Neulich habe ich einmal wieder zu der Überlegung eingeladen, warum sich ein mit zweifellos großen Hoffnungen gestartetes Buch dann doch nicht so verkauft, wie die Autorin oder der Autor es sich gwünscht haben. In dem Artikel sind schon einige Gründe genannt, aber es maht sich immer besser, das am Beispiel durchzudeklinieren. Dafür haben sich ein paar Freiwillige gemeldet.
Buch 1: Beautiful Lie: Süße Lüge (3,99 €, KU)
Beautiful Lie ist ganz klar ein Liebesroman. Ich kann nicht sicher sagen, ob er aktuelle Tropes trifft. Vielleicht ist genau das auch das Problem, denn die Autorin hat sonst vieles richtig gemacht: hübsches Cover, viele ausführliche Rezensionen, verfügbar in KU. Aber abgesehen davon, dass der Klappentext durch die vielen Absätze schwer lesbar ist: Ich erfahre einfach nicht, was für ein Buch das ist. Liebesroman-Leserinnen suchen nach bestimmten Tropes, wiederkehrenden Motiven. Sie wollen im Grunde immer wieder das gleiche Buch lesen, nur anders. Same same but different. Aber dafür ist der Klappentext zu unkonkret. Die Protagonistin ist erfolgreiche Schauspielerin (was schon mal die Identifikation mit ihr erschwert), und ihr Love Interest ist – Stone Rutherford. Mehr als den Namen erfährt man nicht. Ein kleineres Problem: Das Buch ist dritter Teil einer Reihe, doch es gibt keine Reihendarstellung. Ich weiß nicht, wie oft sich Teil 1 verkauft hat, aber Teil 3 hat normalerweise eher weniger als die Hälfte der Verkaufszahlen. Das ist normaler Schwund, der wohl noch wächst, wenn man Teil 3 gefunden hat, aber von dort aus nicht zu Teil 1 gelangt.
Buch 2: Der Jemen-Deal (4,99 €, kein KU)
Das Buch ist ein Thriller. Das Cover verspricht Action und Exotik. Der Aufkleber “Top-Titel” ist ein bisshen albern, man kann das ja nicht beschwören, aber geschenkt. Dass das Buch sein Potenzial nicht erreicht, hat gleich mehrere Gründe. Zunächst erfährt man etwas zu oft, dass es sich um den ersten Band von irgendetwas handelt. Das ist dem Leser bestenfalls egal, schlimmstenfalls greift er nicht zu, solange der Autor nicht bewiesen hat, dass er mehr als ein Buch schafft. So ein Buch zu lesen ist ja auch eine Investition in den Protagonisten. Dann der Klappentext. Er ist zu kompliziert und enthält einen Kommafehler. Allein der erste Satz schickt mich von Lappland nach Deutschland nach Jemen und zu BND und CIA. Das kann ein Beweis für viel Action sein, aber es geht ja so weiter. Der Kommissar hat persönliche Probleme usw. Letzter Satz: weglassen. Schwierig sind dann bloß noch der Preis (zu teuer für Erstling, kein KU, weniger Sichtbarkeit) und die wenigen Rezensionen (lässt sich über eine Leserunde lösen).
Buch 3: Andersträumer (3,99 €, kein KU)
Andersträumer schwankt ein bisschen zwischen Fantasy und Science Fiction. Wohin es eher tendiert, verschweigt der Klappentext ein bisschen. Größtes Problem ist hier das Cover, das, sorry, selbstgemacht wirkt. Ich weiß, die Coverdesignerin kann es besser; vielleicht hatte die Autorin ein bisschen zu klare Vorstellungen. Aber ich war nicht dabei. Der Klappentext ist gar nicht übel, er lässt in Richtung “Inception” denken. Auch die bereits 16 Rezensionen sind vielversprechend. Aber warum ist das Buch nicht in KU? Das E-Book scheint nur über Amazon erhältlich zu sein. Im Fantasy-Bereich bringt KU in Sachen Sichtbarkeit sehr viel. Ein letztes Problem: der “Blick ins Buch” ist abschreckend. Das liegt an dem ellenlangen Inhaltsverzeichnis, das total unformatiert wirkt. Kapitel wie “???” sehen nach Druckfehlern aus (sind sie nicht, aber der erste Eindruck zählt nun einmal).
Buch 4: Das Medaillon von Ofon: Abenteuerreise ins Ungewisse (0,99 €, KU)
Das Medaillon von Ofon ist ein Fantasy-Roman. Es geht um Drachen, das verrät zumindest das Cover, das eine merkwürdige Mischung aus Retro- und Selbstgemacht-Charakter hat. Leider dürfte der Bedarf an dieser Mischung unter der Zielgruppe (Altersempfehlung 6-18 laut Metadaten) relativ gering sein. Der Klappentext spricht die Leser nun allerdings mit “Sie” an. Das Buch hat erst zwei Rezensionen, obwohl es schon fast ein Jahr online ist. Liest man hinein, stellt man fest, dass der Text ein Lektorat gebrauchen könnte. Ich fürchte, eine Verbesserung von Cover und Klappentext würde deshalb für sich genommen wenig bringen. Hier fehlt es einfach noch ein bisschen an der Textqualität. Der Autorin würde ich deshalb empfehlen, mehr zu schreiben und sich bei Gelegenheit eine Schreibgruppe zwecks gegenseitiger Kritik zu suchen.
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Weitere praktische Tipps bekommen Sie in “Warum verkauft sich mein Buch nicht wie erwartet”