Software-Test: Vellum-Konkurrent Kindle Create verwandelt Word-Manuskripte in schöne E-Books

Mit dem Kindle Kids Book Creator, dem Comic Book Creator und dem Textbook Creator stellt Amazon Autoren schon einige Tools zu E-Book-Herstellung bereits. Das kostenlose Programm Kindle Create geht noch einen deutlichen Schritt weiter: es erzeugt sowohl flexible als auch feste Layouts. Je nachdem, was der Kunde braucht, dienen entweder Word-Manuskript oder PDF als Input. Damit macht Kindle Create nicht nur Vellum Konkurrenz – aber für dieses nicht ganz billige Programm dürfte es ein ernsthafter Wettbewerber sein.

Zumal Kindle Create nicht nur für MacOS, sondern auch für Windows erhältlich ist. Ich habe das Programm in der Mac-Version ausprobiert. Es handelt sich definitiv um Beta-Software, so erscheinen z.B. in manchen Fenstern noch Dummy-Texte, etwa beim Import. Das Programm ist auch noch nicht komplett lokalisiert, Sie sollten also ein paar Brocken Englisch beherrschen.

Beim Import versucht Kindle Create, die einzelnen Elemente der E-Book-Struktur zu erkennen. Das funktioniert, wenn Sie in Word brav mit Formatvorlagen gearbeitet haben. Wenn nicht, ist das aber ebensowenig ein Problem, denn Sie können die Zuordnung auch später noch bequem per Mausklick vornehmen. Wie Sie im Bild oben sehen, ist das Ergebnis sofort optisch ansprechend. Kindle Create setzt die Überschrift ordentlich vom Text ab, legt Dropcaps an und kümmert sich parallel auch um das Inhaltsverzeichnis. Sonder-Formatierungen gibt es z.B. für Zitate oder Gedichte, außerdem für Spezialseiten wie die Widmung.

An die Formatierung darf der Nutzer auch selbst Hand anlegen, etwa Schriftgrößen, Einzüge oder Ausrichtung ändern. Selbst das Spacing der Buchstaben ist veränderbar. Es stehen allerdings nur drei vordefinierte Schriftarten zur Verfügung. Schmuckfonts für Überschriften können Sie mit Kindle Create nicht einfügen. An seine Grenzen kommt das Programm bei Features, die vor allem im Sachbuch-Bereich benötigt werden, also bei Tabellen, Fuß- und Endnoten und Indices. Für diese Genres ist also nach wie vor Jutoh erste Wahl.

Bilder in Kindle Create einzufügen ist nicht möglich. Im Word-Manuskript enthaltene Bilder werden zwar übernommen, lassen sich nachträglich aber nicht mehr gut formatieren. Ornamente unter einer Überschrift lassen sich dadurch schlecht umsetzen. Dasselbe gilt für Links: Diese können Sie im Manuskript setzen, aber nicht mehr in Kindle Create verändern.

Das fertige E-Book erzeugt Kindle Create über den Befehl “verpacken”. Das Ergebnis ist eine KPF-Datei, wie sie bereits der Textbook Creator erstellt (Kindle Package File). Diese können Sie im bekannten Kindle Previewer ansehen oder direkt bei KDP hochladen. Aus einem 1 MB großen Word-Dokument wurde eine 600 kB goße KPF-Datei, für die KDP ein Übertragungsvolumen von 680 kB berechnete. Meine mit Jutoh erzeugte Version des selben Manuskripts kommt auf 560 kB, die Nutzung von Kindle Create würde mich also pro Verkauf gut einen Cent kosten, weil die Übertragungskosten steigen.

Wenn Sie die kpf-Datei in .zip umbenennen und entpacken, können Sie den Inhalt betrachten. Das Manuskript befindet sich als book.doc-Datei komplett in der Verpackung, dazu kommt im Ressources-Ordner eine KDF-Datei, hinter dem sich ein SQLite-Format versteckt, ein Datenbank-Format. Aus reiner Neugier habe ich hinein gesehen; wenn mich nicht alles täuscht, steckt darin quasi die Beschreibung Ihrer E-Book-Formatierung. Die Amazon-Rechner werden dann wohl Manuskript und Beschreibungsdatei zum fertigen E-Book kompilieren.

Derzeit bietet Kindle Create zwei Templates – “Classic” und “Modern”. Hier liegt Vellum derzeit noch klar vorn, wo wesentlich mehr Templates zur Verfügung stehen. Falls es dabei bleibt, werden wir in Zukunft zahlreiche einander sehr ähnliche E-Books sehen – aber dafür auch nicht mehr so viele schlecht und fehlerhaft formatierte, denn Kindle Create macht die E-Book-Erstellung wirklich einfach.

Allerdings nur dann, wenn sich der Nutzer auf Amazon beschränkt – denn ePubs erzeugt Kindle Create nicht. Ob es möglich ist, etwa mit Calibre aus der schönen Kindle-Datei ein ebenso schönes ePub zu erzeugen, wird sich erst noch zeigen müssen.