Es ist erstaunlich, wie lange ein Begriff existieren kann, ohne dass die Allgemeinheit von ihm erfährt. Den Begriff des „digitalen Nomaden“ gibt es nämlich tatsächlich schon seit den 90er-Jahren. Was deutlich weniger verwunderlich ist, ist die Tatsache, dass er sich verbreitet hat, als die technischen Entwicklungen und die voranschreitende Globalisierung immer mehr Menschen die Möglichkeit gegeben hat, ein Leben dieser Art zu führen.
Was genau versteht man nun unter digitalen Nomaden?
„Digital“: Die meisten digitalen Nomaden arbeiten – wer hätte es gedacht – online und sind in der digitalen Welt zu Hause. Anders als viele meinen, bedeutet das jedoch nicht, dass wir alle Programmierer oder Webdesigner sind. Ich zum Beispiel verdiene meine Brötchen (auch wenn es in vielen Ländern, in denen ich mich aufhalte, gar keine Brötchen gibt) zum Beispiel mit Übersetzen und Schreiben. Ok, mittlerweile habe ich mich zumindest in das Thema Webseitenerstellung so gut eingearbeitet, dass ich auch das mithilfe des Content-Management-Systems WordPress aus dem FF kann. Aber eine Voraussetzung ist es keineswegs. Der Beruf des Autors ist sogar eine perfekte Ausgangsbasis für ein Leben abseits der „üblichen Pfade“. Es ist übrigens kein Ausschlusskriterium, wenn jemand auch analoge Jobs macht. Ich bin beispielsweise auch noch Zumba-Trainerin. Wenn Sie einen Weg kennen, wie ich den Beruf digital und ortsunabhängig ausüben kann, lassen Sie es mich bitte wissen. Ich habe nämlich noch keinen gefunden.
„Nomade“: Nein, Sie müssen nicht mit einem Zelt und einem Kamel durch die Welt reisen. Der moderne Nomade unterscheidet sich optisch kaum bis gar nicht von seinen nicht-nomadisch lebenden Mitmenschen. Nur hat er in der Regel entweder gar keinen Wohnsitz oder aber er hat ihn aus praktischen oder rechtlichen Gründen bei Freunden oder einem Familienmitglied. Denn es gibt gewisse Dinge, die einen vor Herausforderungen stellen können, wenn man seinen Wohnsitz abmeldet. Aber darauf werde ich in einem anderen Artikel eingehen. Der moderne Nomade zeichnet sich in den meisten Fällen also mehr durch eine Ortsungebundenheit aus. Ich kenne zum Beispiel einen Nomaden, der eine Immobilie in Bangkok und eine in Berlin hat und nun schlicht zwischen diesen beiden Orten pendelt. Er führt also kein unstetes Leben des rastlosen Reisens und ist dennoch ein digitaler Nomade.
Ein digitaler Nomade arbeitet demnach im Normalfall online oder am Computer, sodass er theoretisch dauerhaft reisen könnte. Die meisten entscheiden sich jedoch dafür, mindestens ein paar Monate an einem Ort zu bleiben.
Die Community der digitalen Nomaden
In den ersten beiden Jahrzehnten ihrer Existenz waren digitale Nomaden eher Einzelgänger und Außenseiter. Vor etwa fünf Jahren kam jedoch langsam Bewegung in die Sache und seit zwei Jahren entsteht einer immer größer werdende Community digitaler Nomaden. In Deutschland war der erste Schritt in diese Richtung mit Sicherheit die erste digitale Nomadenkonferenz DNX im Mai 2014, die mittlerweile mehrmals im Jahr bis zu 500 Gleichgesinnte aus der ganzen Welt zusammentrommelt und die dafür sorgt, dass immer mehr Menschen von diesem modernen Lifestyle erfahren und auf diese Weise leben möchten. 2015 folgte die erste Nomad Cruise. Eine Kreuzfahrt von Gran Canaria nach Salvador de Bahía mit über 120 digitalen Nomaden an Bord, während der wir eine zweitägige Konferenz und über 30 Workshops veranstaltet haben.
Spätestens da begann eine neue Ära. Denn die Nomaden, die sich dort kennengelernt haben, fingen an, in Grüppchen gemeinsam weiterzureisen. Wir sind keine Einzelgänger mehr. Auch vorher schon konnte man sehen, dass viele Nomaden sich in den Hotspots der Welt Chiang Mai, Ko Lanta, Medellin, Barcelona, Tarifa oder auch Berlin trafen. Für gewöhnlich ging man danach jedoch seiner Wege. Die Nomad Cruise hat etwas mit uns gemacht. Acht Tage auf engstem Raum haben uns zusammengeschweißt.
Wo arbeiten digitale Nomaden?
Nun, Sie kennen das ja als Autor, wenn man arbeiten kann, wo man will. Die meisten Nicht-Nomaden nutzen diese Möglichkeit nur nicht und versauern in ihrem Home Office. Uns kann man praktisch überall finden: in Parks, am Strand, in Coworking Spaces, usw.
Meine persönliche Vorliebe ist tatsächlich der Strand. Auch wenn ich von vielen anderen gehört habe, dass sie dort niemals arbeiten könnten, weil man im hellen Sonnenlicht nicht genug auf dem Bildschirm sieht und die Atmosphäre zu viele Ablenkungen bietet, kann ich mir keinen besseren Ort vorstellen. Auf Ko Lanta gibt es eine Beach Bar mit superschnellem WLAN und Steckdosen, die in die Palmen gelegt wurden. Ich habe noch keinen Ort gefunden, an dem ich kreativer und effizienter arbeiten konnte. Ich liebe die Möglichkeit, kurz aufzustehen, durch das Meer zu waten und meine Augen über das Meer schweifen zu lassen. Das lädt meine Batterien innerhalb kürzester Zeit wieder auf. Aber ich verstehe auch das Argument, dass man eine Arbeitsatmosphäre bracht. Das ist eben Typsache. Dafür gibt es mittlerweile zum Glück unzählige Coworking-Spaces, die für genau diese Atmosphäre sorgen.
Eine völlig neue Idee ist das sogenannte CoBoat. Dabei handelt es sich um einen Coworking-Space auf einem Katamaran, auf dem 20 Menschen Platz zum Leben und Arbeiten haben. Da man ähnlich wie auf der Nomad Cruise eine längere Zeit auf engstem Raum (und hier ist ja noch weniger Platz) miteinander lebt, stelle ich mir vor, dass der Community-Aspekt auch beim CoBoat ein entscheidender Faktor für den Erfolg des StartUps sein wird.
Sie sehen also: Das moderne Arbeiten bietet vollkommen neue Möglichkeiten und beschränkt sich nicht mehr auf die vier Wände eines Büroraumes.