Nachdem ich zuletzt die Anzahl der unterschiedlichen Autoren in Amazons Top 100 für Verlage und Self Publisher analysiert habe, wollen wir uns heute den einzelnen Titeln widmen – und dabei speziell der Frage, wie lange einzelne Titel in den Top 10 und den Top 100 verblieben sind.
Fachleute sprechen hier von der Churn Rate. Was dabei wünschenswert ist, ist eine Frage der Perspektive: Wer es in die Charts geschafft hat, will natürlich möglichst lange dort bleiben. Doch je länger Titel in den Bestenlisten verweilen, desto schwerer wird es für Neulinge, selbst einen Bestseller zu platzieren.
Für die USA hat Hugh Howey in seinem Authorearnings-Report vom Mai 2014 für Titel unabhängiger Autoren eine höhere Churn Rate ermittelt als für Verlags-eBooks. Am stabilsten laufen demnach Verlagstitel schon lange etablierter Schriftsteller.
Wie sieht es in Deutschland aus? Zunächst zu den Titelzahlen. Seit 1. November 2013 bis heute schafften es für mindestens einen Tag in die Top 100 bei Amazon:
- Von traditionellen Verlagen: 706 Titel
- Von Amazon (Publishing und Crossing): 146 Titel
- Von Self Publishern: 553 Titel
Wie bei der letzten Analyse sind die Zahlen für Self Publisher mit dem kleinen Makel behaftet, dass sich nicht alle Titel in der Datenbank eindeutig identifizieren ließen – einige Self-Publisher-eBooks gehen damit als Verlagstitel durch.
Dabei verhielten sich aber bei weitem nicht alle Titel gleich. Von den 706 Verlags-Titeln etwa schnupperten 108 nur einen einzigen Tag lang Höhenluft. Von den 553 Indie-Titeln hingegen fielen nur 28 sofort wieder aus den Charts heraus. Insgesamt ergibt sich aber bei allen drei Veröffentlichungswegen ein ähnliches Bild: Wenige eBooks konnten für viele Tage zum Bestseller werden, die meisten Titel hingegen nur für kürzere Zeit.
Das Diagramm lässt allerdings schon eines erkennen: Die Kurve endet für selbst publizierte Titel zwar etwas eher, doch die Fläche unter der Kurve ist insgesamt größer. Ein Titel, der im Self Publishing veröffentlicht wird und die Top 100 erreicht, hat damit statistisch eine größere Überlebenschance in diesem Haifischbecken. Die statistische Größe dafür ist der Median. Er gibt bei asymmetrischen Verteilungen wie dieser an, was für ein “typisches” eBook zu erwarten ist. Die Ausreißer (in diesem Fall am Beginn der Kurve) spielen beim Median keine Rolle.
Der Median der Aufenthaltsdauer eines eBooks in den Top 100 beträgt demnach:
- Für traditionelle Verlage: 7 Tage
- Für Amazon (Publishing und Crossing): 15 Tage
- Für Self Publisher: 19 Tage
Der Vollständigkeit halber auch noch die Mittelwerte (die hier weniger aussagekräftig sind):
- Für traditionelle Verlage: 17,3 Tage
- Für Amazon (Publishing und Crossing): 23,4 Tage
- Für Self Publisher: 34,3 Tage
Zum Vergleich: Der Median lag über alle Top-100-Titel bei 10 Tagen, der Mittelwert bei 24,6 Tagen. Die Schlussfolgerungen dürften klar sein. Woran der doch recht deutliche Unterschied liegt, darüber lässt sich an dieser Stelle nur spekulieren.
Und dies sind die eBooks, die sich im vergangenen Jahr besonders lange in den Amazon-Charts gehalten haben:
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Wie sieht es aus, wenn wir die Top 10 statt der Top 100 betrachten? In die Top 10 schafften es binnen Jahresfrist:
- Von traditionellen Verlagen: 114 Titel
- Von Amazon (Publishing und Crossing): 30 Titel
- Von Self Publishern: 143 Titel
Und wie lange hielten sich die eBooks dort? Folgende Aufenthaltsdauern zeigt die Datenbank (Median, in Klammern Mittelwert):
- Für traditionelle Verlage: 5,5 (6,8) Tage
- Für Amazon (Publishing und Crossing): 4 (6,7) Tage
- Für Self Publisher: 9 (17,4) Tage
Median und Mittelwert über alle Titel lagen dabei bei 7 respektive 12 Tagen. Wie oben beschrieben, stellt der Median die Erwartung an ein eBook dar – wenn Sie es also in die Top 10 schaffen sollten, können Sie damit rechnen, das für 4 bis 9 Tage genießen zu können. Ausnahmen bestätigen die Regel (und lassen den Mittelwert unproportional wachsen).
Welche eBooks haben sich besonders lange in den Top 10 gehalten?
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In der Tabelle sind nur verlagsunabhängig publizierte Titel zu finden. Das erste Verlagsbuch käme hier mit “Die Analphabetin, die rechnen konnte” auf Platz 13 (40 Tage). Der erste Amazon-Crossing-Titel ist “Warum Seepferdchen keine Schuhe tragen” mit 35 Tagen Verweildauer auf Platz 19.
Auf Leserwunsch abschließend noch die Auswertung für die Top 1000.
In die Top 1000 schafften es seit November 2013:
- Von traditionellen Verlagen: 4064 Titel
- Von Amazon (Publishing und Crossing): 193 Titel
- Von Self Publishern: 3975 Titel
Und wie sieht es mit der Verweildauer aus (in Klammern wieder der weniger aussagekräftige Mittelwert)?
- Für traditionelle Verlage: 9 (29,8) Tage
- Für Amazon (Publishing und Crossing): 7,5 (43,4) Tage
- Für Self Publisher: 4 (28,6) Tage
Die Midlist ist demnach eindeutig das Revier der Verlage. Verlagstitel können sich mehr als doppelt so lange hier halten als eBooks von unabhängigen Autoren. Vergleicht man die die Statistiken von Top 100 und Top 1000, gilt für selbst veröffentlichte Titel offenbar stärker “Top oder Flop” als für Verlagstitel.