Damit der Leser einen Charakter in den Kontext stellt, den der Autor für ihn vorgesehen hat, braucht es in vielen Fällen – andere Charaktere. Wir als empathische Wesen (mal von den Psycho- und Soziopathen unter Ihnen abgesehen, sorry) orientieren uns in vielen Fällen an anderen. Wie wir reagieren. Was wir empfinden.
Autor: Stephan Waldscheidt
Im letzten Artikel haben wir uns angesehen, wie Thomas Harris in »Das Schweigen der Lämmer« den Charakter Hannibal Lecter statisch sowie mit einigen Informationen einführt. Geschickt gemacht, bringen Sie damit Ihre Romanfigur dem Leser schon recht nahe.
Heute analysieren wir ein Beispiel aus der Literatur und analysieren die Möglichkeiten, mit denen Sie die Begegnung der Leser mit Ihrem Charakter vom ersten Moment an (und früher!) einprägsam bis unvergesslich gestalten.
Sie werden von entfernten Bekannten auf eine Party eingeladen. Sie gehen hin, erwartungsvoll und zugleich ein wenig ängstlich. Das Loft, in das die Gastgeber eingeladen haben, gefällt Ihnen. Der Blick über die Stadt und den Fluss raubt Ihnen den Atem. Auch das Büffet biegt sich mit allem, was Sie gerne essen und trinken, sogar den 2003er Saint-Émilion sehen Sie, Ihren absoluten Lieblingsbordeaux. Die Einrichtung? He, genau Ihr Geschmack. Aber etwas fehlt doch da noch … Richtig: die anderen Gäste.
Ein Text besteht für viele Autoren aus zwei Dingen: aus den Wörtern und aus der Geschichte, zu der […]
Es gibt zwei Arten von Romanen. Solche, die vor allem eine Geschichte erzählen wollen. Und solche, bei denen die Geschichte Nebensache ist. Letztere nennt man gelegentlich »anspruchsvolle Literatur« – »Literaturbetriebsliteratur« nennt sie mein Agent.
In seinem Roman »Doctor Sleep« (Heyne 2013), der Fortsetzung seines Klassikers »Shining« (Bastei-Lübbe 1985) stolpert Stephen King in einige Fallen, in die auch Anfänger regelmäßig tappen. Das sorgt dafür, dass King in diesem Buch weit unter seinen Möglichkeiten bleibt und viele Leser nicht richtig warm mit dem Roman wurden.
Ah, Bestseller! Nichts hassen Autoren (die Nicht-Bestseller unter ihnen) mehr, nach nichts streben sie so sehr. Sorry für den Reim.
Einer der Bestseller überhaupt ist Stephen King. Das liegt daran, dass er ein herausragender Erzähler ist. Dass auch ihm nicht immer alles gelingt, ist tröstlich. Zugleich bieten auch seine weniger gelungenen Bücher noch immer wunderbares Anschauungsmaterial.
Im ersten Teil des Artikels haben wir uns angesehen, wieso Sie Klischees vermeiden sollten. Heute widerlegen wir das Klischee, Klischees wären immer und überall schlecht. Klischees haben nämlich durchaus ihre guten Seiten.
Autoren sollen Klischees meiden wie der Teufel das Weihwasser. Diese Aussage ist längst selbst ein Klischee, ein inhaltliches. Aber auch das Bild vom Teufel und dem Weihwasser ist schon lange ein Klischee, ein sprachliches. Was Klischees sind, wann Sie sie vermeiden und wann und wie Sie sie nutzen sollten, sehen wir uns in diesem und dem nächsten Artikel genauer an.