Interview: Johannes Zum Winkel (XTME) über erfolgreiche E-Book-Promotion, Gratisaktionen und den richtigen Preis

Johannes Zum Winkel verbindet fünfundzwanzig Jahre Berufserfahrung mit einer Ausbildung zum Integralen Coach. Zwölf Jahre arbeitete er für den Bertelsmann Konzern und stieg dort bis zum Geschäftsführer auf. Alle Unternehmen, für die er tätig war, gingen durch einen Umbruch: In der Hauptsache war es die digitale Revolution, die vor allem in den Verlagen zum Umdenken und Wandel führte. Als Betreiber der reichweitenstarken E-Book-Empfehlungsseite xtme.de hat er reichhaltige Erfahrung in der Vermarktung von E-Books gesammelt.

Ruprecht Frieling: Hallo Johannes, seit Monaten bekomme ich täglich von Dir einen Newsletter, der mir E-Books empfiehlt, die günstig, gut oder kostenlos sind. Ich schaue da voller Interesse hinein und lasse mich gern inspirieren. Die entsprechende Homepage, über die diese Angebote kommen, heißt xtme.de. Was darf ich mir darunter vorstellen, seit wann gibt es die Seite, und wie bist Du auf die Idee gekommen?

Johannes Zum Winkel: Hallo Ruprecht, ich habe xtme (»neXT MEdia«) am 7. Januar 2012 gestartet, nachdem ich die vielen Gratisbücher bei Amazon entdeckt und neugierig darin gestöbert hatte. Ich dachte mir: Da braucht es einen Wegweiser, denn manches ist tatsächlich gut!

XTME bietet sich als Führer im E-Book-Markt an

Ruprecht Frieling: Dein Geschäftsmodell basiert darauf, möglichst viele Besucher dazu zu bewegen, die empfohlenen Bücher anzuklicken und zu »kaufen«. Bei über 2.000 Besuchern pro Tag hast Du im Jahre 2012 mehr als 15.000 Bücher vermittelt, habe ich in Deinem Blog gelesen. Amazon honoriert diesen Vermittlungsdienst prozentual. Steht Dein Aufwand im Verhältnis zum Ertrag?

Johannes Zum Winkel: Ursprünglich hatte ich diese »Honorierung« durch Amazon gar nicht so im Sinn: Ich komme aus dem Print-Verlagswesen und habe von Anfang an darauf gewettet, dass ein Wegweiser sowohl für Leser als auch Autoren und Verlage sinnvoll ist, und dass sich darauf ein klassisches Werbegeschäft aufbauen lässt. Dass das Amazon-Affiliate Geschäft gut lief, hat mir den Aufbau des Dienstes sehr erleichtert.

Ruprecht Frieling: Wolltest Du also ursprünglich wirklich »nur« etwas Gutes tun und hast keine merkantilen Überlegungen angestellt?

Johannes Zum Winkel: Ich habe von Anfang an ein Geschäftsmodell im Auge gehabt, nämlich Bücher an Kindle-Leser zu vermitteln. Um diese Leser zu gewinnen, kam mir das »Select«-Programm von Amazon gerade recht, denn kostenlose Bücher mag jeder. Vor allem, wenn sie auch noch ausgesucht und für gut befunden wurden. Ich habe dann ab einer Besuchergröße von 1.000 Lesern pro Tag begonnen, günstige E-Books vorzustellen. Das war das Ziel: ganz gezielt E-Books zu verkaufen.

Ruprecht Frieling: Nun änderte Amazon vor einigen Monaten sein Geschäftsmodell und lehnte ab, die Vermittlung von Kunden, die Gratis-Bücher laden wollten, weiterhin zu verprovisionieren. Als ich das las, war ich überzeugt, das letzte Stündlein Deines Empfehlungsdienstes habe geschlagen …

Johannes Zum Winkel: Ich habe vor xtme 25 Jahre im Verlagsgeschäft gearbeitet. Für Tageszeitungen, Magazine; in Österreich und in Deutschland bei Bertelsmann. Ich habe viele Produkte verantwortet und habe über die Jahrtausendwende das Auf und Ab in diesem Geschäft hautnah erlebt. Dass es immer wieder Herausforderungen gibt, die ein Anpassen des Geschäftsmodells erfordern, ist klar und begegnet jedem Unternehmer immer wieder. Was ich gelernt habe: Solche Anpassungen mögen im Einzelfall schmerzhaft oder einfach nervtötend sein, aber sie gehören nun mal dazu. Viel schlimmer als der Wegfall eines einzelnen Werbekunden wäre beispielsweise das Abwandern von Lesern, also das Wegbrechen der Basis von xtme.

Ruprecht Frieling: Die ursprüngliche Zielgruppe Deiner Seite waren potentielle Leser von E-Books, inzwischen sind auch die Verfasser der Bücher selbst dazu gekommen. In Zusammenarbeit mit Autoren hast du es konkret geschafft, einzelne Titel bis in die Top 100 der Kindle-Charts zu heben. Du sprichst dabei von einem »xtme-Deal«. Was darf ich mir darunter vorstellen?

Johannes Zum Winkel: Wir haben auf der einen Seite interessierte Leser – und es sind beileibe nicht nur »Schnäppchenjäger« die xtme besuchen. Was ich über diese Monate aufzubauen versucht habe, ist die Neugier des Lesers auf neue Autoren. Das ist natürlich einfacher, wenn diese Autoren ihre Bücher günstig oder umsonst abgeben. Ein häufiger Satz, den ich bei der Vorstellung von Büchern verwende, ist »probieren Sie das aus!« Ich hatte Mitte 2012 täglich auch den »Kindle-Deal des Tages« auf der Seite. Und habe festgestellt: Dieses täglich günstig präsentierte englische (!) Buch wurde tatsächlich überdurchschnittlich oft gekauft. Da lag es nahe, den »xtme-Deal des Tages« einzuführen. Ein Schnäppchen, kurzzeitig preisreduziert auf 99 Cent. Ich verlange übrigens dabei von Autoren, die ihr E-Book als »Deal« präsentieren wollen, mindestens vier Rezensionen mit einem Durchschnitt von vier Sternen, denn meine Leser erwarten auf jeden Fall qualitativ hochwertige Angebote.

Ruprecht Frieling: Deine Antworten sind präzise und klar, man spürt Dein unternehmerisches Denken und die Zielstrebigkeit Deines Handelns. In der Autorenszene geht es mitunter entschieden emotionaler zu. Ich kann mir vorstellen, dass Du Dich bisweilen mit Kommentaren zurückhalten musst, um sachlich zu bleiben …

Johannes Zum Winkel: Ja.

Ruprecht Frieling: Chapeau! Du lässt Dich nicht aufs Eis locken. Im Kern behauptest Du also, mit geeigneten Marketinginstrumente dazu beitragen zu können, dass ein E-Book ein Bestseller wird?

Johannes Zum Winkel: Nein. Ich kann mit Promotion-Aktionen auf xtme dazu beitragen, dass ein Buch einer Leserschar präsentiert wird. Und diese Leser haben ein hohes Vertrauen darin, dass E-Books, die auf xtme präsentiert werden, »gut« sind, also einem gewissen Qualitätsstandard entsprechen.

Ruprecht Frieling: Nun stellst Du aber Dein Licht unter den Scheffel und wertest die Relevanz Deiner Seite ab …

Johannes Zum Winkel: Nein, ich stelle es drauf! Aber das richtige Licht. Die Leser von xtme haben Vertrauen darin, dass xtme gute Bücher präsentiert. Das ist das höchste Gut, das ich vorzuweisen habe.

Ruprecht Frieling: … aber schafft das nicht jeder Newsletter, der sich an Fans und Follower richtet?

Johannes Zum Winkel: Das kommt drauf an. Xtme gilt als neutraler Empfehlungsdienst. Ich kann ein Fachbuch, eine erotische Romanze und ein gereimtes Drama präsentieren – und die Leser wissen, dass diese Bücher in ihren jeweiligen Genres gut sind: fachlich, erotisch oder gereimt. Ich weise deutlich darauf hin, dass ich Bücher, bei denen ich auf der ersten Seite Rechtschreib- oder Kommafehler finde, nicht präsentiere. Ich lese die ersten Seiten und gebe meinen Eindruck wieder. Zusätzlich erzähle ich etwas über den Autor; verlinke auch auf Autorenblogs und versuche so, eine Verbindung Autor-Buch-Leser herzustellen.

Ruprecht Frieling: Die Platzierung in den Kindle-Charts scheint ausschlaggebend für einen stärkeren Abverkauf eines Titels zu sein, weil das Buch dann nämlich besser gesehen wird und ein gewisser Automatismus eintritt …

Johannes Zum Winkel: Es gibt zwei Wege, E-Books zu verkaufen. Entweder direkt über Empfehlungen, Links auf Webseiten, Facebook- oder Twitterpostings. Oder über den Shop selbst. Amazon gehört zu den meistbesuchten Websites, in Deutschland steht es weit vor Spiegel.de oder Bild.de. Wer mit seinem E-Book ins Schaufenster des größten Shops schafft, der wird verkaufen. Als Schaufenster bezeichne ich die »Bestseller-Genres«, denn die meisten Kunden wollen das kaufen, was die anderen auch gekauft haben. Wer mit seinem E-Book in einem der Bestsellergenres in den Top Ten angezeigt wird, wird gesehen und wahrscheinlich auch gekauft.

Ruprecht Frieling: Da es mich reizt, Dich auf eine Kernaussage zu bringen: Es gilt also, das Ranking zu verbessern, und dazu leistet xtme Dienste.

Johannes Zum Winkel: Ja, eine Promotion auf xtme kann definitiv das Ranking eines E-Books verbessern.

Ruprecht Frieling: Kannst Du mir das vielleicht an einem konkreten Beispiel erläutern? – Ich nehme mal mein E-Book »Angriff der Killerkekse«, von dem ich seit zwei Jahren im Durchschnitt täglich zwei, drei Exemplare verkaufe. Lag ich mit diesen Absatzzahlen im ersten Kindle-Jahr 2011 auf Platz 120, dümpele ich jetzt bei unveränderten Umsätzen im breiten Mittelfeld. Nicht, dass ich mit diesem Ergebnis unzufrieden bin, es liegt deutlich über dem Tagesumsatz des gleichnamigen Paperbacks. Aber: Was kann ich aus Deiner Sicht tun, um meine Sichtbarkeit zu verbessern und dadurch nachhaltig mehr Bücher zu verkaufen?

Johannes Zum Winkel: Die »Killerkekse« liegen jetzt gerade auf #7.300; und auf #52 in Bestseller-Kurzgeschichten. Gute Bewertungen, sieht auf ersten Blick intellektuell herausfordernd aus. Das ist jetzt keine Massenware, aber von den guten Bewertungen her könnte das schon laufen. Es muss allerdings für jeden Titel einen Marketingplan geben. Den erstelle ich für eine xtme-Promo gemeinsam mit dem Autor. Ich würde in diesem Fall sagen: Ziel wäre, #1.000 zu unterschreiten und damit ins »Schaufenster« Kurzgeschichten in die Top 5 zu kommen. Vielleicht könnte man ein zweites Genre einrichten, dass »Killerkekse« in den Top 10 anzeigt, wenn das Buch #500 schafft. Also ein zweites Schaufenster, das eventuell mehr Leser anzieht.

Ruprecht Frieling: Dieses zweite Schaufenster müsste dann beim KDP-Kundendienst angefragt werden, wenn es noch nicht existiert.

Johannes Zum Winkel: Meistens ja. Die Genre-Einstellmöglichkeiten bei KDP sind sehr differenziert, werden aber dann in das teilweise sehr grobe Raster des Shops überführt. Um ein E-Book in ein bestimmtes Bestseller-Genre zu bringen, muss meist der Weg über den Support genommen werden.

Ruprecht Frieling: Ganz anders sieht es für Topseller wie Nika Lubitsch oder Hanni Münzer aus, die sich mit Dan Brown & Co schlagen und graue Schatten verdrängen müssen. Deren Ziel muss sein, möglichst lange on top zu bleiben.

Johannes zum Winkel: Auch Nika Lubitsch und Hanni Münzer sind in gut ausgesuchten Genres vertreten. Dass Münzer mit »Seelenfischer« wieder näher an Dan Brown gerückt ist, hat damit zu tun, dass ihr E-Book in »Liebesromane« und »Krimi« gelistet ist, Dan Brown hingegen nur in »Krimi«. Damit hat Hanni Münzer fast die doppelte »Schaufensterfläche«. Eine Autorin, die vor sechs Monaten noch völlig unbekannt war, schlägt sich mit Altmeister Dan Brown um den ersten Platz im Ranking!

Ruprecht Frieling: Das ist wirklich faszinierend und zeigt die Möglichkeiten des Self-Publishing! Stichwort Gratisaktionen. Das Für und Wider wird unter Indie-Autoren leidenschaftlich diskutiert. Im ersten Kindle-Jahr war es noch relativ leicht, einen der obersten Plätze in den Gratis-Charts, die damals noch direkt neben den eigentlichen Verkaufs-Charts zu sehen waren, zu erklimmen. Inzwischen ist es weitaus schwieriger geworden, es erfordert ein Vielfaches von Abrufen, um wenigstens ein paar Tage oben auf der Suppe zu schwimmen und wahrgenommen zu werden.

Johannes Zum Winkel: Amazon hat die Nachhaltigkeit von Gratisaktionen stark reduziert. Das stimmt. Trotzdem sind Gratisaktionen für neue und unbekannte Autoren genauso wie für bekannte Autoren mit neuen Werken eine mögliche Marketingmethode, um hohe Aufmerksamkeit zu erregen. Nika Lubitsch hat ihr »5. Gebot« Anfang Februar verschenkt – und hat am 13. Mai Top 1 im gesamten Kindle-Bestseller-Ranking geschafft.

Ruprecht Frieling: Auch Gratisbücher wollen gelesen werden. Auf meinem Kindle horte ich inzwischen einige hundert kostenlos abgegebene Elektrobücher, die ich zwar alle gern lesen würde, aus Zeitgründen aber vermutlich niemals anfasse. Schlage ich diese Bücher aber nicht auf, dann kann ich mich auch nie für den Autor, der dahintersteckt, erwärmen, um eines schönen Tages seine anderen Bücher zu kaufen und weiter zu empfehlen.

Johannes Zum Winkel: Ach Ruprecht, wir zwei stellen nicht den Durchschnitt der Kindle-Leser dar. Wenn ich mir die Facebook-Fans von xtme ansehe, dann sind das zu 70 Prozent Frauen im besten Alter zwischen 35 und 45. Die lesen wesentlich (!) mehr Bücher als Männer. Ich versuche meine Leser dazu zu bewegen, neugierig in die ersten Seiten jedes geladenen Buches zu gucken. Wenn es ihnen nicht zusagt, dann hat der Kindle eine einfach zu betätigende Löschfunktion. 75 Prozent der Besucher von xtme sind wiederkehrend, also scheinen sie immer neuen Nachschub zu brauchen …

Ruprecht Frieling: Dein Wort in des Lesers Ohr, Johannes! – Ein weiteres beliebtes Gesprächsthema unter Self-Publishern ist das Pricing, also die Frage, welcher Abgabepreis für ein E-Book angemessen ist. Vereinfacht heißt es dazu, ein möglichst niedriger Preis (0,99 €) trage zur massenhaften Verbreitung und damit zum schnellen Bekanntwerden des Autors bei. Dagegen steht die Tatsache, dass Buchpreise ab 2,99 € Autoren in den Genuss der 70-Prozent-Regelung kommen lassen. Welche Position vertritt Du zu diesem Thema?

Johannes Zum Winkel: Ein Buch muss seinen Preis wert sein – und der Preis sagt etwas über das Buch aus. Laut Untersuchungen von Smashwords ist ein Preis von 3,99 € offensichtlich ein guter Wert für Indies. Die laufende Umfrage auf xtme geht sogar noch weiter: 76 Prozent von inzwischen 600 Teilnehmern meint, 4,99 € und mehr wäre ein durchaus akzeptabler Preis für ein gutes Buch. Da Preis, Umfang und Rezensionen, Bekanntheit des Autors, Coveranmutung und Ranking direkt miteinander zu tun haben, ist es schwer, eine globale Aussage zu treffen. Ich sehe aber oft Bücher, wo ich mich über das Pricing nur wundern kann. Ein dauerhafter Preis von 99 Cent für einen durchaus lesbaren 500-Seiten Roman wertet das ganze Buch in den Augen des Lesers ab. Eine 80-Seiten-Novelle für 7,99 € ist hingegen deutlich zu teuer – kaum einer wird solche Bücher kaufen, und das Ranking sinkt ins Bodenlose.

Ruprecht Frieling: Das wiederholte Spielen mit dem Ladenpreis, also das aktionsbedingte kurzfristige Herauf– und Herabsetzen führt Verlagsprofis zur Frage der Auslegung des Preisbindungsgesetzes. Ich meine, dass ein häufiges Spielen mit dem Ladenpreis, ausgenommen Gratis-Werbeaktionen, auf die Dauer abmahnfähig sein könnte, du vertrittst eine andere Auffassung…

Johannes Zum Winkel: Ich bin kein Rechtsanwalt. Aber das Preisbindungsgesetz sagt aus meinem ganz persönlichen Verständnis aus, dass der Verleger einen Preis festzulegen hat, und jeder Händler ihn einhalten muss. Der Händler darf diesen Preis erst ändern, wenn der Verlag ihn nach frühestens 18 Monaten freigibt. Daraus erschließt sich mir nicht, warum der Verleger nicht den Preis ändern dürfte. Er muss nur bei allen Verkaufsstellen gleich sein. Wer nur über Amazon verkauft, muss also nur darauf achten, dass der Preis, den Amazon angibt, auch der ist, den er selbst festgelegt hat. Autoren, die etwa über KDP „Select“ veröffentlichen, müssen sie sich über das Preisbindungsgesetz aus meiner Sicht keine Gedanken machen.

Ruprecht Frieling: Jüngst wurde auch bei Facebook diskutiert: Werden klassische Verlage in die Niederpreisregionen der Indies eindringen? Ich denke schon, dass sich die Preisfronten annähern werden. Ganz bescheuert sind Großverlage nicht. Es gilt immer noch die Empfehlung der Börsenvereins, E-Books maximal 30 Prozent unter Hardcover-Preis abzugeben. Das Gros der Publikumsverlange hält sich daran. Fragt sich nur wie lange noch.

Johannes Zum Winkel: Sieh dir mal die aktuellen Kindle-Bestseller an! Goldmann macht als „Kindle Deal“ 3,99 € Schnäppchenpreise. Da werden die anderen bald folgen … jetzt wird es für Indies Zeit, bei den Coverillustrationen Gas zu geben, um auch in der Anmutung den Verlagen etwas voraus zu haben.

Ruprecht Frieling: Für mich als Leser und ebenso als Rezensent von Neuerscheinungen spielt die Qualität eines Buches eine wesentliche Rolle. Ich mag mich nicht durch Texte quälen, die mich bereits nach zwei Absätzen langweilen oder stilistisch abstoßen. Nur die wenigsten Autoren verstehen es, den Leser emotional zu berühren und ihn wie einen starken Magneten anzuziehen. Auf Deiner Seite verbindest du die Marke xtme mit dem Zusatz »Gute E-Books«. Gleichzeitig bewirbst Du aber letztlich doch nahezu jedes Buch, dessen Autor Dir Deinen Aufwand vergütet. Wie passt das zusammen?

Johannes Zum Winkel: Ich präsentiere nicht jedes Buch. Ich sortiere sehr viel aus, und ich lehne auch ab. Falls ein Autor sein Buch im Falle einer Ablehnung trotzdem präsentieren möchte, dann geschieht das in Form einer ausgewiesenen Werbeanzeige (»Promotion, unterstützt durch Autor/Verlag«). Da ich zuletzt bis zu 30 Anfragen von Autoren am Tag erhalten hatte, lasse ich mir jetzt eine »angeforderte Buchrecherche« mit einer geringen Aufwandsentschädigung vergüten – und behalte mir trotzdem ausdrücklich das Recht vor, das Buch zurückzuweisen. Ich begründe das dann auch schriftlich.

Ruprecht Frieling: Der E-Book-Markt wird von Kritikern bisweilen – wegen der nicht vorhandenen Schleusenwärter – mit einem weitläufigen Schrottplatz verglichen, auf dem es hier und da Perlen gibt. Um »gute« E-Books zu präsentieren, wäre eine kritische Auswahl erforderlich, die wiederum eine ökonomische und fachliche Neutralität verlangt. Verstehst du Dich letztlich als ein solcher Perlenfischer?

Johannes Zum Winkel: In welchem Markt gibt es »Schleusenwärter«, die nur die Perlen an den Kunden weitergeben? Bei den Nahrungsmitteln? Dem Bankensektor? Dem Verlagsbereich? Alle diese Anbieter verkaufen Produkte mit einem möglichst hohen Umsatz und Gewinn. Anders ist das bei unabhängigen Medien. Ich verstehe mich sehr wohl als Journalist mit zugehöriger Verantwortung. Ich verdiene mein Geld nicht mit dem Verkauf von Büchern, sondern mit der Bereitstellung einer Werbefläche für möglichst viele Anzeigenkunden. Diese Werbefläche funktioniert umso besser, je strenger ich gegenüber dem Leser die Auswahl der E-Books definiere. Ja, so gesehen bin ich Perlenfischer. Die Einschätzung, der Indie-Markt wäre ein Schrottplatz mit wenigen Perlen, kann ich aus meiner bisherigen Erfahrung nicht teilen, da er unterstellt, auf 1.000 Schrottbücher käme vielleicht ein Gutes. Das ist nicht wahr.

Ruprecht Frieling: Zum Abschluss unseres Gespräches würde ich gern noch deine Meinung zur Rolle der Social Communities kennenlernen. Viele Autoren bewegen sich auf Twitter, Facebook, Google+, LovelyBooks und anderen Plattformen. Dort reiben sie sich ihre Buchwerbung gegenseitig unter die Nasen. Was rätst du Self-Publishern, die versuchen, ihre Bücher über derartige Plattformen bekannt zu machen?

Johannes Zum Winkel: Viele Autoren begeben sich in Social Communities, um Werbung für ihr Buch zu machen, und halten sich dann vor allem in den »Self-Publishing«-Gruppen auf. Das ist vor allem gut fürs »Wir-Gefühl« und bringt sicherlich einen tollen Kuschelfaktor. Da draußen sind aber inzwischen schon Millionen potentielle Leser! »Draußen« findet außerhalb der Autorengruppen statt. Nummer Eins ist immer noch der Amazon Shop, dort muss sich das Buch beweisen. Facebook und Twitter sind sicherlich gute Marketingplattformen, nur muss man dazu tatsächlich einen Plan aufbauen und eventuell auch Geld investieren, um sich eine Gefolgschaft aus Lesern aufzubauen. Auch das ist aber immer nur der erste Vertriebsschritt. Ich kenne Autoren (vor allem aus dem Sachbuchbereich) die über Newsletter, relevante Blogs und nennenswerte Fan-Mengen verfügen. Das kann einer Neuerscheinung einen guten Antrieb geben, um ein Ranking bei Amazon zu erreichen. In der Folge zählt aber das Millionenpublikum im Shop selbst – über Browser oder Kindle – die am liebsten Bücher kaufen, die sie im Schaufenster der Bestseller-Genres finden.

Entnommen mit freundlicher Genehmigung der 5. Auflage des Buches:
Wilhelm Ruprecht Frieling
Wie man erfolgreich E-Books verkauft
Exklusivinterviews mit Top-Autoren
E-Book: http://www.amazon.de/dp/B00718YQKO
Paperback: www.amazon.de/dp/3941286536