Autoren sollen Klischees meiden wie der Teufel das Weihwasser. Diese Aussage ist längst selbst ein Klischee, ein inhaltliches. Aber auch das Bild vom Teufel und dem Weihwasser ist schon lange ein Klischee, ein sprachliches. Was Klischees sind, wann Sie sie vermeiden und wann und wie Sie sie nutzen sollten, sehen wir uns in diesem und dem nächsten Artikel genauer an.

Eine hübsche neue Idee von ebokks-Betreiberin Corinna Rindlisbacher: Autoren stehen ja stets vor der Herausforderung, doe Gefühle ihrer Protagonisten an deren Handlungsweise ablesbar zu machen, statt sie einfach zu benennen. “Show, don’t tell” heißt die Regel kurz. Aber wie sieht doch gleich jemand aus, der einer Angelegenheit skeptisch gegenüber steht? Und wie lässt sich diese Emotion noch ausdrücken? Sie wollen ja auch nicht dauernder Wiederholung bezichtet werden.

TIPP: Der Wettbewerb endet am Mittwoch (15. Juli)!

In ihrem neuen Buch “Dirty Writing. Vom Schreiben schamloser Texte” beschreibt Ines Witka das Zusammenwirken zweier Kulturtechniken, die die Menschheit vorangebracht haben: Sexualität und Kreativität. Der Konkursbuchverlag hat uns erlaubt, hier einen Ausschnitt wiederzugeben, der sich mit einer wichtigen, in vielen Büchern schlecht gelösten Frage befasst:

Wie nenne ich das, was meine Protagonisten zum Sex brauchen?

Wenn für den Mann die Vagina nicht mehr als „ein mit Schleimhaut ausgekleideter Gang“ ist, kann der Leser daraus schließen, dass er Sexualität wohl als bedrohlich empfindet und Frauen am liebsten auf ihre biologischen Funktionen reduziert. Benutzt er das Wort „Fotze“, drückt das eine geringe Wertschätzung Frauen gegenüber aus (in sexuellen Situationen hingegen kann das Wort erregend wirken).

Das Leben ist eine Kette von Zufällen, stimmt’s? Vielleicht sind Sie der Ansicht, dass es von einem höheren Wesen bestimmt wird? Von der Konstellation der Sterne? Was liegt näher, als das – nennen wir es neutral – Schicksal auch in Ihrem Roman wirken zu lassen? Sollte ein Roman dadurch nicht realistischer werden? Oder mehr noch: Sollte Ihr Roman das Wirken des Schicksals nicht sogar zwingend brauchen?

So logisch der Gedanke klingt, so falsch und zugleich fatal wirkt er sich auf Ihren Roman aus. König Zufall ist kein guter Herrscher.

Ein Beispiel. Kommissar Glowatzki ermittelt den Mord an Linda K. Er geht Hinweisen nach, befragt Zeugen und Tatverdächtige, sammelt Informationen. Da stolpert er in der Asservatenkammer über einen nicht weggeräumten Karton. Als er ihn ins Regal stellen will, fällt er ihm herunter – und heraus kullert ein Briefbeschwerer. Mit einem Briefbeschwerer der gleichen Serie wurde Linda K. erschlagen! Der Briefbeschwerer hier gehörte einem ehemaligen Tatverdächtigen für den Mord an Germano B., Samuel Collenbusch. Collenbusch wurde damals aus Mangel an Beweisen nicht angeklagt. Doch jetzt kann Glowatzki ihn, dank des neuen Hinweises, als Mörder von Linda K. überführen.

Um einen möglichst flüssigen Text zu schreiben und eine entsprechend nahtlos zu lesende Geschichte zu erschaffen, sollten Sie auch jeden einzelnen Ihrer Sätze seinen Teil dazu beitragen lassen. Das gelingt Ihnen dann am besten, wenn Ihre Sätze einer inneren Logik folgen. Neben einer kausalen Logik, etwa bei Wenn-dann-Konstruktionen, sind das vor allem der Bildlauf einer räumlichen und die Chronologie einer zeitlichen Logik.

1. Die räumliche Logik Ihrer Sätze

Sehen wir uns ein Beispiel an. Es stammt aus C. C. Fischers Roman »Erlösung« (Blessing 2011):

Die Scheinwerfer des Mercedes erfassten die halb zerfallene Steinmauer des Friedhofs und ein Eisenkreuz und dahinter die Kapelle auf dem Hügel am Ende des morastigen Feldwegs.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der Kameramann, der den Film im Kopf des Lesers aufzeichnet. Jeder Fehler, den Sie begehen, bedeutet, dass der Film im Leserkopf reißt. Der Autor des Textauszugs hat an dieser Stelle einen solchen Riss verursacht. Denn er führt das Leserauge in die Irre.