Ein spannendes neues Projekt, das mir bisher entgangen war, nennt sich “Draft“. Es handelt sich um ein Online-Schreibtool, das ein paar besondere Fähigkeiten besitzt, über die Standard-Schreibsoftware in der Regel nicht verfügt. Doch zunächst die Randbedingungen: Die Oberfläche von Draft ist komplett in englischer Sprache verfügbar. Derzeit können Sie alle Funktionen kostenlos nutzen. Erwünscht (aber nicht Pflicht) ist ein Abo, das zwischen 4 Dollar im Monat und 40 Dollar im Jahr kostet.
Schreiben kann man mit Draft im Grunde alles. Der Editor selbst arbeitet mit Markdown-Befehlen. Wer das noch nicht kennt: Es fühlt sich ein bisschen an wie früher, als man noch WordPerfect für DOS nutzte. Fettschrift erreicht man etwa mit **Wort**, eine Überschrift erster Ordnung mit #Überschrift#. Das ist schnell erlernt und sehr intuitiv, auch wenn man den Effekt des Befehls nicht sofort sieht. Häufige Formatierungen erreichen Sie aber auch über ein Menü. Auch Bilder und URLs lassen sich leicht einfügen. Ein “Hemingway Mode” unterstützt Sie, in den Schreib-Flow zu kommen – in diesem Modus können Sie nämlich nichts löschen. “Write drunk, edit sober” soll Hemingways Strategie gewesen sein; im Kern geht es darum, Schreiben und Editieren zu trennen, um produktiver zu werden (ähnlich wie bei Flowstate also). Ihre jeweils 50 letzten Dokumente können Sie auch im Offline-Modus bearbeiten, Sie müssen also nicht zwangsläufig online arbeiten.
Zur Höchstform läuft Draft allerdings erst auf, wenn Sie das Tool online einsetzen. Es arbeitet zum einen direkt mit Dropbox oder Google Drive zusammen und kann Dokumente nahtlos im- und exportieren. In der Dropbox liegt dann stets die aktuellste Version. Sie können Ihre Texte auch direkt auf verschiedensten Plattformen veröffentlichen, etwa Ihrem WordPress-Blog (Draft wird dadurch Ihr neuer Artikel-Editor), aber auch auf Twitter, Mailchimp, Buffer, Basecamp, LinkedIn… Selbst ein Export als PDF, HTML, Kindle-eBook (hat im Test nicht funktioniert) oder Word-DOC ist möglich.
Zum anderen können Sie weitere Nutzer zur Zusammenarbeit einladen. Das könnte Ihr Lektor sein – oder auch ein Co-Autor. Oder mehrere. Draft verfügt über eine ausgefeilte Versionsverwaltung, bei der Sie alle vorgeschlagenen Änderungen in einem übersichtlichen Modus annehmen oder ablehnen (siehe Bild). Und im Notfall kommen Sie stets problemlos wieder zu einer älteren Version zurück. Damit Sie wissen, was Sie schon erreicht haben, zählt Draft Ihre geschriebenen Wörter, um Ihnen nach einiger Zeit auch zu verraten, wann Sie am produktivsten sind. Sie können sich auch eine Mindest-Quote definieren, an die Draft Sie dann erinnert.
Für deutsche Nutzer noch nicht interessant sind die automatische Analyse (sie “kennt” nur Englisch gut) und der Button “Ask a Pro”. Hier können Sie zu Preisen ab 5 Dollar einen menschlichen Lektor anheuern, der Ihre Texte prüft und Verbesserungsvorschläge macht. Aber auch dieser Service beschränkt sich auf die englische Sprache.
Alles in allem ist Draft ein spannendes Werkzeug für Vielschreiber aller Art (Autoren, Journalisten, Blogger…), die in unterschiedlichen Medien veröffentlichen. Durch die vielfältigen Kollaborations- und Export-Möglichkeiten kann es hier seine Stärken ausspielen.