Offener Brief an meine Buchhändlerin (und natürlich auch an alle Buchhändler)

Young man in casual sitting on pile of old books

Liebe Buchhändlerin, lieber Buchhändler,

Ich mag dich. Wenn ich dich in diesem kleinen Ort besucht habe, der für eine eigene Buchhandlung eigentlich zu klein war, wusstest du schon, welches Buch ich als nächstes lesen wollte. Deine Empfehlungen haben besser funktioniert als die von Amazon, weil du eben auch wusstest, welche Art von Büchern ich für Frau und Kinder kaufe und welche für mich. Gut, du hattest nur bis 18 Uhr geöffnet und am Samstag nur bis zwei – aber nebenan gab’s eine Eisdiele, da konnte man sich mit dem neuen Buch gleich hinsetzen und schmökern. Und wer will sich schon im Dunklen in eine Eisdiele setzen.

In dem kleinen Ort wohne ich nicht mehr. Wie ich höre, gibt es die Buchhandlung aber noch, obwohl sich seitdem viel verändert hat. Ich muss wohl demnächst mal wieder dort hin fahren, denn ich wüsste gern, was meine Buchhändlerin von dem Thema hält, mit dem ich mich beschäftige, dem Selfpublishing. Vielleicht, und ich hoffe es sehr, und zwar nicht aus Eigennutz, findet sie diese Entwicklung großartig. Ich würde ihr anbieten, in ihrem Laden zu lesen. Am Samstag, zwischen zwei und drei, vielleicht mit Bewirtung aus der Eisdiele. Der örtliche Fotograf würde Bilder machen, die die Besucher später bei ihm abholen könnten. Meine Buchhändlerin schriebe an das lokale Wochenblatt, das die Veranstaltung ankündigen und einen Reporter schicken würde, eine ehemalige Lehrerin vielleicht oder einen Rentner, der gern liest – egal. Eine Viertelseite in der folgenden Ausgabe würde ihrer Buchhandlung gewidmet.

Drei, vier Leser würden sogar aus der nahe gelegenen Großstadt kommen, um mir “Hallo” zu sagen. Ich würde Bücher signieren und natürlich auch ein paar Exemplare auf Kommission da lassen. Verdienen würde ich daran nichts. Vermutlich wären sie bei Amazon gedruckt, aber meine Buchhändlerin würde sich an solchen Lappalien nicht stören. Ich würde mich über Facebook bei ihr bedanken.

Bei meinem nächsten Besuch würde sie mich über Selfpublishing ausfragen, sich neue, ihr bisher unbekannte Autorinnen empfehlen lassen. Eine Empfehlung? Ja, natürlich habe ich die, eine Kollegin wohnt nur zehn Kilometer entfernt in der Kreisstadt, die liest sicher gern aus ihrer neuen romantischen Komödie. Wieder eine Meldung für das Wochenblatt, eine Autorin zum Anfassen – und ein paar spannende Buch-Empfehlungen für Kundinnen, die bisher noch nichts von diesem Self-Dings gehört haben.

Oh, ein Buch, das man beim großen H in der Kreisstadt nicht kaufen kann? Perfekt für meine Buchhändlerin. Das “gedruckt von… in Leipzig” würde sie zwar trotzdem mit ihrem eigenen Etikett überkleben, aber sie würde im gleichen Moment über sich selbst lächeln. Sie weiß, dass ihr persönliches Empfehlungssystem ihr wichtigstes Argument ist, dass sie für Vielfalt und nicht für Beschränkung steht. Sie würde mich über die Selfpublisherin Hanni Münzer ausfragen, die ihr letztens in der SPIEGEL-Bestsellerliste begegnet ist. Sie würde über beschränkte Menschen lachen, die ein Buch nur deshalb ablehnen, weil es sich zuvor bei einem internationalen Anbieter hervorragend verkauft hat. Vielleicht könnte ich sie sogar überzeugen, auf einem kleinen Tisch auf ihre persönlichen Entdeckungen in der Indie-Welt hinzuweisen, denn sie ist ja selbst unabhängig.

Liebe Buchhändlerin, lieber Buchhändler, vermutlich hätte ich gar nicht in der Möglichkeitsform schreiben müssen. Ich bin ja Optimist, und ich weiß, dass du offen für Neues bist, aufgeschlossen, klug und vorausschauend. Deshalb bin ich auf diesen Besuch schon sehr gespannt. Ich bringe auch ein paar Bücher mit.

Dein Matthias Matting (Leser und Autor)