Wer in China Informationen über die Buchbranche sucht, kann entweder bei den Firmen selbst oder bei der zuständigen staatlichen Behörde fragen – oder aber bei OpenBook Co., einem der GfK oder Mediacontrol vergleichbaren privaten Unternehmen, das den Buchmarkt im Land der Mitte untersucht. OpenBook erhält Daten von 2000 stationären und 20 Online-Händlern, die etwa ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmachen. Erfasst werden dabei nicht nur die verkauften, sondern auch die gelagerten Exemplare eines Titels. Das ist in China wichtig, denn die Händler teilen den Verlagen ihre Verkäufe nur ungern mit. Erst in diesem Moment müssen sie nämlich auch bezahlen.

Wenn Jiang Yanping, General Managerin von OpenBook, von ihrer Aufgabe erzählt, gibt sie erst einmal ihrem Neid auf Deutschland Ausdruck. Hierzulande gebe es nämlich, erstens, einen guten Markt für akademische Bücher. Und zweitens wären die Verlage nicht gezwungen, schon kurz nach dem Erstverkaufstag den Endkunden-Preis zu senken: die Preisbindung wünscht sich die chinesische Buchbranche offenbar sehr.

Die Volksrepublik China hat etwa 1,3 Milliarden Einwohner. Die Hälfte der chinesischen Erwachsenen liest elektronisch – ein riesiger Markt also. Wie sieht das auf der Seite der Anbieter aus? Wie unterscheidet sich China in Sachen elektronisches Lesen von Deutschland – und was ist für Selfpublisher “drin”? Ich konnte in Peking die Firma iReader besuchen und mir dort einige interessante Informationen abholen.
Zunächst einmal: eBooks liest man in China primär auf dem Smartphone. Insgesamt 480 Millionen Smartphone-Nutzer zählt das Land. Der Anteil von Android liegt dabei bei 90 Prozent – und auf den allermeisten dieser Geräte ist die Lese-App von iReader bereits vorinstalliert. Und zwar ohne Konkurrenz, denn Google wird in China komplett blockiert, also ist auch der Play-Books-Store nicht zugänglich. Amazon hingegen konzentriert sich beim Marketing auf den Kindle, nicht auf die Apps.

Eine interessante Publikation bietet die Auslandsvertretung der Frankfurter Buchmesse in China: Wenn Sie dieses Formular ausfüllen und per Mail an weidel@biz-beijing.org schicken, erhalten Sie eine umfangreiche Beschreibung des chinesischen Buchmarktes in deutscher und englischer Sprache.

Vielleicht lohnt sich ja eine Übersetzung Ihres Buches? Der Markt ist jedenfalls riesig – hat aber auch ein paar Seiten, die den Umgang erschweren. Wussten Sie schon, dass:

in China derzeit 582 offizielle Verlage registriert sind, die alle dem Staat gehören? Private Verlage gibt es offiziell nicht.
private Verlage als “Kultur-Agenturen” arbeiten und zur Veröffentlichung stets mit einem offiziellen Verlag zusammenarbeiten müssen?
es in China keine Buchpreisbindung gibt?

Ein Gastbeitrag von Octavio Kulesz, in englischer Sprache bei Publishing Perspectives erschienen. Kulesz wird auf der Publishers Launch Konferenz Frankfurt über das Thema “What You Need to Know about Digital Publishing in the Developing World” sprechen – 8. Oktober, 13 Uhr in Halle 4.2, Raum Dimension der Frankfurter Buchmesse. Hier gehts zur Registrierung.

Ich verfolge die Entwicklung des E-Publishing in den Entwicklungsländern seit 2009, als Ramy Habeeb (Ägypten), Arthur Attwell (Südafrika) und ich das Digital Minds Network gründeten, das dem informellen Austausch von Daten dient. Als digitale Publisher im Süden der Welt hatten wir das Gefühl, dass die Geschäftsmodelle in den USA und Europa unsere Bedürfnisse nicht völlig befriedigten. 2011 baten mich dann die International Alliance of Independent Publishers und der Prince Claus Fund, eine detaillierte Untersuchung der digitalen Landschaft in Lateinamerika, Afrika, Arabien, Russland, Indien und China durchzuführen. Seitdem habe ich das elektronische Publizieren in diesen Teilen der Welt weiter beobachtet.

Es ist aus einer Reihe von Gründen schwierig, Zahlen zur eBook-Penetration in diesen Regionen zu nennen. Die nationalen Statistiken sind generell instabil – versuchen Sie einmal, einen Katalog aktueller Print-Bücher für die arabische Welt zusammenzustellen. Außerdem ist die ganze Idee, den Anteil des eBooks mit dem des Verlagssektors insgesamt zu vergleichen, zwar für die USA oder Europa relevant, viel weniger jedoch für die sich entwickelnden Märkte.

Als die digitale Technologie einmarschierte, besaß der Westen bereits eine hoch entwickelte Gutenberg-Industrie, und das eBook wurde als Erweiterung oder Ersatz des gedruckten Buchs betrachtet. Es gab also Bücher und eBooks, Distribution und eDistribution. Logischerweise nannte sich Michael Harts Pionierversuch “Projekt Gutenberg”, und ebenso logisch war, dass Amazon, der jetzige Digital-Marktführer im Westen, als Online-Buchladen startete. In Spanien, um ein europäisches Beispiel zu nennen, wurde Libranda von den größten Printverlagen gegründet.

Nachdem mein Kindle-Handbuch in Deutschland so erfolgreich war, habe ich natürlich sofort überlegt, ob es sich nicht auch anderswo verkaufen lassen müsste. Das Ergebnis waren vier Übersetzungen: ins Französische, Englische, Spanische, Italienische und Chinesische. Erfolgreich waren davon die französische, die spanische und die italienische Version – alle drei schafften es 2011 mindestens in die Top 3 des jeweiligen Landes.

Die englische Version erwies sich aber ebenso als Pleite wie die chinesische. Immerhin steht das englische Kindle-Handbuch wenigstens online – die chinesische (und auf Exilchinesen abzielende) Version habe ich lange Zeit gar nicht anbieten können. Erst in diesem Jahr gelang es mir, sie bei Kobo online zu stellen. Es gibt vermutlich bessere Orte für ein Kindle-Handbuch…

Das alles geschah Ende 2011 oder Anfang 2012. Lohnen sich Übersetzungen heute eher? Eher nicht, wenn es um den US-Markt geht. Es ist selbst für deutsche Bestseller schwer, ohne Unterstützung von Amazon dort erfolgreich zu sein. Der Lohn wäre zwar umso größer, doch das Risiko zu scheitern ist ebenfalls weitaus größer. Ähnliches gilt für Großbritannien.