Wer gerade ins Selfpublishing einsteigt, stellt – oft unter dem Eindruck all der schönen Geschichten über Millionärs-Autorinnen und Selfpublishing-Stars – sich und anderen gern die Frage: Und welches Genre soll ich nun bedienen, welches lohnt sich am meisten? An dieser Stelle ist dann eine kleine Warnung fällig: Was Medien über erfolgreiche Selfpublisherinnen (die Frauen sind hier tatsächlich in der Überzahl) schreiben, ist zwar meist korrekt, was Einnahmen und Erfolge betrifft. Was oft weniger einer Rolle spielt, ist die harte Arbeit, die dahinter steckt, die Überwindung, die es auch mal kosten kann, heute an der Geschichte weiterzuschreiben, die Misserfolge und die Fehler, die Jeder und Jede irgendwann begeht.
Vor allem aber sind diese Geschichten Beschreibungen – und keine Rezepte. Dass Autorin X mit Liebesromanen Erfolg hat, muss überhaupt nicht heißen, dass es Ihnen ähmlich gehen muss. Dass sich die Fantasy-Epen von Y bestens verkaufen, macht nicht automatisch Ihr Epos auch zum Hit. Wenn es so einfach wäre, Erfolg zu kopieren, dann gäbe es nur Bestseller – und damit überhaupt keine. Natürlich ist es eine gute Idee, sich anzusehen, was erfolgreiche Schreibende anders, vielleicht sogar besser machen. Manches lässt sich vielleicht sogar in die eigene Arbeitsweise übernehmen, anderes nicht. Wenn Sie nur nebenbei schreiben, werden Sie sich mit einer Veröffentlichungsfrequenz von drei Büchern im Jahr überfordern. Wenn Sie im Umgang mit Unbekannten eher scheu sind, werden Sie sich nicht im Einhornkostüm auf eine Messe stellen, um ihren Fans eine Freude zu machen. Die gute Nachricht ist: Erfolg kann sich auf vielen Wegen einstellen, und selten ist vorher klar, ob, wann und wie er sich bei Ihnen bemerkbar macht.
Aber ist es nicht so, dass man in bestimmten Genres mehr verkaufen kann?
Zweifellos. Sie können das in den Kategorien-Charts nachsehen. Hier sehen Sie zum Beispiel, dass Gegenwartsliteratur aktuell die höchsten Umsätze ingesamt generiert. Liebesromane, die die Top 100 regelmäßig dominieren, stehen insgesamt nur auf Platz 8, aber wenn man sich den Umsatz pro Titel ansieht, landet man bei einem deprimierenden Euro. Bei dieser Kategorie ist also zwar der mögliche Erfolg – in Euro – groß, doch der Wettbewerb ist hoch. Sollten Sie also lieber ein Sachbuch über Angiografie schreiben? Immerhin gibts hier den höchsten Umsatz pro Titel. Aber vermutlich wissen Sie nicht genug darüber (es sei denn, Sie sind nebenbei Ärztin).
Das bringt uns dem wohl wichtigsten Tipp in Sachen Genrewahl näher. Sie würden wahrscheinlich kein Angiografie-Sachbuch schreiben – und Sie glauben, der Grund dafür ist, dass Sie sich damit nicht auskennen. Das ist aber nur ein sekundärer Grund. Sie kennen sich damit nicht aus, weil Sie sich nicht dafür interessieren. Lesen Sie etwa regelmäßig Angiografie-Lehrbücher, studieren medizinische Journale zum Thema und verbringen Ihr Wochenende auf Angiografie-Kongressen? Das beste Genre für Sie ist eines, für das Sie sich selbst interessieren. Nur dann können Sie glaubwürdig sein. Natürlich können Sie alles recherchieren, was es über ein Genre zu wissen gibt. Aber vor allem die Fans werden merken, ob Sie wirklich hinter dem Thema stehen. Und die Fans sind es schließlich, die darüber entscheiden, ob Sie erfolgreich sind.
Es kann natürlich gut sein, dass Sie sich für mehr als ein Genre interessieren. Welches sollten Sie wählen? Wenn Sie vom Schreiben leben wollen, müssen Sie im Monat ein bestimmtes Einkommen erzielen. Wie hoch das sein sollte, wissen Sie selbst am besten. Nun wäre es nicht schlau, mit dem bestmöglichen Ergebnis zu rechnen. Selbst wenn Sie alles richtig machen, ist das Risiko groß, dass Ihr Buch nicht in den Top 10 erscheint. Aber das macht nichts. Ein Buch, das es in die Top 1000 schafft (blättern Sie in den Charts mal nach hinten), verdient für seinen Autor dort pro Tag je nach Verkaufspreis etwa 20-40 Euro. Mit fünf Büchern sind das dann allein bei Amazon 150 Euro am Tag oder 4500 im Monat – für einen Schriftsteller ein sehr ordentliches Einkommen, das keinerlei Bestseller voraussetzt.
Was hat das mit der Wahl des Genres zu tun? Es muss genügend Leser dieses Genres geben, damit Ihr Buch selbst dann, wenn es nur von den Genre-Lesern gekauft wird, unter die Top 1000 kommt. Ob das der Fall ist, können Sie leicht überprüfen, indem Sie sich die in der Kategorie schon vorhandenen Titel ansehen. Haben zumindest die ersten drei Platzierungen unter den Top 1000? Dann sieht es gut aus (bei Angiografie nicht). Das gewählte Genre ist dann tragfähig genug.
Wäre es nicht besser, ein Genre zu wählen, das Chancen auf die Top 10 hat? Wenn Sie ein Freund von Glücksspielen sind – durchaus. Solche Kategorien sind aber nicht nur unter Lesern beliebt, sondern auch unter Autoren. Vielleicht schaffen Sie es, eine Top-Platzierung zu erreichen. Wahrscheinlich nicht, gerade am Anfang. Aber Versuch macht klug! Wenn Ihr Herz an genau diesem Genre hängt, sollten Sie es lieber so probieren als ein Buch zu schreiben, das Sie selbst nie lesen würden. Sie brauchen dann vielleicht ein bisschen mehr Durchhaltevermögen. Aber vielleicht auch nicht, und schon Ihr erstes Buch wird ein Hit. So falsch sind die Erfolgs-Geschichten in den Medien ja nun auch wieder nicht.