Immer wieder begegnen mir bei Seminarteilnehmern Einstellungen, die ihren Schreiberfolg behindern. Das Abenteuer literarischen Schreibens kommt so häufig an ein Ende, bevor es richtig beginnt. Doch obwohl diese Überzeugungen so hinderlich sind, scheinen sie zugleich recht hartnäckig zu sein.
Mach dir deshalb die Gefahr der folgenden Haltungen bewusst und lerne sie zu vermeiden.
1. Ich bin einfach kein Genie!
Es gab Zeiten, da wurden Dichter zu Dichterfürsten stilisiert. Als handle es sich bei ihnen um etwas beinahe göttliches, als seien sie aus einer anderen Welt: Wer solch fantastische Bücher zu schreiben in der Lage ist, muss einfach ein Genie sein!
Auch heute noch schwingt diese Überzeugung in unseren Vorstellungen mit. Das künstlerische Schaffen bedeutet dann, dass uns die Muse küsst. Im Moment der Inspiration werden wir erleuchtet und es schreibt sich fast wie von selbst.
Das Gefährliche an dieser Einstellung ist, dass sie uns zur Passivität verleitet. Wenn Schriftsteller Genies sind, kann man das Schreiben nicht lernen. Es fällt einem dann wie eine göttliche Gabe in den Schoß.
Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn Übung dem Meister macht. Erkennen wir der Schreibpraxis die wahre Macht zu und nicht dem Talent, so drängt es uns an den Schreibtisch. Denn dann können wir lernen gut zu schreiben und fesselnd zu erzählen.
Welchen Anteil am erfolgreichen Schreiben das Talent und welchen die Praxis hat, lässt sich nicht letztgültig bestimmen. Das ist jedoch auch nicht nötig. Wenn wir uns dessen bewusst werden, was wir selbst für unseren Schreiberfolg zu tun in der Lage sind, hilft uns das auf jeden Fall weiter als der Glaube an angeborene Genialität.
2. Das wird nie etwas!
Gerade bei längeren Projekten gibt es immer wieder Phasen, in denen es einfach nicht rund läuft. Der Plot gerät an einzelnen Stellen ins Stocken, die Hauptfigur gibt sich störrisch oder Langeweile breitet sich beim Schreiben aus. An diesem Punkt neigen viele dazu zu verzweifeln und nicht mehr an ihr Vorhaben zu glauben.
Mit dieser Haltung unterschätzen sie, welche Macht der Überarbeitung zukommt. Was in einem ersten Schreibdurchgang nicht funktioniert, muss noch lange nicht für immer nicht funktionieren. Manchmal musst du z.B. langatmige Passagen schreiben, um etwas über deine Figur herauszubekommen. Ob dies am Ende Teil des fertigen Texten sein soll oder nicht, lässt sich dann immer noch entscheiden.
Hilfreich ist es jedenfalls, beim Schreiben den Prozess in den Blick zu nehmen. Erwarte nicht, dass alles gut ist, was du zu Papier bringst. Nimm lieber jede Seite als Lerngelegenheit an.
So begibst du dich immer wieder in einen kreativen Schreibflow, ohne dich selbst zu bewerten.
Für einen kritischen Durchgang ist bei der Überarbeitung immer noch Zeit und dort wirkt dies bedeutend produktiver.
3. Ich komme einfach nicht zum Schreiben!
Viele Menschen fühlen sich heutzutage enorm gefordert in ihrem Alltag. Neben den Ansprüchen im Beruf benötigen sie auch viel Zeit und Energie für Familie und Hobbys. Bezeichnend ist, dass wir mehr Zeit haben denn je, denn die durchschnittliche Schlafdauer ist in den letzten Jahren geringer geworden und die Lebenserwartung ist gestiegen. Dennoch haben wir andauernd das Gefühl, das Gegenteil sei der Fall.
Viele sind entsprechend davon überzeugt, einfach keine Zeit zum Schreiben zu haben. Da erübrigt sich jeder Schreibtipp, wenn für regelmäßige Schreibeinheiten einfach kein Platz im Leben zu sein scheint.
Dabei ist es beim Schreiben ebenso wie bei allen anderen ernsthaften Vorhaben wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein. Zeit haben wir alle gleich viel. Der Unterschied liegt in der Prioritätensetzung.
Selbstverständlich kann es verdammt gute Gründe dafür geben, anderen Tätigkeiten den Vorrang vor dem Schreiben zu geben – nicht zuletzt wäre da die Notwendigkeit und der Wille, sich und seine Familie zu ernähren.
Dennoch sollten wir uns dessen bewusst werden, dass wir es sind, die entscheiden, was wir mit unserer Lebenszeit anstellen. Schon findet sich hier und da doch die Möglichkeit, dem Schreiben mehr Wichtigkeit einzuräumen.
Auch kleine Zeitfenster wie eine halbe Stunde helfen, das Schreiben im eigenen Leben zu etablieren. Nur wenn du regelmäßig dabei bist, kann sich eine Eigendynamik entwickeln. Und auch für wenige Zeilen lohnt es sich, den Stift in die Hand zu nehmen.
4. Wenn ich alt und weise bin, schreibe ich ein Buch!
Immer wieder treffe ich Menschen, die davon träumen, irgendwann später ein Buch zu schreiben.
Sobald sie auf eine passende Idee gekommen sind. Sobald sie genügend Lebenserfahrung gesammelt haben. Sobald ihr Schreiben in ihnen gereift ist und sich dann endlich aufs Papier ergießen wird. Dann verwandelt sich all das Erlebte wie von Zauberhand in Literatur.
Soweit zumindest der Traum.
Stell dir einmal vor, du wartest jahrelang darauf, gut Klavier spielen zu können, tust aber nichts dafür. Oder darauf, ein toller Zeichner zu sein. Oder Ballettänzer.
Es leuchtet wohl auf Anhieb ein, dass du nie dazu in der Lage sein wirst, ein Klavierkonzert von Chopin darzubieten, ohne dafür zu üben. Auch mit dem Ballett wird es ohne Ballettstunden schwierig.
Wieso sollte das beim Schreiben anders sein?
Die Vorstellung, nur lang genug warten zu müssen, bis sich irgendwann das gewünschte Werk wie von alleine schreibt, ist ähnlich unsinnig wie die Vorstellung, sich eines Tages einfach so in den Picasso des 21. Jahrhunderts zu verwandeln. Nur wenn du das Schreiben aus der vagen Zukunftsträumerei befreist und zu deiner Lebenspraxis im Hier und Jetzt machst, kann etwas entstehen.
5. Gut zu schreiben ist so kompliziert!
Wenn du mit deinem Schreiben Leser erreichen möchtest, liegt es nahe, dass du dir den ein oder anderen Schreibtipp einholst. Schreibrategeber, Schreibblogs oder Internetforen versprechen dir Einsichten in guten Stil, spannende Plots und fesselnde Figurengestaltung.
Doch wenn du erst einmal realisierst, was es für einen richtig guten literarischen Text alles zu beachten gilt, wird es kompliziert. Auf allen Ebenen lauern Fallstricke, von der Wortwahl bis zum Gesamtkonzept deiner Geschichte droht die Gefahr, in Clichés abzurutschen, unkonkret zu werden oder langweilig zu schreiben.
Kennst du erst einmal die wichtigsten Prinzipien „funktionierender“ Texte, liegt es nahe, dass du sie auch anwenden willst. Du strengst dich also an, alles richtig zu machen und all dein theoretisches Wissen in die Tat umzusetzen.
Und du scheiterst.
Wenn ein verkrampft-angestrengter Text herauskommt, kannst du froh sein. Viel wahrscheinlicher ist es, dass du blockierst und überhaupt nichts mehr schreibst.
Sind also all die Schreibtipps Unsinn?
Auf keinen Fall!
Wichtig ist es jedoch, sie beim eigentlichen Schreiben beiseite zu lassen, um den kreativen Prozess nicht zu gefährden. Ein eigener Stil kann sich nur schwer herausbilden, wenn du andauernd versucht, alles richtig zu machen.
Dafür können dir Ratschläge und Prinzpien in Planungs- und Überarbeitungsphasen gute Dienste leisten. Auch das intensive Studium von Ratgebern hilft. Wichtig ist es allerdings, sich nicht von ihnen dominieren zu lassen.
Bewahre das Gelernte im Hinterkopf. Durch die Prinzpien, die dir klar geworden sind, wird sich dein Schreiben auch unbewusst weiterentwickeln. So unterstützen Tipps und Regeln deine Entwicklung, anstatt dich zu blockieren.
Das Abenteuer bleibt bestehen
Es gibt beim literarischen Schreiben keine Garantie dafür, dass es gelingt. Letztlich ist es gerade die Gefahr des Scheiterns, die jeden Text aufs Neue zu einem Abenteuer macht.
Hast du jedoch hinderliche Einstellungen, kannst du garantiert dafür sorgen, dass es mit deinem Schreiben nicht klappt. Das richtige Mindset hingegen bietet eine gute Basis, um die eigene Kreativität Stück für Stück weiterzuentwickeln und dich ins Abenteuer zu stürzen.