Anderswo hier beschreibe ich ausführlich, was für und was gegen die Nutzung der Vorbestell-Möglichkeit bei Neuveröffentlichungen spricht. Wenn man den Artikel liest, findrt man zwar jede Menge Vorteile aufgelistet – doch als Gesamteindruck dürfte bleiben: besser nicht. Denn ist es nicht ein großer Fehler, auf die Bestellungen der Fans am ersten Tag und den dadurch hervorgerufenen Schub im Bestseller-Ranking zu verzichten?
Nein, ist es nicht. Ich gebe zu, ich habe genau das bisher immer geglaubt. Dabei kann ich nicht einmal behaupten, ich hätte es nicht besser wissen können. Schon 2015 schrieb zum Beispiel E-Book-Distributor Smashwords:
- 7 unserer Top-10-Bestseller waren vorbestellbar
- 67 Prozent unserer Top-200-Bestseller waren vorbestellbar
Eindeutige Schlussfolgerung der Firma: “Preorders are the single most powerful book launch tool today”. Ich habe diese Angaben nicht für voll genommen, weil Smashwords nur in Ausnahmefällen Amazon beliefert. In anderen Onlineshops gelten Vorbestellungen ja am ersten echten Verkaufstag für das Ranking, bei Amazon jedoch nicht.
Der Bestseller-Rang ist überbewertet
Was ich bei meinen eigenen Überlegungen nicht beachtet habe: Der Bestseller-Rang ist weitaus überbewertet. Theoretisch war mir das schon länger klar. Es gibt viele Wege, wie Käufer E-Books entdecken. Die wenigsten lassen sich dabei von den allgemeinen Charts beeinflussen. Sie wollen ja nicht irgendein Buch! Schnell landen sie stattdessen im Beliebtheitsranking, in den Kategorienrankings oder wählen nach dem sehr wichtigen “Kunden kauften auch”-Regal.
Als dann mit Prime Reading plötzlich fast alle E-Books um 100 Plätze absackten, die Verkäufe aber trotzdem überraschend stabil blieben, wurde mir klar, wie überschätzt der Bestseller-Rang wirklich ist. Klar, es ist großartig für das Autoren-Ego, ein Buch unter den Top 10 zu haben. Der Bestseller-Rang kann also als Synonym für Erfolg verstanden werden. Als Sichtbarkeitsfaktor trägt der Rang aber vielleicht nur zu 10 oder 15 Prozent zum Erfolg eines E-Books bei.
Was Smashwords statistisch nur für iBooks, Kobo, Google Play usw. belegen konnte, müsste dann aber auch für Amazon gelten. Und tatsächlich, genau diese Erfahrung habe ich mit meinem neuesten Buch gemacht. Es war etwa sechs Wochen lang als Vorbestellung erhältlich. In dieser Zeit wurde es 2300 Mal gekauft (vorbestellt). Diese 2300 Verkäufe fehlten dem Buch also theoretisch am ersten echten Verkaufstag. Das Buch hat sich in der Zeit stets ca. in einem Bestsellerrang zwischen 400 und 500 aufgehalten. Pünktlich zum richtigen Start habe ich 1600 Leser der früheren Teile der Reihe dann noch einmal per Newsletter auf die Neuerscheinung aufmerksam gemacht. Und obwohl 2300 Leser schon vorher zugegriffen hatten, wanderte das Buch in kurzer Zeit bis hoch auf Rang 40, ganz ohne Preisaktion und ähnliches.
Dabei halfen vermutlich zwei wichtige Vorteile der Vorbestell-Option:
- Das Buch hatte bereits eine Verkaufs-Historie, es kommt nicht von 0 (beim Ranking zählen z.T. auch die Verkäufe von gestern, vorgestern usw.).
- Die “Kunden kauften auch”-Verknüpfungen waren schon angelegt.
Fazit: Ganz besonders, wenn Sie Reihen veröffentlichen, aber auch bei singulären Titeln ist bei Amazon (bei den anderen Plattformen sowieso) eine Vorbestell-Möglichkeit sinnvoll und wichtig. Ebenso wichtig ist ein gut gepflegter Newsletter, der dem Buch dann nach dem Erstverkaufstag nach vorn verhilft.