Fallstudie: Mit Übersetzungen auf den englischsprachigen Markt

Mein Autoren-Alter-Ego Brandon Q. Morris klingt amerikanisch. Tatsächlich habe ich schon Post von Lesern bekommen, die mir ihre Überraschung gestanden, dass meine Bücher keine Übersetzungen wären. Natürlich war bei der Wahl des Pseudonyms immer im Hinterkopf, dass der Autorenname auch bei englischsprachigen Lesern gut ankommen sollte. Im Vordergrund standen allerdings erst einmal die deutschen Veröffentlichungen. Erst als sich hier ein gewisser Erfolg abzeichnete, begann ich, Pläne für den US-Markt zu entwickeln.

Ich kenne einige KollegInnen, die das schon probiert haben. Nicht alle waren erfolgreich – tatsächlich eher die wenigsten. Deshalb habe ich analysiert, was dort wohl schief lief, und meinen eigenen Plan daraus entwickelt.

Was braucht eine Übersetzung, um auf dem US-Markt erfolgreich zu sein?

  • Sie darf nicht als Übersetzung erkennbar sein. Das entspricht der Regel für Selfpublisher, dass ein ohne Verlag herausgebrachtes Buch nicht als “selbst gemacht” erkennbar sein darf.
  • Sie sollte in US-Englisch verfasst sein – das ist nun mal der bei weitem größte Markt.
  • Die Themen müssen passen. Der US-E-Book-Markt ist mehr als fünfmal so groß wie der deutsche. Dadurch bietet er auch in kleineren Nischen Chancen. Aber die dürfen nicht zu klein sein. Meine Bücher sind im Subgenre der Hard Science Fiction angesiedelt, das aber auch im Obergenre Science Fiction gut läuft.
  • Die Übersetzung muss perfekt sein. Einen Übersetzer zu beauftragen, genügt nicht, auch ein Lektorat wird gebraucht.
  • Ohne Werbung geht es nicht, das gilt auf dem auch weit professionelleren US-Markt noch viel stärker als hier.
  • Ein einzelnes Buch zu übersetzen, ist hinausgeworfenes Geld. Wenn es nicht erfolgreich ist, dann sowieso, aber wenn es erfolgreich ist und dann nicht schnell genug nachgelegt werden kann, verpufft  der Erfolg.

Was eine Übersetzung kostet

Rechnen Sie mit zehn Cent pro Wort. Bei vier mal 75.000 Wörtern kommt also einiges zusammen. Dazu das Lektorat. Und schließlich auch das Marketing, wobei ich hier die (fünfstelligen) Ausgaben auf den ersten Band der Reihe konzentriert habe. Wenn der erste Band Leser findet, verschaffen diese den Folgebänden genügend Sichtbarkeit, das war die Überlegung.

Der Übersetzer begann Ende 2017 mit der Arbeit. Mitte Oktober 2018 erschien der erste Band, dann in vier Wochen Abstand die nächsten. Ich habe absichtlich so viel Zeit gelassen, um den Start gut vorbereiten zu können. Das habe ich im Vorfeld probiert:

  • Rezensionssuche bei Netgalley
  • Amazon Ads
  • Goodreads Ads
  • Facebook Ads
  • Bookbub Ads

Funktioniert haben die beiden letzten, wobei Facebook-Anzeigen am wirkungsvollsten waren. Hier kann man die Leser fast jeder Nische hervorragend ansprechen. Bookbub ist effizient, spricht aber weitaus weniger Leser an, was man auch nicht dadurch verbessern kann, dass man mehr Geld hineinsteckt. Netgalley hat bei relativ hohen Kosten nur sehr wenige Rezensionen geliefert. Ich hatte allerdings Glück, bei Kirkus eine sehr gute Bewertung zu erhalten. Kirkus ist ein seriöser (!) Anbieter, der Bücher gegen Bezahlung rezensiert. Eine Rezension kostet 425 Dollar. Das Ergebnis kann gut oder schlecht ausfallen, und die Rezension erscheint nicht bei Amazon. Man kann aber mit Zitaten aus der Rezension werben (z.B. in Anzeigen), und der gute Leumund von Kirkus verleiht der Rezension Glaubwürdigkeit. Man sollte seinem Buch also vertrauen, denn man kann die 425 Dollar auch leicht in den Sand setzen.

Nach der Veröffentlichung habe ich auf mein in Deutschland bewährtes Newsletter-Marketing gesetzt. Es beruht auf dem Trio Website – Newsletter – Facebook. Die Website Hard-SF.com wird regelmäßig mit (von HardSF.de übersetzten) Artikeln gefüttert, die ich auch für den Newsletter einsetze, ebenso wie für Facebook. Newsletter-Abonnenten erhalten interessante News sowie die PDF-Version des Wissenschafts-Teils am Ende des Buches.

Preisaktionen habe ich nie durchgeführt, die E-Books kosteten immer 3,99 € (der erste Teil liegt heute dauerhaft bei 2,99 €). Bevor man Kindle-Deals angeboten bekommt, dauert es mindestens ein halbes Jahr; ich habe demnächst den ersten in Großbritannien. AllStar-Boni sind in den USA unerreichbar, weil eben sehr viele Autoren sehr ordentlich verkaufen.

Was die Übersetzungen erreicht haben

Alle übersetzten Bücher haben ihre Kosten (inkl. Marketing) inzwischen mehr als eingespielt. Der Newsletter hat knapp 400 Empfänger. Kein Buch ist jemals über #800 in den Kindle-Charts US hinausgekommen. Aber selbst auf Bestsellerrang 1000 verkauft man dort noch 60-80 E-Books pro Tag. Die Top 100 sind also gar nicht wichtig. Inzwischen sind sechs meiner Bücher in Englisch auf dem Markt, alle weiteren sind in Arbeit. Der zusätzliche Zeitaufwand hält sich in Grenzen. Meine Einnahmen kommen inzwischen zu fast 50 Prozent aus den Übersetzungen.

Bei den verschiedenen englischsprachigen Märkten entfallen 80 Prozent auf USA, 10 Prozent auf UK, 5 Prozent auf Kanada und der Rest auf Australien und Indien. Interessant: Der Anteil der Taschenbücher ist in den USA noch weit geringer als hier, dafür ist der Anteil der KindleUnlimited-Einnahmen jedoch deutlich höher.

Wann können Übersetzungen für Sie interessant sein?

  • Wenn Sie bereit (und in der Lage) sind, ein erhebliches unternehmerisches Risiko einzugehen.
  • Wenn Ihre Themen für die US-Leser passen. Das wäre immer konkret zu prüfen. Evtl. müssen Sie auch Titel und Cover anpassen. Die typisch deutschen Thriller-Cover in weiß/rot/schwarz kennt auf dem US-Markt z.B. kaum jemand. Praktisch: es gibt dort keinen Titelschutz.
  • Wenn Sie dranbleiben. Sie müssen sich um ihre englischsprachigen Leser genauso kümmern wie um ihre heimischen.

Was nicht funktionieren wird

  • Eigene Übersetzungen (es sei denn, Sie sind wirklich bilingual)
  • Übersetzungen via Babelcube (weil Babelcube KindleUnlimited nicht nutzt)
  • Billig-Übersetzungen mit DeepL oder Google Translate oder Nicht-Muttersprachlern aus Indien o.ä.
  • Einzelne Übersetzungen (weil es bei Erfolg zu lange dauert, bis Nachschub kommt)