Tolino auf Chinesisch: Wie iReader in China Erfolg hat

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Die Volksrepublik China hat etwa 1,3 Milliarden Einwohner. Die Hälfte der chinesischen Erwachsenen liest elektronisch – ein riesiger Markt also. Wie sieht das auf der Seite der Anbieter aus? Wie unterscheidet sich China in Sachen elektronisches Lesen von Deutschland – und was ist für Selfpublisher “drin”? Ich konnte in Peking die Firma iReader besuchen und mir dort einige interessante Informationen abholen.

Zunächst einmal: eBooks liest man in China primär auf dem Smartphone. Insgesamt 480 Millionen Smartphone-Nutzer zählt das Land. Der Anteil von Android liegt dabei bei 90 Prozent – und auf den allermeisten dieser Geräte ist die Lese-App von iReader bereits vorinstalliert. Und zwar ohne Konkurrenz, denn Google wird in China komplett blockiert, also ist auch der Play-Books-Store nicht zugänglich. Amazon hingegen konzentriert sich beim Marketing auf den Kindle, nicht auf die Apps.

Diesen Vorteil weiß iReader gut einzusetzen. Pro Monat zählt man über 70 Millionen aktive Nutzer, täglich lesen 15 Millionen Kunden mindestens einmal mit der App. Damit kommt man auf einen Marktanteil von 35 Prozent und sieht sich als klare Nummer 1. Im Angebot sind 450.000 eBooks, die oft erst mit großem Aufwand aus gedruckten Büchern beziehungsweise PDFs erstellt werden. Damit will man es den Verlagen so einfach wie möglich machen, ihre Titel online zu stellen.

Denn eBooks sind in China billig: Bei Neuerscheinungen liegen sie bei der Hälfte des Taschenbuchpreises, ältere Titel kosten 10 bis 20 Prozent des Taschenbuchs. Für umgerechnet 2 Dollar im Monat bietet iReader auch eine Flatrate, bei der Nutzer allerdings nur auf einen Teil der eBooks zugreifen können, etwa zehn Prozent aller Titel.

Bezahlt wird mit einem Punktsystem. 100 Punkte kosten 1 Yuan (ca. 0,15 €). Ein durchschnittliches eBook kommt auf 399, 499 oder 599 Punkte und bleibt damit oft unter einem Euro – wenn es sich nicht gerade um eine beliebte Neuerscheinung handelt. Die Hälfte der Einnahmen bekommt der Verlag, die andere Hälfte bleibt bei iReader.

Außer den Verlagen hat iReader auch unabhängige Autoren unter Vertrag, derzeit etwa 3000. Das ist im Vergleich zur Konkurrenz eher wenig. Die Selfpublisher werden meist pro Folge bezahlt oder erhalten einen pauschalen Betrag pro Buch. Bei den Nutzern am beliebtesten sind aber die täglich (!) fortgesetzten Serien. Autoren, die in diesem Metier erfolgreich sind, können durchaus Millioneneinnahmen pro Jahr generieren. Die von Verlagen und Autoren eingestellten Inhalte müssen übrigens nicht durch die staatliche Zensur – allerdings operiere die Firma, so der CEO, im “Rahmen der Gesetze”: Algorithmen und Mitarbeiter scannen, ob die Publikationen den Vorschriften genügen.

Da inzwischen auch Amazon in China aktiv (und durchaus erfolgreich) ist, hat iReader inzwischen Gegenstrategien entwickelt. So gibt es seit August einen eigenen eReader (mit 6,8 Zoll Diagonale und 1080 x 1440 Pixeln sowie Display-Beleuchtung), der zum gleichen Preis wie der Kindle angeboten wird, für etwa 900 Yuan (130 Euro). Außerdem hat man begonnen, auch physische Bücher zu verkaufen: Bereits jetzt erwirtschaftet iReader damit zehn Prozent des Umsatzes.

(Der Artikel entstand nach einer Verleger- und Lektorenreise des BIZ-Beijing, das die Reisekosten des Autors bezahlt hat).

 

Im Büro von iReader in Peking
Im Büro von iReader in Peking