Autorinnen und Autoren, ob nun Selfpublisher oder für Verlage schreibend, sind ja immer auch Unternehmer – ob sie nun wollen oder nicht. Das weckt bei manchen ein Interesse daran, wie sich denn, abgesehen vom Schreiben, sonst noch im Internet Geld verdienen ließe. Vielleicht mit Kursen zu den eigenen Lieblingsthemen, mit Affiliate-Programmen oder Webinaren.

Daphne Unruh kannte ich bereits. Seinerzeit war der selbe Literaturagent für uns tätig gewesen. Ich hatte gerade meinen ersten Buchvertrag mit Ullstein unterzeichnet, während Daphne ihren eigenen Weg ging: mit Self Publishing. Ihr anschließender Erfolg überraschte mich. Mit Self Publishing kann man inzwischen so viele Leser erreichen? Im vergangenen November lud mich Daphne nun zum Berliner SP-Stammtisch ein. Welch ein Glück für mich!

In einer Kreuzberger Pizzeria erwartete mich geballtes Know-How: Nika Lubitsch, Matthias Matting, Michael Meisheit, Vanessa Mansini, Kira Gembri, Eileen Janket, Rebecca Cantrell. Abgesehen von Nika Lubitsch hatte mir vor diesem Abend keiner der Namen etwas gesagt. Das sollte sich schlagartig ändern, denn alles, was ich im Laufe des Abends erfuhr, sollte mich für drei Tage völlig elektrisieren und nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.

Wie war zu diesem Zeitpunkt meine eigene Situation? Im Dezember 2008 hatte der kleine, aber feine Verlag Atlantis meinen Debütroman ‘Alles bleibt anders’ veröffentlicht (zu dieser Zeit gab es in Deutschland noch nicht einmal den Kindle). In den darauffolgenden Monaten schaukelten sich die Verkaufszahlen bis über 7.000 Stück hoch. Für einen Kleinverlag ohne nennenswerte Buchhandelspräsenz und ohne jegliches Marketingbudget ein erstaunliches Ergebnis.

Vor vier Wochen wusste ich noch nicht, was ein Selfpublisher ist, jetzt bin ich selbst einer. Stimmt nicht ganz, aber so ähnlich fühlt sich das für mich an, wie ich dazu gekommen bin, meine Erzählung „Vater, Mutter, Kind“ für die Amazon-Singles Edition beizusteuern, die jetzt endlich mit der lange angekündigten Werbekampagne gestartet ist.

Als einer, der schon diverse Bücher, bislang vorwiegend Übersetzungen, veröffentlicht hat, verfolge ich seit längerem die Entwicklung auf dem Selfpublisher-Markt. Ich komme auch in den Gesprächen mit Kollegen, die selber selfpublishen, immer wieder zu dem Schluss, dass diese Option zwar reizvoll ist, die Algorithmen aber, auf die ich auch im Zuge meiner Selbstveröffentlichung gestoßen werde, eine schöne mathematische Umschreibung dafür sind, dass der Teufel immer auf den dicksten Haufen scheißt.

Nun soll meiner also ein solcher werden. Angefangen hat das aber vor Längerem. In meiner virtuellen Schublade, dem Ordner „Prosa“ stauen sich fertige Erzählungen, mehr als ein Dutzend, von denen ich immerhin zwei bereits für Anthologien absetzen konnte, nahezu unbezahlt – man muss fast bitten, sie gedruckt zu finden. Nicht jede Judith Herrmann findet ihren Reich-Ranitzki, zumal dieser leidenschaftliche Verteidiger kurzer Prosa ja nicht mehr lebt. Selbst Daniel Kehlmann soll von Rowohlt dazu überredet worden sein, die Erzählungen von „Ruhm“ zu einem Roman zu runden. Wer „Novelle“ über seinen Roman schreibt, muss schon Hennig von Lage heißen, um das Werk zu verkaufen. Ansonsten ist das Etikett „Roman“ das einzige, dem die verunsicherten Prosa-Verlage vertrauen, am liebsten mit Untertitel Autobiographie.

Nachdem wir uns allgemein mit Möglichkeiten und Gefahren der weltweiten eBook-Märkte befasst haben, wird es in lockerer Folge direkt in die jeweiligen Länder gehen. Dazu habe ich mir Gastautoren gesucht, die in dem jeweiligen Land leben. Den Anfang macht Elke Becker – sie lebt in Spanien. Elke, du hast das Wort.

Nachdem nun nach Spanien auch Mexiko zu den Ländern der Amazon-KDP-Welt gehören, ist es Zeit, sich auch mit den spanischsprachigen Märkten zu beschäftigen. Mexiko wird vermutlich im spanischsprachigen Südamerika nur den Anfang bilden. Bevor ich auf meine Einschätzung zu Mexiko eingehe, bleibe ich in Europa. Der Kindle ist bereits vor einem Jahr in Spanien angekommen.

Aber wie viele Leser gibt es in Spanien überhaupt? Natürlich sehe ich Kindle-Leser auf Mallorca, doch 99 Prozent davon sind Touristen oder ansässige Ausländer. Ich selbst kenne persönlich nicht einen Spanier, der einen Kindle hat, doch in Madrid oder anderen großen Städten ist das anders. Mallorca ist eben doch irgendwie ein Dorf, das der modernen Technik hinterherhinkt und bei der hohen Arbeitslosenquote (Spanien 25 Prozent – Jugendarbeitslosigkeit über 40 Prozent) wundert es mich auch nicht, so wenige Spanier mit den neuesten technischen Errungenschaften zu sehen.