489 der 906 Teilnehmer beantworteten auch unsere offene Schlussfrage: “Wie sollte sich das Self-Publishing in den nächsten Jahren unbedingt entwickeln – und was sollte verhindert werden?” Die Antworten sind spannend und anregend. Sowohl ihre Vielfalt als auch die Wiederholung bestimmter Motive lassen interessante Schlussfolgerungen zu. Im folgenden einige Auszüge. Vorsicht, viel Lesestoff!

1998 hatte ein schöner Film mit Tom Hanks und Meg Ryan Premiere. “E-Mail für dich” spielte vor dem Hintergrund eines für die damalige Zeit typischen Vorgangs: Weil eine große Buchkette eine Filiale in der Nähe eröffnet, muss Meg Ryans liebevoll inhabergeführte Buchhandlung schließen.

Tatsächlich hat der Aufstieg von Thalia, Weltbild, Hugendubel und Co. auch in Deutschland zahlreiche kleinere Buchhändler die Existenz gekostet. Während Thalia etwa, die 2005 noch 96 Filialen hatten, bis 2009 auf 238 Filialen expandierte, stellte in den letzten zehn Jahren jede fünfte Buchhandlung ihre Geschäfte ein. Die größten Buchhändler waren 2012 DBH (mit Weltbild, Jokers und Hugendubel 420 Filialen), Thalia (293) und Valora (178) – letztere ein Player, den keiner unter diesem Namen kennt, aber als Bahnhofsbuchhandlung sehr wohl.

Dass die Ketten derartige Erfolge feiern konnten, lag zum einen an ihrer Einkaufsmacht – Thalia war schon weitaus länger als Amazon für hohe Rabattforderungen an die Verlage bekannt. Den Kunden konnten sie zum anderen ein riesiges Angebot ausbreiten, das sofort zum Mitnehmen verfügbar war.

E-Books haben aus Buchnischen mächtige Biotope gemacht: Verlage suchen im Longtail nach Talenten; in der Bedeutung hängen Kleinst- und Selbstverleger die traditionellen Verlage ab. Zehn Trends zeigen, wie viel Macht und Geld für clevere Anbieter im EBook-Longtail steckt.

Von Sebastian Halm

Der Longtail des Publishings, die von kleinen Verlagen, Portalen und Selbstverlegern bevölkerte Nische der Literatur, wird eine neue Macht erlangen. Und daran sind vor allem zwei Dinge schuld: 

  • Neben der Erfindung des E-Books sind das vor allem die Selbstabschaffung und
  • die strategischen Fehleinschätzungen zahlreicher großer Verlage.

Besonders fatal: Es gibt kaum Zahlen, die Rückschlüsse über den EBook-Longtail der kleinen und Kleinstverlage zulassen.

Denn der EBook-Markt in Deutschland entzieht sich weitgehend einer genauen Analyse, weil Zahlen Mangelware sind. Einige Dinge lassen sich jedoch aus offiziellen Erhebungen extrapolieren.

Das Beratungsunternehmen PwC kommt in einer eben veröffentlichten Studie (kostenlos hier als PDF erhältlich) zu dem Schluss, dass “die Deutschen E-Books inzwischen nicht nur gut kennen, sondern der neuen Technik zumeist auch offen gegenüberstehen.” Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Befragung aus dem Sommer 2013. Der Unterschied zur letzten Bitkom-Umfrage zu eBooks speist sich vermutlich daraus, dass PwC nur Online-Nutzer zwischen 18 und 65 Jahren einbezogen hat.

Vielleicht liegt es an den cleverer gestellten Fragen – die PwC-Studie scheint mir jedenfalls deutlich näher an der Wirklichkeit als das, was der Bitkom ermittelt hat. Was hat PwC unter den Studienteilnehmern herausgefunden?

  • 12,7 Prozent lesen regelmäßig eBooks
  • 16,9 Prozent lesen ab und zu eBooks

Unter den Onlinenutzern ergibt sich damit ein Marktanteil von über zehn Prozent für das eBook. Das ist nachvollziehbar – ohne Internetzugang sind eReader sehr unpraktisch. Interessant ist aber vor allem, wer wie liest. Klarer Spitzenreiter ist nicht wie beim Bitkom der PC, sondern der eReader. Mit 31 Prozent liegt er bei den Intensivnutzern klar an der Spitze – vor Smartphone (18 Prozent) und Tablet (17 Prozent). Auch insgesamt liegt der eReader noch vorn, wobei Ab-und-zu-Nutzer am zweithäufigsten auf dem PC lesen.

Das beliebteste Gerät zum Lesen von eBooks ist der eReader (Quelle: PwC)

Dmitri Alexejewitsch Glukhovsky ist ein russischer Science Fiction-Autor der Gegenwart. Bekannt geworden ist er durch seinen Erstlingsroman Metro 2033, der in der Moskauer Metro spielt. Zu diesem Roman erschien auch eine gleichnamige Computerspiel-Umsetzung sowie die Fortsetzung Metro: Last Light. Glukhovsky hat in Jerusalem internationale Beziehungen studiert und arbeitete als Journalist für Russia Today, EuroNews TV und die Deutsche Welle.

Er lebte in Israel, Deutschland sowie Frankreich und spricht neben seiner Muttersprache Russisch auch Englisch, Französisch und Hebräisch. Die Demokratisierung der Medienbranche ist eines der Hauptthemen des russischen Autors und Journalisten Dmitri Glukhovsky, dessen Science-Fiction-Bestseller Metro 2033 (Heyne) bereits in zwei Action-Games mündete. Nicht zuletzt dank tausender Fans, die der Autor über eine eigens installierte interaktive Website am Roman teilhaben ließ, entwickelte sich Metro zum Mega-Hit. Glukhovsky plädiert dafür, auch in Videospielen komplexe Storys zu erzählen.

Glukhovsky wird am 11. Oktober bei der StoryDrive-Konferenz in Frankfurt als Sprecher dabei sein.

Frage: Was erwarten Sie sich von der Konferenz “Story Drive?”

Antwort: Zuallererst hoffe ich, Visionäre des Geschichtenerzählens aus der ganzen Welt zu treffen und neue kreative Verbindungen zu schließen. Russland nimmt ein Sechstel der Erdoberfläche ein, und doch ist es in dieser Hinsicht winzig. Die wirklich interessanten und kreativen Trends kommen nicht aus Russland.

Frage: Welches sind Ihre aktuellen Projekte?

Antwort: Gerade habe ich meinen Roman “FUTURE” veröffentlicht – eine Utopie / Dystopie, die von Humanität in einer Welt berichtet, in der jeder unsterblich und die Welt überbevölkert ist. Der Roman wurde zuerst auf sozialen Netzwerken als free-to-read-Text und Multimedia-Datei (der Roman hat seinen eigenen Soundtrack) publiziert. Erst danach wurde der Roman zum konventionellen Buch aus Papier. Die Übersetzungen in die wichtigen europäischen Sprachen sind gerade im Gange.

Eine andere Geschichte, die ich kürzlich veröffentlicht habe, ist das METRO: LAST LIGHT Videospiel. Es ist eine Fortführung der Story meines Romans METRO 2033 über das post-apokalyptische Moskau. Weitere Pläne beinhalten TV Shows, Videospiele und Romane, die das Zeug zum Nobelpreis haben.

Erst kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, der Jungunternehmern Tipps gibt, wie man mit seiner Botschaft schnell wahrgenommen wird. Einer dieser Ratschläge lautete: “Make bold claims” – also “stelle mutige Behauptungen auf“. Ganz nach dieser Devise scheint der in der Branche bisher unbekannte Australier James O’Toole zu verfahren, der mit “New Publisher House” das Self Publishing revolutionieren will (die Kickstarter-Sammelaktion dafür soll demnächst starten).

Wie macht man also am besten all die auf sich aufmerksam, die man künftig vielleicht als Kunden locken will? Mit einer kühnen Behauptung. 52 Milliarden Dollar – die Zahl ist so groß, dass manch einer gar nicht mehr nachliest, was da eigentlich gemeint ist. Denn um überhaupt nachlesen zu können, soll man doch bitte Namen und E-Mail hinterlassen. Dafür gibts dann ein “executive summary” einer so genannten Studie, das überhaupt nichts über die verwendete Methodik oder die Quellen der Daten verrät und ganz nebenbei sehr geschickt formuliert, was im Grunde nur Vermutungen sind.

In Punkt 49 der Self-Publishing-Umfrage haben wir nach der persönlichen Einschätzung des Teilnehmers / der Teilnehmerin gefragt: “Wo sehen Sie sich selbst als Autor und das Self Publishing insgesamt in fünf Jahren?” Die Antworten waren teilweise so spannend, dass wir im Folgenden Auszüge daraus zitieren. Um die Anonymität der Teilnehmer zu wahren, mussten wir einige Antworten kürzen beziehungsweise weglassen.

  • Ich sehe mich nach wie vor als Hybridautor (Verlage + Selfpublishing), weil man sich als Autor im Selfpublishing besser selbst verwirklichen kann und auch Dinge veröffentlichen kann, die für Verlage nicht vermarktungsfähig genug sind.
  • Ich sehe mich auch in 5 Jahren noch als Hybridautorin. Self Publishing wird sich in fünf Jahren deutlich professionalisiert haben, selbstpublizierte Bücher sind in der öffentlichen Wahrnehmung gleichberechtigt neben Verlagspublikationen.
  • Als Autor werde ich mich in fünf Jahren in meinem Genre etabliert haben und aus meiner Tätigkeit als Selfpublisher einen Erlös erzielen, der einen großen Teil meines Gesamteinkommens ausmacht.

Der Buchreport widmet sich aktuell dem Thema “Perspektiven des E-Book-Geschäfts im Buchhandel“. Eine ganze Reihe interessanter Einwürfe lese ich da – primär von Buchhändlern, aber auch von anderen Branchenexperten. Über viele Punkte besteht dabei erstaunliche Einigkeit.

  • Der Wandel des kompletten Kerngeschäfts ist nicht aufzuhalten. Das gedruckte Buch wird zwar nicht verschwinden, doch das eBook wird einen großen Teil der Umsätze übernehmen.
  • Amazon setzt die Maßstäbe und wird kaum einholbar sein – dafür ist der Vorsprung zu groß. Durch die Kopplung der Inhalte an das Gerät, etwa auch bei Apple und Google, haben es unabhängige Anbieter schwer.

Alison Baverstock hat im britischen Guardian sehr hübsch zusammengefasst, welche Veränderungen das Self Publishing der Buchbranche insgesamt gebracht hat, gerade bringt oder noch bringen wird. Lesen Sie den Text bitte selbst, es lohnt sich: Ich bin erst selten auf so eine kompetente Zusammenfassung gestoßen.

Für eilige Leser deshalb hier nur eine kurze Zusammenfassung der zehn Thesen: Wir wissen (1) mehr über den Veröffentlichungsprozess und dass (2) Verlage nicht allwissend sind. Lektoren (3) und Luxus-Editionen (4) sind wertvoll. Die Rollen von Autor (5) und Literaturagent (6) ändern sich. Neue Geschäftsmodelle (7) entstehen. Self Publishing ist als Mittel zur Selbstverwirklichung (8) ebenso anerkannt wie als Werkzeug zum Geldverdienen (9) und zum Glücklichwerden (10).

Genug gerast – hier nun einige Realitäten, die sich durch eBooks und das Self Publishing bisher nicht geändert haben und vielleicht auch nie ändern werden. Ich schicke ausdrücklich voraus, nur damit keine Missverständnisse entstehen: Ich bin ein absoluter Fan des Self Publishing (sonst würde ich auch kaum dieses Blog schreiben). Doch die Wirklichkeit ist mir allemal lieber als der Hype, den manche Akteure entfachen.

1. Die Verlage werden nicht sterben. Egal ob als heimliche Hoffnung geäußert oder als geheime Angst verschwiegen – die Verlage sterben nicht. Es wird in Zukunft sogar mehr Verlage geben als bisher. Doch das werden keine unbeweglichen Riesen mehr sein, die jede Veränderung zu blockieren suchen, sondern kleine, flexible Einheiten, die sich über neue Trends freuen und zum eigenen Nutzen und zu dem des Lesers einsetzen. Vielleicht werden sie sogar von Self Publishern gegründet, die sich zusammenfinden, um von Dienstleistern bessere Konditionen und vom Buchhandel besseren Zugang zu erlangen.