Im letzten Artikel der Reihe (Ich habe da eine Idee für einen Roman) habe ich auf die Gefahren hingewiesen, die zu wenige Ideen mit sich bringen. Das andere Extrem kann jedoch ebenfalls zur Falle werden.

Ich kenne das selbst leider zu Genüge. Da hat man sich einen interessanten Plot zurechtgelegt, und beim anschließenden Schreiben fällt einem noch dieser neue Charakter ein, jener Subplot bietet sich an und folgender Umweg muss ebenfalls dringend gegangen werden. Und dann schießen die Einfälle erst so richtig ins Kraut … Was das aus einem Roman machen kann, verdeutlicht am besten ein Bild eines Hauses.

Sie als Architekt (planen) und Baumeister (schreiben) in Personalunion haben die Pläne gezeichnet und die Baumaterialien vorbereitet. Alles passt zusammen, die Statik stimmt und genug Mauersteine sind auch vor Ort. Aber während Sie die Außenwand auf der Südseite hochziehen, kommt Ihnen noch die Idee zu einem kleinen Anbau hier. Und auf den Anbau muss natürlich ein Dach. Mit einer Luke. Auf die aber fällt zu viel Sonne, also bauen Sie das Stockwerk darüber ein bisschen breiter. Und ein Türmchen auf der Westseite wäre doch auch allerliebst. Vielleicht eine Dachterrasse mit Pool? Unbedingt. Irgendwann treten Sie mal wieder ein Stück zurück von Ihrem Bau und stellen entsetzt fest, dass das auf den Plänen so gefällige Häuschen jetzt aussieht wie der Bastard von Neuschwanstein und dem Bauhaus – kaum denken Sie das, stürzt einer der sieben neuen Türme ein und begräbt den Südanbau unter sich. Was wiederum die Statik so durcheinanderbringt, dass der gefüllte Pool durchs Flachdach bricht und das Wasser das Erdgeschoss flutet.

Ein Buch hat so viele Wörter, da kommt es ja wohl nicht auf jedes einzelne an, oder? Mit dieser Einstellung, tut mir leid, werden Sie nicht weit kommen – zumindest nicht zu dem bestmöglichen Text, den Sie schreiben können. Wie Sie jedes Ihrer Wörter zählen lassen, lesen Sie im Folgenden.

Wörter haben eine sonderbare Eigenschaft: Sie sind Schöpfer, ja, sie erschaffen Realitäten. Wer ein Wort erschafft, erschafft das Ding dazu – das kann eine Emotion sein wie »Liebe«, ein Konzept wie »Steuerflucht« und vieles mehr. »Liebe« etwa ist tatsächlich nur ein Wort. Es tut so, als wäre das dahinterstehende und sehr individuelle Chaos an Gefühlen ein einziges Gefühl. Was für eine Schöpfung, was für eine geniale Täuschung! Und wie sehr eine solche Schöpfung das Leben vieler Menschen beeinflussen kann.

Bei manchen Romanen merkt man, dass sie nicht funktionieren, wenn man sie liest. Bei den meisten genügt dafür schon das Lesen des Exposés und einer Textprobe – genau das tun die Verlage. Leider werden dabei sowohl dysfunktionale Romane ausgesondert als auch solche, die nicht ins Verlagsprogramm oder ins Geschmacksspektrum des Lektors passen.

Doch es gibt eine narrensichere Methode, mit der Sie schon erkennen, ob ein Roman – qualitativ – scheitern muss, bevor auch nur das Konzept dazu existiert. Es ist eine Aussage, die ich sehr oft aus dem Mund von (Möchtegern-)Autoren höre: »Ich habe da eine [schwärmerisches Adjektiv einfügen] Idee für einen Roman.«

In unserer Reihe mit Stiltipps sehen wir uns an, wie Sie die Power von Sätzen in Ihren Texten freisetzen. Den ersten Teil finden Sie hier.

Dramaturgisch geschickt aufgebaute Sätze auch in Sachtexten – und ein paar weitere Tricks für Romanautoren

Auch bei Sachtexten erzielen Sie eine größere Wirkung, wenn Sie einen Satz auf der höchsten Note beenden. Wie hier Volker Kitz und Manuel Tusch in Ihrem Buch »Warum uns das Denken nicht in den Kopf will« (Heyne 2014):

Umgekehrt sollten Sie aufpassen, dass Sie nicht selbst in die Gefühlswirrwarr-Falle tappen. Wenn Sie abends nach Hause kommen und Ihr Partner mal wieder »nervt« — dann kann es gut sein, dass Ihre körperliche Erregung eigentlich ganz andere Ursachen hat: Vielleicht ist Ihnen der Bus vor der Nase weggefahren. Oder eine Kundin hat Sie bei der Arbeit blöd angemacht.

Oder aber: Sie sind in Wahrheit gar nicht genervt. Sondern verliebt.

Grammatik ist gähn, oder? Könnte daran liegen, dass Ihr Deutschlehrer Ihnen die spannendsten Dinge verschwiegen hat: die Kniffe, die einen Text aufregend machen und Ihre Phantasien, Ideen, Geschichten und Charaktere aus den Seiten heraustreten lassen. Einige davon werden wir uns in diesem und in kommenden Artikeln genauer ansehen. Den DUDEN können Sie getrost weglegen. Statt Fremdwörtern erwartet Sie sofort praktisch anwendbares Wissen.

Grob gesagt ist ein Satz ein Gedanke, der mit einem Punkt, einem Fragezeichen oder einem Ausrufezeichen endet. Und noch in den Satzzeichen steckt Power, wie Sie in dieser Serie über das Potenzial von Sätzen ebenfalls entdecken werden. Sehen wir uns an, wie Sie die Power von Sätzen in Ihren Texten freisetzen!

Ein passiver Protagonist ist der Tod eines Romans – lassen Sie daher nicht zu, dass dieser Roman-Mord das einzig Aktive ist, was Ihre Hauptfigur tun darf. Warum Passivität so verheerend wirkt und wie Passivität aussieht, haben wir im ersten Teil dieses Artikels gesehen (#Link#). In der Reihe mit fatalen Fehlern beim Schreiben eines Romans sehen wir uns heute an, welche Folgen Passivität für einen Roman hat und wie Sie sie in Ihren eigenen Texten erkennen.

Die Folgen dieser Passivität sind vielgestaltig, aber immer gravierend:

* Durch die Passivität des Protagonisten entsteht kein Drama. Auf den Roman als Ganzes bezogen, verhindert Passivität einen Spannungsbogen, die Dramaturgie, und eine glaubhafte, weil erarbeitete Wandlung des Protagonisten.

Vorwort: Selfpublishing – das ist der komplette Prozess vom Schreiben des Manuskripts über das Lektorat, das Erstellen des eBooks und schließlich die Vermarktung. Bisher ging es in der Selfpublisherbibel um alles – nur nicht um das Schreiben. Das soll sich ab sofort ändern. Mindestens alle zwei Wochen wird Stephan Waldscheidt spannende Tipps zu Sprache und Text geben. Und damit übergebe ich das Wort. Wir starten mit den…

…gefährlichsten und häufigsten Fehlern beim Schreiben eines Romans

Gute, für die Leser befriedigende Romane zu schreiben, ist nicht ganz einfach. Haben Sie auch schon gemerkt? Schön. Wesentlich einfacher ist es, grundlegende Fehler beim Schreiben zu vermeiden, die Ihren Roman garantiert gegen die Wand fahren. Viele dieser grundlegenden Fehler begehen die meisten Autoren bei ihren ersten Romanen. Und damit, sorry, sehr wahrscheinlich auch Sie.