Neue Seitenzählung bei Amazon: Was Sie zu KENPC 3.0 wissen sollten

E-Books, die im Rahmen von KindleUnlimited oder der Kindle-Leihbücherei (KOLL) gelesen werden, vergütet Amazon, indem der Autor einen Anteil aus einem weltweiten Pool erhält, der der Zahl der in seinen Büchern gelesenen Seiten im Verhältnis zu den insgesamt gelesenen Seiten entspricht. Dabei gibt es drei Variable:

  1. der weltweite Pool (zuletzt bei 15,7 Millionen Euro)
  2. die Zahl von Seiten, die ein Kunde in einem Buch liest
  3. die Maximalzahl von Seiten, die ein E-Book für die Zählung besitzt

Punkt 1 bestimmt Amazon. Der Pool ist über lange Zeit jeden Monat gewachsen, stagniert inzwischen allerdings.

Punkt 2 bestimmen die Leser, die ein E-Book leihen und lesen – jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick hat hier Amazon ebenfalls die Finger im Spiel. Denn Amazon definiert die Art und Weise, wie die gelesenen Seiten gezählt werden. Bisher genügte es, von Seite 1 ans Ende zu springen, damit dem Autor alle Seiten als gelesen angerechnet wurden. Das haben Betrüger genutzt, um mit scheinbar riesigen E-Books, bei denen der nichtsahnende Leser ans Ende geführt wurde, Kasse zu machen.

Punkt 3 ist wieder komplett in Amazons Verantwortung. Ein Algorithmus, dessen genaue Funktionsweise unbekannt ist, prüft, wieviele “Seiten” das betreffende Buch hätte, wenn es Seiten hätte (denn E-Books haben ja gar keine Seiten). Der ermittelte Wert nennt sich KENPC (Kindle Edition Normalized Page Count). Bisher gab es KENPC 2.0, ab sofort gilt KENPC 3.0.

Was hat sich im Vergleich zu KENPC 2.0 geändert? In der Summe fast nichts. Eine Kurzumfrage mit Auswertung von 150 Titeln ergibt Änderungen von maximal 18 Prozent, und zwar in beide Richtungen. Bei drei Viertel aller Titel hat sich überhaupt nichts geändert. Über alle von den Nutzern genannten Zahlen summiert ergibt sich ein minimales Minus von 0,33 Prozent, das statistisch nicht signifikant ist. KENPC 3.0 hat also anscheinend nur die Seiten anders verteilt. Die US-Ankündigung sagt das auch: “We expect payouts to the vast majority of authors to be largely unchanged as a result of these updates.”

Es ist auch nicht möglich, Gemeinsamkeiten der Bücher zu finden, die gewonnen oder verloren haben. Sie wurden mit Jutoh oder Vellum formatiert oder als Word oder ePub hochgeladen, auch der Zeitpunkt des Uploads spielt keine Rolle. Der Algorithmus scheint insgesamt so seltsam zu reagieren wie bisher auch schon, aus dem Umfang in Wörtern oder Zeichen den erwarteten KENPC abzuleiten ist unmöglich. Es hat allerdings den Anschein, dass der neue Algorithmus bei sehr (sehr !) kurzen Kapiteln etwa in Sachbüchern die Kapitelumbrüche nicht mehr berücksichtigt und dann geringere Seitenzahlen ermittelt.

Von einigen US-Autoren habe ich Berichte gelesen, wonach die Seitenzählung (Punkt 2) nun besser funktionieren soll. Übersprungene Seiten würden demnach nicht mehr gezählt. Das würde manche Klickbetrüger aus dem Rennen werfen. Der Satz “Wir möchten mit der KENPC-Version 3.0 die Methode zur Erfassung der Seiten verbessern, die unsere Kunden von Kindle Unlimited und KOLL in Büchern lesen” würde dafür sprechen. In zwei eigenen Tests konnte ich das jedoch leider nicht bestätigen (Buch öffnen, per Inhaltsverzeichnis ans Ende springen -> alle Seiten wurden als gelesen angezeigt). Auch bei anderen Autoren wurden übersprungene Seiten nach wie vor gezählt.

Was allerdings vielen Nutzern auffiel, ist ein “Nachschlag” bei den gelesenen Seiten, der für gestern gebucht wurde.  Ob es sich um eine Nachbuchung handelt oder in Zukunft generell mehr Seiten gezählt werden, muss sich erst noch zeigen. An den Einnahmen würde dies nichts ändern, die sind ja vom Pool gedeckelt. Die KU-Quote würde dann automatisch sinken. Der weltweite Fonds für Juli (wo noch nach KENPC 2.0 gerechnet wurde) soll nach der Ankündigung bei “mindestens 18 Millionen Dollar” liegen – das entspricht dem Juni-Betrag.