Um Anteil zu nehmen an einem Schicksal, müssen wir als Leser, aber auch als Menschen, eine emotionale Verbindung mit dieser Person eingehen. Bei Leuten, die wir nicht ausstehen können, fällt uns das schwer. Hier ist der Roman extremer als das Leben.
Schlagwort: Charakter
Meine ersten Romane litten unter mehreren Problemen. Neben dem dramaturgisch suboptimalen Plot waren das vor allem die Charaktere, genauer gesagt: Charaktere, die zu unsympathisch waren.
Charaktere einzuführen beschränkt sich nicht auf die Stellen im Roman, an denen die Charaktere auftauchen. Es beschränkt sich nicht einmal auf die Passagen, wo über die Charaktere gesprochen oder erzählt wird.
Sehen wir uns abschließend die Einführung eines nicht weniger populären Charakters an: Christian Grey aus »Shades Of Grey«. Selbst wenn Sie den Roman für Schund halten – die Autorin E. L. James muss eine Menge richtig gemacht haben, sonst wäre der Roman kein solches weltweites Phänomen geworden. Wie sie die männliche Hauptfigur einführt, ist schon mal ausgesprochen gekonnt.
Damit der Leser einen Charakter in den Kontext stellt, den der Autor für ihn vorgesehen hat, braucht es in vielen Fällen – andere Charaktere. Wir als empathische Wesen (mal von den Psycho- und Soziopathen unter Ihnen abgesehen, sorry) orientieren uns in vielen Fällen an anderen. Wie wir reagieren. Was wir empfinden.
Sie werden von entfernten Bekannten auf eine Party eingeladen. Sie gehen hin, erwartungsvoll und zugleich ein wenig ängstlich. Das Loft, in das die Gastgeber eingeladen haben, gefällt Ihnen. Der Blick über die Stadt und den Fluss raubt Ihnen den Atem. Auch das Büffet biegt sich mit allem, was Sie gerne essen und trinken, sogar den 2003er Saint-Émilion sehen Sie, Ihren absoluten Lieblingsbordeaux. Die Einrichtung? He, genau Ihr Geschmack. Aber etwas fehlt doch da noch … Richtig: die anderen Gäste.