Man stelle sich vor, ein selbstpublizierter, nur bei Amazon erhältlicher Roman würde für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, den wohl zweitwichtigsten deutschen Buchpreis. Was wären die Folgen? In Frankreich kann man das gerade live verfolgen. Dort hat die Jury des Prix Renaudot, nach dem Prix Goncourt der zweitwichtigste französische Buchpreis, einen Roman des Autors Marko Koskas nominiert. “Bande de Francais” erzählt vom Leben französischer Juden in Tel Aviv, die dort im Rahmen einer jüngeren Einwanderungswelle angekommen sind.
Weil das Buch über CreateSpace veröffentlicht wurde (ein E-Book gibt es leider nicht), erzählt es auch viel über den Zustand des Buchhandels. Der fühlt sich nämlich von der Jury betrogen, insbesondere vom Jury-Mitglied Patrick Bresson, einem renommierten Autor, der das Buch von Koska wohl vorgeschlagen hat. Nun schreiben die Händler nicht nur böse Briefe: Eine Gruppe von Buchhändlern aus Nordfrankreich hat auch gleich alle Titel der Shortlist an die Verlage zurückgeschickt.
Das Syndicat de la librairie française, eine von mehreren großen Buchhandels-Vereinigungen (mit dem deutschen Börsenverein schlecht vergleichbar, da das Syndicat lediglich rund 600 Händler vereint) kommentiert dazu mit den üblichen Vorurteilen (immerhin gibt man zu, dass es gerade für die Autoren im Buchhandel doch noch einiges zu verbessern gäbe): Durch Amazon gäbe es “keine Hierarchie mehr unter den Werken, die auf eine simple Nummer auf einer Plattform reduziert würden, es gäbe keine Herausgeber-Linie mehr, sondern Millionen ohne besondere Merkmale zusammengewürfelter Titel, keine engagierten Vertreter, die das Werk der Autoren an die Leser bringen … und einen schlauen Algorithmus anstelle der angeregten Unterhaltung.”
Die Pointe an der Geschichte ist allerdings: Koskas, der bereits 17 Bücher veröffentlicht und auch schon Preise gewonnen hat, hat früher durchaus mit Verlagen zusammengearbeitet. Doch das neue Werk wollte kein Verleger drucken, also hat er es selbst veröffentlicht. Ihn dafür zu bestrafen, scheint nun ein wenig unredlich. Jurymitglied Besson will übrigens gar nicht gewusst haben, dass das von ihm vorgeschlagene Buch nur bei Amazon erhältlich ist.