Meine Prognose: was das Jahr 2015 für Self Publisher bringen wird

(Foto: belchonok / Depositphotos.com)
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Das Jahr ist noch jung genug, ein paar Vorhersagen zu wagen. Was wird 2015 den unabhängigen Autoren bringen? Kommt die große Marktbereinigung über uns? Werden Buch-Flatrates am Jahresende Geschichte sein? Eröffnet Thalia zur Frankfurter Buchmesse ein Selfpublishing-Angebot? Schreibt der Papst seine erste eBook-Enzyklika? Als Selfpublishing-Papst habe ich ja eigentlich einen kurzen Draht zu allen Informationen, die Zukunft betreffend – sollten sie nicht so eintreffen wie prognostiziert, lehne ich trotzdem jede Verantwortung ab.

  1. Die Zukunft der eBook-Flatrates: Auch wenn sie manchem nicht gefallen – am 1. Januar 2016 wird es KindleUnlimited und Skoobe noch immer geben. Und nicht nur das, entweder Oyster oder Scribd oder sogar beide werden ihre ernsthafte Expansion auf den deutschen Markt zumindest terminiert haben. Auch Readfys werbefinanziertes Modell bekommt Konkurrenz. KindleUnlimited gelingt es im Laufe des Jahres sogar, einen weiteren deutschen Verlag mit mehr als zehn Büchern im Programm an Bord zu holen.
  2. Die Entwicklung der eBook-Honorare: Die Auszahlungen pro Verkauf sinken im Mittel weiter, weil sich die Vielleser von den Leihangeboten überzeugen lassen. Das betrifft nicht nur Selfpublisher, sondern alle Autoren, denn auch Skoobe verdoppelt seine Umsätze. Amazon nimmt die All-Star-Boni offiziell in die KDP-Geschäftsbedingungen auf und garantiert, dass die Leihquoten nie unter 1,10 Euro fallen. Gleichzeitig steigt die Akzeptanz des elektronischen Lesens in der Bevölkerung, sodass der Markt insgesamt deutlich wächst. Erfolgreiche Selfpublisher mit Fanbasis können sich höhere eBook-Preise leisten und kompensieren so die Mindereinnahmen. Noch in der ersten Jahreshälfte 2015 gibt es auf Amazon.de die erste deutsche eBook-Millionärin (Tina Folsom ist bereits auf dem US-Markt eBook-Millionärin).
  3. Die Beliebtheit von Selfpublishing: Neue Autoren lassen sich vom Gejammer der Etablierten über sinkende Honorare nicht abhalten und drängen verstärkt auf den Markt. Verlagsautoren erinnern sich an ihre vielen Bücher, deren Verlagsrechte längst abgelaufen sind, und die mit neuem Cover nun in frischem Glanz bei Amazon & Co. erstrahlen. Die Selfpublisherbibel erreicht zum Jahresende täglich 10.000 Besucher (derzeit: 5000). Die Selfpublishing-Gruppe auf Facebook hat über 10.000 Mitglieder. 2015 steht das erste Selfpublisher-eBook an der Spitze der allgemeinen deutschen eBook-Charts.
  4. Trends bei den Selfpublishing-Dienstleistern: Der inzwischen einzige unabhängige deutsche Distributor XinXii wird mit Geld der eCommerce-Mutter Rakuten von Kobo übernommen; Kobos letzte Chance, doch noch im deutschen Markt Fuß zu fassen. Der letzte deutsche Druckkostenzuschuss-Verlag schließt seine Türen. Amazons CreateSpace vergibt (nur um den Börsenverein zu ärgern) deutsche ISBNs, doch der deutsche Buchhandel findet einen Trick, die Titel der Firma nicht anbieten zu müssen. BoD verzichtet bei eBook und Print on Demand auf Exklusivität.
  5. Verlage und Selfpublishing: Erfolgreiche Selfpublisher werden je nach Projekt einen Verlag einschalten oder selbst veröffentlichen; das Hybridmodell wird zum Standard, und auch bisherige Verlagsautoren werden darauf umschwenken. 2015 wird das erste Buch, das zuvor als Indie bei Amazon auf Platz 1 stand, als Verlagsausgabe in die Spiegel-Bestsellerliste einsteigen.
  6. Die Marktanteile der eBook-Shops: Falls nicht gerade die Weltbild-Sanierung misslingt, überholt die Tolino-Plattform Ende 2015 Amazon beim eBook-Umsatz deutlich (und nicht nur in GfK-Zahlen messbar). Und das, obwohl es die deutschen Buchhändler auch 2015 nicht fertigbringen, eine eigene Selfpublishing-Plattform zu starten. Apple ist dann mit dem iBookStore drittgrößter Anbieter. Doch auch Google feiert im eBook-Markt Erfolge: Im Weihnachtsgeschäft landet das erste eBook in den Google-Play-Charts, das nicht aus der Erotik-Ecke kommt und tatsächlich dauerhaft mehr als 99 Cent kostet (ja, ich weiß!).
  7. Die Vertretung der unabhängigen Autoren: Diese Vorhersage fällt leicht – bis zum Jahresende hat sich der Selfpublisher-Verband etabliert. Erster Erfolg: Autoren brauchen keine Verlagsanmeldung mehr, um kostengünstig ISBNs kaufen zu können (okay, dieser Teil der Prognose ist noch unsicher).
  8. Die Technik des elektronischen Lesens: Da zunehmend Gelegenheitsnutzer auf eBooks umsteigen, liegt der klassische eReader nur noch auf Platz 3 – hinter Tablet und Smartphones. Beim zur Buchmesse erscheinenden Tolino vision 3 (technisch auf dem Stand des Kindle Voyage, aber wasserdicht) kann der Nutzer als große technische Neuerung erstmals den eBook-Shop selbst auswählen. Die Chefs von Thalia (N.N.), Weltbild (N.N.) und Hugendubel (N.N.) verkünden dies gemeinsam auf einer Pressekonferenz. Bei dieser Gelegenheit gibt Tolino auch den Start des Tolino-Readers in den USA bekannt, der in Kooperation mit der auf dem US-Markt überfahrenen Telekom erfolgt. Die seit 2014 versprochene ePub3-Unterstützung wird auf 2016 verschoben, wie der Pressemappe zu entnehmen ist. Amazon mustert den Paperwhite aus und ersetzt ihn durch den Kindle Voyage, der einen Nachfolger mit Ultra-HD-Display bekommt, auf dem Bilder in 16 Graustufen noch viel viel schärfer als bisher zu sehen sind. Amazon bringt außerdem im Lauf des Jahres ein Gerät auf den Markt, an das außer Jeff Bezos bisher noch niemand gedacht hat. Trotzdem wundern sich alle Amazon-Fans, wie sie ihr Leben lang darauf verzichten konnten, und zücken sofort die Kreditkarte. Die Amazon-Gegner hingegen haben schon immer gewusst, welch schändliche Pläne Bezos mit dem neuen Produkt verfolgt, das sie selbstverständlich nie in die Hand nehmen werden.
  9. Buchmessen und Selfpublishing: Autoren nehmen ihre Werbung auf den Buchmessen in die eigene Hand und mieten gemeinsam Stände. Was auf der Leipziger Buchmesse mit Initiativen wie den Bunten Hunden oder den Lieblingsautoren beginnt, ist in Frankfurt schon fast Standard. Die Verlage ziehen sich allmählich zurück.
  10. Prognosen und Rückblicke: Zum Jahresende häuft sich in allen Medien die Anzahl der Jahresrückblicke. Die meisten Autoren haben vergessen, was sie zum Jahresanfang vorhergesagt haben. Über die Hälfte der in diesem Artikel geäußerten Prognosen stellt sich dann als falsch heraus.