Blick über den Tellerrand: Ein bisschen Mathematik zur Wiederholung – Vorsicht vor GetMyAds

Underwater scene of a businessman taking the bait

Autorinnen und Autoren, ob nun Selfpublisher oder für Verlage schreibend, sind ja immer auch Unternehmer – ob sie nun wollen oder nicht. Das weckt bei manchen ein Interesse daran, wie sich denn, abgesehen vom Schreiben, sonst noch im Internet Geld verdienen ließe. Vielleicht mit Kursen zu den eigenen Lieblingsthemen, mit Affiliate-Programmen oder Webinaren.

Oder aber auch ganz ohne einen Finger krumm zu machen, wenn denn die Werbung der entsprechenden Anbieter stimmt: mit so genannten “revenue share”-Programmen. Ja, das gibt es, Firmen, die Ihnen aus ihren eigenen Einkünften gern etwas abgeben, mit dem Ziel, so noch mehr Gewinne einzufahren. Die Konzepte der Abzocker heißen “GetMyAds”, “Click Ad Pays”, “LikesXL”, “My Ad Pays” etc., ihre Beschreibungen lesen sich zwar immer etwas anders (mal muss man auf Anzeigen klicken, mal nur Anteile erwerben), aber dahinter versteckt sich stets dasselbe Prinzip: ein Schneeballsystem, oder auch: “den letzten beißen die Hunde”.

Ist GetMyAds seriös?

Das steht so natürlich nicht im Kleingedruckten. Vielmehr betonen die Betreiber, dass es sich um ein seriöses Geschäft handele, denn man investiere in Internet-Werbung und erziele daraus echte Einkünfte. Die gute Nachricht: Wenn Sie überprüfen wollen, wie seriös ein solches Konzept ist, müssen Sie gar nicht erst checken, ob der Betreiber auf den Seychellen sitzt oder sich hinter einer Hongkong-Limited versteckt. Sie sollten auch nicht im Web nach Erfahrungen mit diesen Systemen suchen, denn wenn jemand Teilnehmer geworden ist, dann verdient er als Affiliate an jedem gewonnen neuen Nutzer mit, wird also seine eigenen Erfahrungen in den höchsten Tönen loben. Sie brauchen einfach nur nachzurechnen. Schulmathematik, 8. Klasse, Prozentrechnung.

Die Systeme werben nämlich in der Regel mit dem Gewinn, den ihre Teilnehmer einfahren. Typisch sind 1 Prozent – pro Tag. Das klingt beinahe seriös, nicht wahr? Aber nun lassen Sie uns mal den Jahresgewinn (Jahreszins) ausrechnen, nach der Formel:

Jahreszins = (1 + Tageszins)^365 – 1

Den Tageszins setzen Sie als Dezimalbruch ein, also für 1 Prozent dann 0,01. Das ergibt:

(1 + 0,01)^365 – 1 = 36,7834 = 3678,34%

Ein Geschäft, das 1 Prozent Tageszins abwirft, generiert also 3678 Prozent Jahresgewinn. Sie lesen richtig: DREITAUSEND Prozent. Und das ist ja nur der Anteil der Teilnehmer. Welches Geschäft wirft eine solche Rendite ab? Mir fallen da nur Mädchenschmuggel oder Drogenhandel ein (nicht, dass ich Erfahrungen damit hätte – vermutlich wird auch die Mafia von 3000 Prozent Gewinn nur träumen können). Online-Werbung jedenfalls gehört nicht in diese Kategorie. Konzepte wie GetMyAds beruhen letztlich auf der Dummheit und Gier des Menschen (aber hoffentlich nicht auf Ihrer). Sie müssen irgendwann kollabieren wie jedes Schneeballsystem.

So, wie es gerade in Spanien passiert ist, wo sich der Betreiber von Top Ad Pays mit über einer Million Euro in die Dominikanische Republik abgesetzt hat. Über 40.000 Teilnehmer aus mehr als zehn Ländern verloren dabei all ihre Investitionen. Vor einem anderen Anbieter, der Questra Holding, warnt die belgische Finanzaufsicht, die das Geschäftsmodell von Questra (das sehr ähnlich wie GMA funktioniert) offiziell als Ponzi-Scheme (Schneeballsystem) einstuft. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC wiederum ging kürzlich gegen “Traffic Monsoon” vor, das Adpacks zu 50 Dollar verkauft und 1 Dollar pro Tag Gewinn verspricht. Das Fazit der allgemeinen Warnung vor solchen Systemen: “Wenn ein Anbieter weitaus mehr als marktüblich verspricht, handelt es sich sehr wahrscheinlich um Betrug.”

“Aber es funktioniert doch”

Wer Mathematik nicht so mag, der argumentiert zugunsten solcher Systeme (und im Interesse des eigenen Gewissens) gern: “Aber es funktioniert doch, ich erhalte täglich x Prozent”. Tja, es ist eine Grundeigenschaft von Schneeball- oder Pyramidensystemen, dass sie “funktionieren”, nämlich genau so lange, wie genügend neue “Partner” (Dumme) dazukommen. Der Betreiber muss dazu bestrebt sein, möglichst wenig echte Auszahlungen zuzulassen, z.B. in dem er die Teilnehmer animiert, mit ihren “Gewinnen” immer neue “Anteile” zu kaufen. Das gelingt mal mehr, mal weniger lange. Doch am Ende steht die Abrechnung – und dann gilt eben die Mathematik. Es gibt keine Wunder.

Die Teilnahme an einem Schneeballsystem ist übrigens nach Par. 16 UWG strafbar: “Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”

PS: Der Artikel scheint einen echten Nerv zu treffen – GetMyAds-Jünger scheinen zumindest zum Teil agressive Menschen mit äußerst rüdem Umgangston zu sein, die in Potenzrechnung nicht aufgepasst haben. Zu ihrem eigenen Schutz schalte ich solche Kommentare nicht frei.