TIPP: Der Wettbewerb endet am Mittwoch (15. Juli)!

In ihrem neuen Buch “Dirty Writing. Vom Schreiben schamloser Texte” beschreibt Ines Witka das Zusammenwirken zweier Kulturtechniken, die die Menschheit vorangebracht haben: Sexualität und Kreativität. Der Konkursbuchverlag hat uns erlaubt, hier einen Ausschnitt wiederzugeben, der sich mit einer wichtigen, in vielen Büchern schlecht gelösten Frage befasst:

Wie nenne ich das, was meine Protagonisten zum Sex brauchen?

Wenn für den Mann die Vagina nicht mehr als „ein mit Schleimhaut ausgekleideter Gang“ ist, kann der Leser daraus schließen, dass er Sexualität wohl als bedrohlich empfindet und Frauen am liebsten auf ihre biologischen Funktionen reduziert. Benutzt er das Wort „Fotze“, drückt das eine geringe Wertschätzung Frauen gegenüber aus (in sexuellen Situationen hingegen kann das Wort erregend wirken).

Das Leben ist eine Kette von Zufällen, stimmt’s? Vielleicht sind Sie der Ansicht, dass es von einem höheren Wesen bestimmt wird? Von der Konstellation der Sterne? Was liegt näher, als das – nennen wir es neutral – Schicksal auch in Ihrem Roman wirken zu lassen? Sollte ein Roman dadurch nicht realistischer werden? Oder mehr noch: Sollte Ihr Roman das Wirken des Schicksals nicht sogar zwingend brauchen?

So logisch der Gedanke klingt, so falsch und zugleich fatal wirkt er sich auf Ihren Roman aus. König Zufall ist kein guter Herrscher.

Ein Beispiel. Kommissar Glowatzki ermittelt den Mord an Linda K. Er geht Hinweisen nach, befragt Zeugen und Tatverdächtige, sammelt Informationen. Da stolpert er in der Asservatenkammer über einen nicht weggeräumten Karton. Als er ihn ins Regal stellen will, fällt er ihm herunter – und heraus kullert ein Briefbeschwerer. Mit einem Briefbeschwerer der gleichen Serie wurde Linda K. erschlagen! Der Briefbeschwerer hier gehörte einem ehemaligen Tatverdächtigen für den Mord an Germano B., Samuel Collenbusch. Collenbusch wurde damals aus Mangel an Beweisen nicht angeklagt. Doch jetzt kann Glowatzki ihn, dank des neuen Hinweises, als Mörder von Linda K. überführen.

Um einen möglichst flüssigen Text zu schreiben und eine entsprechend nahtlos zu lesende Geschichte zu erschaffen, sollten Sie auch jeden einzelnen Ihrer Sätze seinen Teil dazu beitragen lassen. Das gelingt Ihnen dann am besten, wenn Ihre Sätze einer inneren Logik folgen. Neben einer kausalen Logik, etwa bei Wenn-dann-Konstruktionen, sind das vor allem der Bildlauf einer räumlichen und die Chronologie einer zeitlichen Logik.

1. Die räumliche Logik Ihrer Sätze

Sehen wir uns ein Beispiel an. Es stammt aus C. C. Fischers Roman »Erlösung« (Blessing 2011):

Die Scheinwerfer des Mercedes erfassten die halb zerfallene Steinmauer des Friedhofs und ein Eisenkreuz und dahinter die Kapelle auf dem Hügel am Ende des morastigen Feldwegs.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der Kameramann, der den Film im Kopf des Lesers aufzeichnet. Jeder Fehler, den Sie begehen, bedeutet, dass der Film im Leserkopf reißt. Der Autor des Textauszugs hat an dieser Stelle einen solchen Riss verursacht. Denn er führt das Leserauge in die Irre.

Im letzten Artikel der Reihe (Ich habe da eine Idee für einen Roman) habe ich auf die Gefahren hingewiesen, die zu wenige Ideen mit sich bringen. Das andere Extrem kann jedoch ebenfalls zur Falle werden.

Ich kenne das selbst leider zu Genüge. Da hat man sich einen interessanten Plot zurechtgelegt, und beim anschließenden Schreiben fällt einem noch dieser neue Charakter ein, jener Subplot bietet sich an und folgender Umweg muss ebenfalls dringend gegangen werden. Und dann schießen die Einfälle erst so richtig ins Kraut … Was das aus einem Roman machen kann, verdeutlicht am besten ein Bild eines Hauses.

Sie als Architekt (planen) und Baumeister (schreiben) in Personalunion haben die Pläne gezeichnet und die Baumaterialien vorbereitet. Alles passt zusammen, die Statik stimmt und genug Mauersteine sind auch vor Ort. Aber während Sie die Außenwand auf der Südseite hochziehen, kommt Ihnen noch die Idee zu einem kleinen Anbau hier. Und auf den Anbau muss natürlich ein Dach. Mit einer Luke. Auf die aber fällt zu viel Sonne, also bauen Sie das Stockwerk darüber ein bisschen breiter. Und ein Türmchen auf der Westseite wäre doch auch allerliebst. Vielleicht eine Dachterrasse mit Pool? Unbedingt. Irgendwann treten Sie mal wieder ein Stück zurück von Ihrem Bau und stellen entsetzt fest, dass das auf den Plänen so gefällige Häuschen jetzt aussieht wie der Bastard von Neuschwanstein und dem Bauhaus – kaum denken Sie das, stürzt einer der sieben neuen Türme ein und begräbt den Südanbau unter sich. Was wiederum die Statik so durcheinanderbringt, dass der gefüllte Pool durchs Flachdach bricht und das Wasser das Erdgeschoss flutet.

Bei manchen Romanen merkt man, dass sie nicht funktionieren, wenn man sie liest. Bei den meisten genügt dafür schon das Lesen des Exposés und einer Textprobe – genau das tun die Verlage. Leider werden dabei sowohl dysfunktionale Romane ausgesondert als auch solche, die nicht ins Verlagsprogramm oder ins Geschmacksspektrum des Lektors passen.

Doch es gibt eine narrensichere Methode, mit der Sie schon erkennen, ob ein Roman – qualitativ – scheitern muss, bevor auch nur das Konzept dazu existiert. Es ist eine Aussage, die ich sehr oft aus dem Mund von (Möchtegern-)Autoren höre: »Ich habe da eine [schwärmerisches Adjektiv einfügen] Idee für einen Roman.«

In unserer Reihe mit Stiltipps sehen wir uns an, wie Sie die Power von Sätzen in Ihren Texten freisetzen. Den ersten Teil finden Sie hier.

Dramaturgisch geschickt aufgebaute Sätze auch in Sachtexten – und ein paar weitere Tricks für Romanautoren

Auch bei Sachtexten erzielen Sie eine größere Wirkung, wenn Sie einen Satz auf der höchsten Note beenden. Wie hier Volker Kitz und Manuel Tusch in Ihrem Buch »Warum uns das Denken nicht in den Kopf will« (Heyne 2014):

Umgekehrt sollten Sie aufpassen, dass Sie nicht selbst in die Gefühlswirrwarr-Falle tappen. Wenn Sie abends nach Hause kommen und Ihr Partner mal wieder »nervt« — dann kann es gut sein, dass Ihre körperliche Erregung eigentlich ganz andere Ursachen hat: Vielleicht ist Ihnen der Bus vor der Nase weggefahren. Oder eine Kundin hat Sie bei der Arbeit blöd angemacht.

Oder aber: Sie sind in Wahrheit gar nicht genervt. Sondern verliebt.

Ein passiver Protagonist ist der Tod eines Romans – lassen Sie daher nicht zu, dass dieser Roman-Mord das einzig Aktive ist, was Ihre Hauptfigur tun darf. Warum Passivität so verheerend wirkt und wie Passivität aussieht, haben wir im ersten Teil dieses Artikels gesehen (#Link#). In der Reihe mit fatalen Fehlern beim Schreiben eines Romans sehen wir uns heute an, welche Folgen Passivität für einen Roman hat und wie Sie sie in Ihren eigenen Texten erkennen.

Die Folgen dieser Passivität sind vielgestaltig, aber immer gravierend:

* Durch die Passivität des Protagonisten entsteht kein Drama. Auf den Roman als Ganzes bezogen, verhindert Passivität einen Spannungsbogen, die Dramaturgie, und eine glaubhafte, weil erarbeitete Wandlung des Protagonisten.

Vorwort: Selfpublishing – das ist der komplette Prozess vom Schreiben des Manuskripts über das Lektorat, das Erstellen des eBooks und schließlich die Vermarktung. Bisher ging es in der Selfpublisherbibel um alles – nur nicht um das Schreiben. Das soll sich ab sofort ändern. Mindestens alle zwei Wochen wird Stephan Waldscheidt spannende Tipps zu Sprache und Text geben. Und damit übergebe ich das Wort. Wir starten mit den…

…gefährlichsten und häufigsten Fehlern beim Schreiben eines Romans

Gute, für die Leser befriedigende Romane zu schreiben, ist nicht ganz einfach. Haben Sie auch schon gemerkt? Schön. Wesentlich einfacher ist es, grundlegende Fehler beim Schreiben zu vermeiden, die Ihren Roman garantiert gegen die Wand fahren. Viele dieser grundlegenden Fehler begehen die meisten Autoren bei ihren ersten Romanen. Und damit, sorry, sehr wahrscheinlich auch Sie.

Beemgee ist mir auf der Leipziger Buchmesse begegnet – im StartUp-Speed-Dating des Börsenvereins. Dahinter steckt eine spannende Idee: Der Gedanke nämlich, dass die Charakterentwicklung in Geschichten bestimmten Regeln folgt. Und diese Regeln sind erlernbar. Protagonisten haben externe und interne Motivationen, sie spielen eine bestimmte Rolle und haben Ziele.

Insgesamt haben die Beeemgee-Programmierer 40 solcher Merkmale gefunden, die die Website Schritt für Schritt abfragt. Das Ergebnis ist ein “Personalbogen”, den Sie auch als PDF herunterladen können. Er dient beim Schreiben gewissermaßen als Lexikon Ihrer handelnden Personen; bei jeder Handlung können Sie damit prüfen, ob der Protagonist auch dazu in der Lage ist.

Das Handbuch für Autorinnen und Autoren ist älter als so manch Leser der Selfpublisherbibel. Nun verändert sich die Buchbranche zwar vergleichsweise langsam – doch für so lange Zeit kann ein Handbuch darüber nur überleben, wenn es regelmäßig erneuert wird. Die neueste Version ist seit kurzem druckfrisch zu haben – lohnen sich die 54,90 Euro dafür?

“Ohne geht es nicht”, urteilt das Literaturcafé darüber. Ich muss zugeben, diese Ausgabe ist meine erste. Also habe ich die vergangenen Jahren offenbar auch so überstanden. Ich kann aber auch sagen: Ich habe noch eine Menge daraus gelernt. Das Handbuch für Autorinnen und Autoren ist ein Kompendium im besten Sinne.