellen ihre Leser in den Mittelpunkt. Sie adressieren das richtige Wissensniveau (Einsteiger/Fortgeschrittene), behandeln die gewünschten Themen in der passenden Vorgehensweise (Crashkurs/Handbuch) und treffen den richtigen Ton (hemdsärmelig/seriös). Sie involvieren ihre Leser durch spielerische Elemente (Wissensquiz am Ende eines Kapitels, kleine Projekte im Text) und knüpfen an deren Lebenswelten an (etwa in Praxisbeispielen).

Als Autor eines Fachbuchs müssen Sie also zweierlei Wissen mitbringen: das um Ihr Thema und das um Ihre Zielgruppe. Erst, wenn sich Ihre Leser von Ihnen anerkannt und angesprochen fühlen, werden sie Ihre Inhalte gern und mit Erfolg aufnehmen.

Aktuelle Trends
Die meisten Fachbuchverlage bieten heutzutage nicht nur Gedrucktes an. Der Fachbuchbereich digitalisiert sich zunehmend – vor allem im Wissenschafts- und Bildungsbereich, wo auf Onlineplattformen organisierte Inhalte die Buchmetapher längst hinter sich lassen. Auch im digitalen und Print-on-Demand-Selfpublishing gibt es starke Fachbuchtitel. Als Autor haben Sie also alle Optionen. Um hier die für Sie passende Wahl zu treffen, müssen Sie sich zu Beginn die richtigen Fragen stellen – und um die geht es im nächsten Artikel. Darin machen Sie sich auch ein Bild von dem Teil des Fachbuchmarktes, der Sie interessiert.

Fachbuch schreiben – ein paar Fragen vorab

Wer ein Fachbuch liest, will oder muss etwas lernen, aus privatem oder beruflichem Antrieb. Fachbuchautor/in können Sie also nur sein, wenn Sie auf einem Themengebiet Experte sind und Ihr Wissen so nachgefragt ist, dass andere dafür Zeit oder sogar Geld investieren. – Auftritt Ihre Zielgruppe.

Wer ist Ihre Zielgruppe?
Die Antwort auf diese Frage ist zentral für Ihre Arbeit als Fachbuchautor. Schon hier zu Beginn bestimmt sie Form und Inhalt dessen, womit Sie Ihr Wissen vermitteln. Investiert Ihre Zielgruppe Geld in Wissen? wenn ja, wieviel? Kauft Ihre Zielgruppe Bücher oder schaut sie lieber Online-Tutorials? Wenn Bücher, liest sie dann lieber auf Papier oder E-Books (oder beides)? Ist ihr das Renomée eines Verlages wichtig oder gibt sie mehr auf Content als auf Markenimage? Wie Sie diese Frage beantworten, entscheidet mit darüber, ob Sie zu einem Verlag gehen oder als Selfpublisher veröffentlichen. Oder ob Sie überhaupt ein Buch schreiben.

Was ist Ihr Wissen wert?
Die Frage nach dem wirtschaftlichen Potential Ihrer Buchidee müssen Sie sich stellen, wenn Sie ein kommerzielles Projekt verfolgen (ob für einen Verlag oder als Selfpublisher). Wenn Sie Ihr Wissen bereits als Trainer, Consultant oder Konferenzsprecher vermitteln, ist die Frage klar und schnell beantwortet, denn dann leben Sie von Ihrem Wissensvorsprung und kennen dessen Marktwert.

Wenn nicht: finden Sie es raus, z.B. über eine Recherche auf amazon.de entlang der folgenden Fragen:

  • welches sind die am höchsten rankenden Titel zu Ihrem Thema?
  • sind diese Titel kürzlich oder vor längerem erschienen?
  • welche Ausstattung haben sie: ein-/zwei-/vierfarbig, Anzahl Seiten, CD/DVD/Buch-Website, was kosten sie?
  • was sagen die Rezensionen?
  • wie lauten die Verlage?
  • welche Inhalte haben die Titel genau (siehe jeweilige Verlagswebsite für Inhaltsverzeichnis und Probekapitel, meist im PDF-Format)

Was könnten Sie als Autor besser? Wenn es bereits Konkurrenz gibt: gibt es Verlage, die das Thema noch nicht abgedeckt haben? Kennen Sie vielleicht Ihre Zielgruppe genauer?

Machen Sie sich ausführliche Notizen, denn ich komme noch auf diese Recherche zurück. Achten Sie nicht nur auf Preise, Seitenzahlen, und Verkaufsränge, sondern auch auf die verschiedenen Niveaus (Einsteiger/Fortgeschrittene?) und auf das jeweilige Erscheinungsdatum (ist das Thema noch aktuell?). Notieren Sie sich auch die Verlage Ihrer Favoriten. (Nichts zu finden bedeutet übrigens nicht, dass Sie auf eine Marktlücke gestoßen sind – eher, dass es keine Nachfrage gibt. Fassen Sie dann Ihre Suche schrittweise weiter, bis thematisch relevante Titel erscheinen.)

Verlag oder Selbstverlag?
Was ist Ihre Motivation, ein Buch zu schreiben? Wollen Sie Autor eines gedruckten Buches bei einem renommierten Verlag werden und von dessen Marketing- und Vertriebsabteilung profitieren, oder ein stolzer Selfpublisher sein, der alle Fäden – und Nutzungsrechte (siehe Exkurs Autorenvertrag) – in der Hand hält? (Die gerade im boomenden Selfpublisher-Markt aufkommenden Formen des Hybridpublishing – also Mischungen der bestehenden Publishingmodelle – lasse ich außer acht.)

Pro/Kontra Verlag
Mit Verlag meine ich hier: den entlang einem vorab geplanten Programm veröffentlichenden, immer noch vorrangig vom Verkauf gedruckter Bücher lebenden und im Handel gut aufgestellten Verlag. So einen brauchen Sie – wenn es Ihr Ziel ist, Autor eines gedruckten Buches zu werden, das über den Buchhandel vertrieben und gezielt beworben wird. Diesem Verlag verkaufen Sie die Nutzungsrechte an Ihren Inhalten – exklusiv und in jedweder Form (siehe Exkurs Autorenvertrag). Im Gegenzug erhalten Sie ein professionell produziertes, vermarktetes und vertriebenes Buch.

Da das Honorar meist gering ist (meist zwischen 8%-12% des Nettobuchpreises, siehe Exkurs Buchpreis und Autorenhonorar) und die verkauften Auflagen selten die Margenerwartungen des Verlags übertreffen, sollte Ihre Hauptmotivation als Fachbuchautor das Eigenmarketing sein. Ihr Buch ist Ausweis Ihrer Kompetenz und beflügelt unweigerlich den Teil Ihrer Arbeit, mit dem Sie wirklich Geld verdienen.

Pro/Kontra Selfpublishing
Veröffentlichen können Sie auch als Selfpublisher, was in der Regel heißt: Sie publizieren ein E-Book im PDF- oder ePub-Format. Neben etwas technischem Knowhow benötigen Sie dazu einen Vertriebspartner, der Ihr E-Book breitenwirksam zum Download anbietet und die Abrechnung übernimmt – das kann eine einzelne Plattform sein wie Amazon KDP (Kindle Direct Publishing) oder ein Distributor, der alle relevanten E-Book-Plattformen beliefert.

Als Selfpublisher liegt nicht nur das Schreiben, sondern auch alles andere in Ihrer Hand: die sprachliche bzw. fachliche Korrektur, die Covergestaltung, die Vermarktung und ggf. der Vertrieb. Es hängt auch von Ihrem Budget ab, ob Ihr E-Book in diesen Punkten mit einem Verlagstitel mithalten kann. Der Vorteil ist: Sie sind bei der Vermarktung Ihres Titels flexibler (sofern Sie bei Ihrem Distributor keine Exklusivklauseln unterzeichnet haben). Im Erfolgsfall verdienen Sie sogar mehr Geld. Und wenn Sie doch ein gedrucktes Exemplar benötigen, können Sie es zeitnah über einen Book-on-demand-Dienst drucken und versenden lassen (aus vielen Gründen sinnvoll). Allerdings kommt es ohne vertriebliche Hilfe nicht in den Handel.

Zur Zeit (Februar 2014) boomt Selfpublishing. Vorsichtig geschätzt steht es für die knappe Hälfte der E-Book-Umsätze auf amazon.de. Allerdings gehören Fachbücher (noch) nicht zu den Verkaufsschlagern.

Entscheidend ist Ihre Zielsetzung
Überlegen Sie, was Sie mit Ihrem Buch erreichen wollen. Als Selfpublisher können Sie schreiben, was Sie wollen, damit machen, was Sie wollen, und sparen sich die Odyssee durch die Lektorate – die öffentliche Wahrnehmung kann durchaus groß sein, der finanzielle Ertrag bleibt vermutlich gering (einen Artikel zur Preisstruktur der Top 100(0)-E-Books bei Amazon, Stand Anfang 2014, finden Sie hier). Als Verlagsautor erhalten Sie das repräsentativere und vermutlich auch wirtschaftlich erfolgreichere Produkt, müssen sich aber mit den verlagsseitigen Wünschen nach Form und Inhalt – dem Verlagsprogramm – arrangieren (und zuvor überhaupt einmal einen Verlag finden).

Ich gehe im weiteren nur auf das Arbeiten mit klassischen, programmbasiert arbeitenden Verlagen ein. Wenn Sie mehr über Selfpublishing wissen wollen, finden Sie bei Leselupe.de eine kompakte Übersicht und hier in der Selfpublisher-Bibel Antworten auf so gut wie alle Ihre Fragen. Ich empfehle Ihnen auch den Beitritt zur Facebook-Gruppe SELF PUBLISHING.

Ein Fachbuch schreiben – Thema und Lesernutzen

Warum ist es so schwierig, einen Verlag zu finden? Einerseits, weil Verlage wählerisch sein müssen. Ein Verlag finanziert per Definition Buchprojekte vor, lange bevor der (erhoffte) wirtschaftliche Erfolg eintritt. Andererseits, weil die meisten von Autoren eingereichten Projekte entweder nicht in das Programm des jeweiligen Verlages passen oder gleich komplett am Markt vorbeigehen. Wie (fast) immer gilt: der Markt ist (fast) alles. Und, leider: Fachbücher können keine Nachfrage schaffen, sondern nur auf sie reagieren. Wonach suchen Fachbuchverlage also? „Nach dem richtigen Buch vom richtigen Autor zum richtigen Zeitpunkt“. – Büchermachen kann so einfach sein.

Seien Sie relevant: Thema & Nutzen
Aber dieser Spruch ist nicht ganz so blöd, wie er klingt. Im Markt heißt “richtig” nichts anderes als “relevant”. Wenn Sie also der richtige Autor mit dem richtigen Buch sein wollen, müssen Sie und Ihr Wissen für Ihre Leser relevant sein. Das ist beim Fachbuch gar nicht so schwer, denn die Themen sind in der Regel schon da und Ihnen vermutlich bekannt (z.B. in Gestalt technologischer Trends). Die eigentliche Arbeit besteht darin, zwei Dinge herauszufinden – nämlich 1) welches dieser Themen Potential hat und 2) wo genau der Wissensbedarf zu diesem Thema liegt.

Hat das Thema Potential?
Ein Thema mit Potential für Buchverkäufe entsteht meist am Konvergenzpunkt mehrerer technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen und wird so mit einem Male breitentauglich. Ein paar (im Rückblick stark vereinfachte) Beispiele aus meinen eigenen Erfahrungen der letzten Jahre mit sog. “Computerbüchern”:

  • PCs /Laptops in (so gut wie) jedem Haushalt + erschwingliche & leistungsfähige Digitalkameras + aufkommende Bearbeitungssoftware + Sharing-Plattformen = digitaler Fotografie-Boom (auch an den SLR-Boom der 80er anknüpfend)
  • Online-Sozialisierung der Nutzer durch bundesweiten Netzausbau (DSL) + Erfolg mächtiger Kommunikationsplattformen wie Facebook und Twitter + Verbreitung von Smartphones = Social Media-Boom
  • Wachsende Mobilität (Pendler/Reisen) + preiswerte Lesegeräte und Inhalte + 24/7-Shop mit einfachster Bedienung = E-Book-Boom

Kontext
Diese Auflistung sagt nicht, dass Sie lediglich 1+1+1 zusammenzählen müssen, um Themen mit Potential zu finden. Aber sie sagt, dass Sie das Potential eines Themas nur in seinem Kontext beurteilen können. Fragen Sie sich immer: Gibt es verwandte Themen, zu denen bereits erfolgreiche Titel erschienen sind? Gab es ähnliche Konstellationen oder Entwicklungen in der Vergangenheit? Vergleiche Sie das Suchaufkommen zu diesen und Ihrem Thema auf Google Trends. Welche Entwicklungen gibt es in der Community zum Thema? Gibt es Firmen, die das Thema aus eigenem Interesse fördern müssen (z.B. Software-Hersteller oder Trainingsfirmen)? Seinen Sie vernetzt, schöpfen Sie Ihre Informationen aus verschiedenen und möglichst maßgeblichen Quellen.

Timing
Da sich alle diese Themen über lange Jahre entwickelt haben – oft  vom (kleinen, aber ggf. hochpreisigen) Profimarkt in den (großen, aber preissensiblen) Breitenmarkt – ist Timing sehr wichtig. Denn ob Sie mit Ihrem Buchprojekt erfolgreich sind, hängt davon ab, dass es weder zu früh noch zu spät erscheint. Werfen Sie einen Blick auf den viel zitierten Gartnerschen Hypecycle: erst im letzten Drittel wird zuverlässig Geld verdient. Wenn Sie “Erster sein”, also während des Hypes auf dem “Gipfel der überzogenen Erwartungen” einsteigen wollen, brauchen Sie eine gute Intuition, viel Glück und starke Nerven. Hier konkurrieren Sie außerdem mit schnellen Medien wie Zeitschriften und natürlich dem Internet.

Wenn Sie nicht Erster sein können, versuchen Sie Bester zu sein. Es gibt viele Beispiele für äußerst erfolgreiche Fachbücher, die später erschienen sind als die Konkurrenz, und den Markt dann von hinten aufgerollt haben. Eben, weil sie das für ihre Zielgruppe bessere Angebot machten. (Eine Ausnahme hiervon sind Fachbücher, die einem bestimmten Veröffentlichungsrhythmus folgen müssen – etwa dem Semestertakt an Unis und Fachhochschulen oder den Releasezyklen der Softwarehersteller.)

Wissensbedarf = Lesernutzen
Denn hier liegt – natürlich – das eigentliche Potential Ihrer Buchidee: in der richtigen Ausrichtung des Themas, um den von ihrer Zielgruppe gewünschten Wissensbedarf zu decken. Je besser Ihre Buchidee auf die Erfüllung dieses Lesernutzens abzielt, desto größer ihre Chance auf kommerziellen Erfolg (und damit auf Umsetzung durch einen Verlag).

Dazu müssen Sie das Lernverhalten Ihrer künftigen Leser gut einschätzen können. Haben Sie es bei diesem Thema mit Einsteigern zu tun, die nach einer Einführung ins Thema gut auf anderen Wegen weiter kommen? Dann sollten Sie tiefer ansetzen, Grundwissen und Handwerkszeug vermitteln und für erste Erfolgserlebnisse sorgen. Oder erlaubt Ihnen die Breite des Themas, Ihre Buchidee so zu fokussieren, dass Sie für Quasi-Experten schreiben? Dann besteht die Herausforderung für Sie darin, gerade das richtige Maß an Vorwissen vorauszusetzen und für Ihre Buchidee die richtigen Themen auszuwählen.

So oder so – optimal ist es, wenn Sie bereits in Kontakt mit Ihrer Zielgruppe stehen – als Trainer, Dozent, Sprecher, über Social Media oder andere Kanäle.

Eine erste Skizze Ihrer Buchidee
Entwickeln Sie Ihre Buchidee also durch die Leserbrille. Denken Sie in Lernzielen. Wo stehen Ihre Leser zu Beginn des Buches und was sollen sie am Ende können (können, nicht nur: wissen)? Füllen Sie den Raum zwischen Anfang und Ende dieser Lernkurve mit in sich geschlossenen Lernschritten. Fragen Sie sich bei jedem Schritt: ist diese Information für den Leser relevant zur Erreichung seines Zieles? Erstellen Sie so eine erste Gliederung – die Lernschritte sind Ihre Kapitelüberschriften, und mehr als diese erste Ebene brauchen Sie erstmal nicht.

Denken Sie auch an die Ergebnisse Ihrer Amazon-Recherche weiter oben – haben Sie sich die Bestseller zu Ihrem Thema näher angeschaut? Wie gehen deren Autoren die Sache an (werfen Sie einen Blick in die Inhaltsverzeichnisse – oft auf den Webseiten der Verlage einsehbar)? Wie macht sich Ihre Projektskizze im Vergleich dazu? Liegt Ihre eigene Seitenschätzung zu hoch oder zu niedrig? Überarbeiten Sie danach ggf. noch einmal Ihre Gliederung. Danach sind Sie eigentlich startklar.

Denn: Verlage bzw. Lektoren erwarten nicht, dass Sie ein fertiges Manuskript vorlegen, im Gegenteil: es wäre nur schwer bis gar nicht in das Verlagsprogramm integrierbar. Viele Fachbuchverlage arbeiten mit Reihen oder Clustern, die eine einheitliche Herangehensweise und inhaltliche Struktur voraussetzen. Solitäre tun sich schwer im Programm und bleiben oft Fremdkörper – von der Entwicklung des Buches bis zu Vermarktung und Vertrieb. Entscheidend für Lektor und Verlag wird vielmehr sein, ob Sie mit Ihrer Buchidee ein umsatzstarkes Thema auf eine besonders zielgruppengerechte Weise angehen. Das richtige Buch zum richtigen Thema zum … Sie wissen schon: Relevant sein.

Ein Fachbuch schreiben – einen Verlag suchen

Mit Ihrer Gliederung und den Ergebnissen Ihrer Marktanalyse können Sie nun auf Verlagssuche gehen. Sprechen Sie nur mit Verlagen, die zu Ihrem Thema passen und noch kein Buch wie das von Ihnen angedachte im Programm haben (Sie haben sich ja bei Ihrer Amazon-Recherche die Verlage notiert …?).

Einen Ansprechpartner finden
Am einfachsten ist es, auf Ihrem oder dem Regal Ihres Buchhändlers die Impressumsseiten der Bücher Ihrer Wunschverlage nach Lektoratskontakten zu durchsuchen. Oder Sie suchen auf den Webseiten der Verlage nach Stichworten wie „Autor werden“, „Lektorat“ etc. Wenn Sie hier nicht fündig werden, suchen Sie bei XING oder LinkedIn nach Ansprechpartnern – oder googlen einfach. Haben Sie dann alle gewünschten E-Mail-Adressen oder sogar Telefonnummern, treten Sie – gut vorbereitet – in Kontakt. Schildern Sie dem Lektor Ihre Buchidee, skizzieren Sie die Zielgruppe und argumentieren Sie mit den Ergebnissen Ihrer kleinen Marktforschung. Ist der Lektor interessiert, mailen Sie ihm direkt nach dem Gespräch Ihre Gliederung (mit ein paar Infos, die Ihre Kompetenz unterstreichen). Vereinbaren Sie eine Evaluierungsfrist und haken Sie erst nach, wenn diese ohne Rückmeldung verstrichen ist.

Der Entscheidungsweg im Verlag
Ist der Lektor interessiert, ist das aber noch keine Zusage. Trotzdem wird er mit Ihnen schon die Eckwerte des Projekts, den Zeitplan, das Abgabeformat (meist MS Word) sowie Ihr Honorar verhandeln, um das Projekt auf sein wirtschaftliches Potential hin durchrechnen zu können. Diese Projektkalkulation bildet zusammen mit Gliederung und Marktanalyse das Exposé, das der Lektor dann der Verlagskonferenz vorlegt. Die Verlagskonferenz setzt sich in der Regel aus den führenden Köpfen von Lektorat, Marketing und Vertrieb sowie der Verlagsleitung zusammen und entscheidet über Zu- oder Absage (auch für erfahrene Lektoren nicht immer vorhersehbar). Unterstützen Sie Ihren Lektor im Vorfeld der Verlagskonferenz mit Informationen und stärken Sie seinen Glauben an das Projekt. Ihr Lektor ist ein Stück weit Ihr Verbündeter und sollte von Ihrer Buchidee überzeugt sein. Davon kann abhängen, ob eine Ablehnung seines Projektvorschlags durch die Verlagskonferenz das Ende für Ihre Buchidee bedeutet – oder aber eine erfolgreiche Wiedervorlage nach Änderung einiger Eckwerte.

Verhandeln Sie alle relevanten Punkte durch, bevor Ihr Lektor mit Ihrem Projekt in die Verlagskonferenz geht. Hier die wichtigsten:

  • Honorar (prozentuale Beteiligung am Umsatz oder Festhonorar? wenn prozentuale Beteiligung, gibt es dann für eBooks mehr Honorar? wichtig für das Honorar sind natürlich der Buchpreis und die voraussichtlich verkaufte Auflage, siehe dazu die Exkurse zu Autorenvertrag sowie Buchpreis und Honorar; außerdem: wann zahlt der Verlag aus – quartärlich, halbjährlich, jährlich? und: gibt es einen Vorschuss? dieser wird in der Regel mit dem Honorar verrechnet, sollte aber niemals rückzahlbar sein)
  • Ausstattung (Seitenzahl, Format, Schwarzweiß/Farbe, Papierqualität Offset oder Bilderdruck, Hardcover/Broschur, Umschlag, zusätzliche Medien wie CD/DVD, Einlegekarte, Website zum Buch etc. – vieles hiervon liegt in der Entscheidung des Verlages, Sie als Kenner der Zielgruppe Ihres Buches können diese allerdings maßgeblich beeinflussen; argumentieren Sie auch mit der ggf. besser ausgestatteten Konkurrenz)
  • Buchpreis (mit bestimmend für Ihr Honorar, seine Festlegung ist aber Sache des Verlages)
  • Auflage (der Verlag wird sich von Ihnen auf keine Auflage festlegen lassen – allerdings haben Sie ein Recht darauf zu erfahren, denn sie ist ebenfalls mit bestimmend für Ihr Honorar; wichtig ist die “voraussichtlich verkaufte Auflage”, mit deren Absatz der Verlag über die Lebenszeit des Buches tatsächlich rechnet – wenn der Verlag Ihnen beispielsweise eine Honorarstaffel anbietet, bei der Sie ab 2.000 verk. Ex. 2% mehr Honorar erhalten, ist dies nur interessant, wenn der Verlag selbst an diesen Mehrabsatz glaubt; schließlich könnte der Verlag auch so wenig drucken, dass Sie weder eine gute Sichtbarkeit im Handel noch ein gutes Honorar erhalten; außerdem interessant ist, wieviele E-Books der Verlag zu verkaufen glaubt – das Thema Auflage spielt hier natürlich keine Rolle:))
  • Eigenbelege (unabhängig davon, ob Sie 5, 10 oder mehr kostenlose Exemplare Ihres Buches vom Verlag erhalten – Ihr Lektor wird Ihnen sicher gern ab und zu ein weiteres zuschicken; für größere Bestellungen sollten Sie einen Autorenrabatt von mindestens 30% erhalten)
  • Ausnahmeklauseln im Vertrag (wenn Sie beispielsweise Teile des Inhaltes für eigene Zwecke parallel verwenden oder sich Rechte für eine bestimmte Sprache vorbehalten möchten)

Rechnen Sie insgesamt mit mehreren Wochen, bis eine Entscheidung gefallen ist. Bieten Sie parallel bei anderen Verlagen an, sagen Sie dies offen und bitten Sie dort solange um Aussetzung der Entscheidungsprozesse. Mehrere Zusagen zum gleichen Projekt sind keine komfortable Verhandlungsposition, sondern beschädigen das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und den Verlagen.

Wenn der Verlag absagt
Wenn der Lektor (oder die Verlagskonferenz) Ihre Buchidee ablehnt, gehen Sie zum nächsten Verlag auf Ihrer Liste und führen das gleiche Gespräch oder den gleichen Mailwechsel von vorn. Geben Sie nur auf Nachfrage zu, dass Ihr Vorschlag anderorts schon mal abgelehnt wurde (es hängt vom Selbstbewusstsein des Lektors ab, wie weit er sich an der Konkurrenz orientiert). Zeigen Sie sich offen für Änderungen bei Thema und Gliederung. Fragen Sie auch nach Themen, die für den Verlag interessant sind – vielleicht ist etwas für Sie dabei? Wenn Sie auf diesem Wege ein erfolgreiches Debüt geben und so das Vertrauen des Verlags gewinnen, läßt er Sie Ihre Buchidee vielleicht im zweiten Anlauf verwirklichen.

Wenn Sie auch nach mehreren Gesprächen keine Zusage erhalten, können Sie Ihre Buchidee immer noch als Selfpublisher umsetzen. Mit entsprechendem Budget können Sie auch eine kleine Auflage drucken lassen, die Sie auf Bestellung (z.B. über Amazon oder Ihre Website) verschicken. Ich kenne mindestens zwei Autoren, deren Bücher sich auf diesem Wege so gut verkauften, dass sie schließlich doch einen großen Verlag fanden.

Wenn der Verlag zusagt
Gibt die Verlagskonferenz grünes Licht, nimmt Sie der Verlag unter Vertrag, gibt Ihrem Projekt einen Slot in der Programmplanung sowie eine ISBN und stattet Sie mit einigen Formalia wie ggf. Autorenleitfaden, Dokumentvorlagen etc. aus. Und dann können Sie loslegen.

Wie ein Verlag aufgebaut ist
Damit hätten Sie Ihr Zwischenziel, einen Verlag zu finden, erreicht. Weil es Ihrer Zusammenarbeit mit diesem helfen wird, wenn Sie etwas über die an Ihrem Buchprojekt beteiligten Abteilungen wissen, hier abschließend ein kurzer Überblick:

Marketing – hier werden die Social Media-Präsenzen des Verlags gepflegt, die Werbetexte aus dem Lektorat für Website und Katalog aufbereitet, Anzeigen entworfen und geschaltet, Kooperationen mit Zeitschriften und Websites aufgesetzt, Stände für Messen und Konferenzen gebucht, Pressebelege verschickt u.v.a.m.

Erwarten Sie kein Einzeltitelmarketing, das gibt es nur für Bestseller. Packen Sie statt dessen bei der Vermarktung Ihres Buches mit an – in den sozialen Netzwerken, auf Konferenzen, bei den Treffen der Communities. Vielleicht gibt es auch Dritte – Experten, die exponierter sind als Sie –, die bereit sind, Ihr Buch zu bewerben (etwa, weil sie ein Vorwort dazu schreiben)? Die dafür notwendigen Belege sollte Ihnen Ihr Verlag immer kostenlos zur Verfügung stellen.

Vertrieb – hier wird Ihr Buch in den Handel gebracht, sprich: in die geeigneten Buchhandlungen und natürlich in den Online-Handel (Amazon.de etc.). Dazu betreuen entweder Key-Account-Manager im Verlag ihre Ansprechpartner im Handel oder ein Außendienstteam reist mit einer Verkaufsmappe durch die Buchhandlungen. Auch der verlagseigene Webshop und die Steuerung der E-Book-Distribution sind hier aufgehängt. Je nach Ausrichtung des Verlages kann es auch einen Direktvertrieb geben, der an Kunden (häufig Firmen oder Bildungsträger) verkauft, ohne über den Zwischenhandel zu gehen.

Vertrieb und Marketing bewerben Ihr Buch ca. zwei bis drei Monate vor Erscheinen. In diesem Werbevorlauf sollte sich Ihr Buch nicht mehr verschieben (tatsächlich sollte Ihr Manuskript dann schon auf dem Weg in den Satz sein). Die in diesem Zeitraum auflaufenden Bestellungen werden Vormerker genannt und bestimmen die Höhe der Erstauslieferung bei Erscheinen Ihres Buches.

Natürlich ist Ihr Verlag dankbar für jede Hilfe, die zum erfolgreichen Vertrieb beiträgt (z.B. Firmenkontakte, über einen Affiliate-Link auf Ihrer Website generierte Bestellungen, wenn Sie die Bücher bei Schulungen als Bonus mitgeben etc.). Das Schöne daran: durch den Wegfall der Händlerspanne verdienen Sie mehr pro verkauftem Exemplar. Aber: direkt dürfen Sie selbst keine Bücher verkaufen (dafür müssten Sie Buchhändler oder Verlag sein). Und der Preis ist immer der vom Verlag festgelegte (gesetzliche Buchpreisbindung). Es sei denn, Sie schnüren ein Bundle aus z.B. einer Schulung und Ihrem Buch (das preislich nicht extra deklariert wird).

Herstellung – hier wird aus Ihrem Manuskript ein Buch. D.h. hier werden Satz und Druck und meist auch die Erstellung von E-Books koordiniert. In manchen Verlagen werden hier auch die Grafiker für Cover und Abbildungen gesteuert. Ab dem Moment, in dem Ihr Lektor Ihr Manuskript bei der Herstellung einreicht, dauert es noch sechs bis acht Wochen bis zu seiner Veröffentlichung als gedrucktes Buch (Satz- und Druckphase sind etwa gleich lang).

Beachten Sie, dass Ihre Inhalte ab Satzbeginn nicht mehr von Ihnen, sondern nur noch vom Setzer editiert werden können. Änderungen in dieser Phase sind also zeit- und kostspielig. Das Ergebnis – die erste Satzfahne – sollten Sie aber ansehen dürfen. Erst hier sehen Sie Ihre Inhalte so, wie sie später im Buch erscheinen.

Lektorat – steuert den Projektverlauf bis zur Übergabe des fertigen Manuskripts an die Herstellung. D.h. Ihr Lektor hält nicht nur den Kontakt zu Ihnen als Autor, sondern koordiniert auch Fachlektoren und Gutachter sowie sprachliche Korrektoren und fungiert als Ihre Schnittstelle in den Verlag (übergehen sie ihn also nicht). Abhängig von der Arbeitsweise des Verlages kann ein Lektor zu seinen Kompetenzen als Projektmanager auch hohe fachliche Qualitäten mitbringen und so sehr tief in die Arbeit am Inhalt einsteigen.

Backoffice – hierunter fallen neben der Buchhaltung (die Ihre Verkäufe erfasst und ggf. auch die Honorarabrechnungen verschickt) und der Lizenzabteilung (die Ihren Inhalt zur Übersetzung anbietet) auch noch andere Abteilungen, die für Sie als Nicht-Angestellter nicht relevant sind. Ist Ihr Verlag Teil eines größeren Verlagsgeschäfts oder sogar -Konzerns, befindet sich das Backoffice evtl. gar nicht unter dem gleichen Dach.

All diese Verlagsabteilungen und -mitarbeiter arbeiten mit Ihnen für Ihr Buch (und die in der Regel externen Dienstleister wie Grafiker und Drucker sind hier nicht mal aufgeführt). Denken Sie daran, dass von Ihnen verursachte Änderungen im Projektverlauf – z.B. terminliche Verschiebungen – nicht nur die hier genannten Abteilungen, sondern auch den Verlag als Ganzes treffen. Denn er hat zwar in Ihr Projekt investiert (Personalkosten, evtl. Vorschusszahlung, Kosten für Coverentwurf etc.), kann aber das fertige Produkt nicht so früh wie geplant verkaufen. Gerade bei zeitkritischen Themen (etwa wenn Sie zu einer versionsabhängigen Software schreiben) können solche Verschiebungen zu einer wirtschaftlichen Neubewertung des Projekts und ggf. auch zu seiner Stornierung führen.

Wie Sie Ihr Manuskript schreiben und mit dem Verlag zusammenarbeiten, werden die kommenden Teile der Serie erklären.

Über den Autor – Boris Karnikowski

(Bild: Boris Karnikowski)

Seit über 15 Jahren mache ich IT-Fachbücher – von Programmierung über Administration bis Fotografie, Grafik & Design und Social Media. Zunächst für den O’Reilly Verlag, dann 14 Jahre für Pearson Deutschland, dort zuletzt als Lektoratsleiter für den Bereich “Computerbuch & Fotografie”. Seit Juli 2013 arbeite ich als freier Lektor u.a. für den dpunkt.verlag sowie als Agent für Sach- und Fachbuchautoren.

Ein großes Privileg meiner Arbeit ist die Zusammenarbeit mit Experten, die ihr Wissen mit anderen teilen möchten. Die Kompetenz und Leidenschaft, die meine Autoren in ihre Texte stecken, ist für mich verbindliche Verpflichtung, diesen Texten die bestmögliche Form und Plattform zu geben. Ich freue mich, das auch weiterhin auf diesem Wege tun zu können – vielleicht auch für Sie?