Johannes Monse von Monsenstein & Vannerdat hat – unter anderen – mir die Frage in der Betreffzeile vor ein paar Wochen gestellt. Ich habe ihm kurz und knapp geantwortet. Vergangene Woche wirbelte Wolfgang Tischer mit seinen Antworten etwas kalkulierten Staub auf – ich habe, Disclaimer, diesen Text (noch) nicht gelesen, um nicht einfach eine Replik zu formulieren. Die Reaktionen in der Selfpublishing-Gruppe bei Facebook reichten jedenfalls von verhaltener Zustimmung (“hat ja im Grunde Recht”) bis zu vehementer Ablehnung (“überheblich und unwahr”).
Dass ich Johannes Monse so kurz geantwortet habe, hatte einen Grund: Die Auswirkungen des Selfpublishings auf den Buchmarkt – im Sinne eines Leser-Marktes – sind meiner Meinung nach eher gering. Aus Lesersicht ist weder etwas verloren gegangen noch etwas hinzu gekommen. Es gibt schlechte Bücher, seit es Bücher gibt, und es gibt beeindruckende, hervorragend erzählte Werke. Ob auf einem Cover ein Verlagslogo prangt, sagt über die inhaltliche Qualität nichts (aber das war, wie gesagt, schon immer so). Und es war schon immer schwer, aus dem großen Vorrat durchschnittlicher Bücher die wirklichen Perlen herauszufinden – genau davon haben Zeitungs-Feuilletons, Literatur-Websites und Bücher-Shows im Fernsehen ja lange sehr gut gelebt.
Es war das E-Book, das hier eine wesentliche Veränderung gebracht hat: Es hat bewirkt, dass Lesestoff nun auf Knopfdruck bereitsteht. Es hat neue Preiskategorien für Lesestoff ermöglicht – ein E-Book muss eben nicht erst physisch produziert werden. Wie jedes digitale Medium hat es seinem Inhalt, dem Buch, eine bisher unbekannte Preis-Elastizität ermöglicht (die gern mit einem Preisverfall verwechselt wird, den es statistisch nachweisbar gar nicht gibt). Das E-Book mit seinen virtuellen, tendenziell kostenlosen Distributionswegen hat aber auch Selfpublishing überhaupt erst wirtschaftlich sinnvoll gemacht (möglich war es ja schon immer, wenn es auch als leicht anrüchig galt). Dass Amazon vor fünf Jahren den Kindle und das Kindle Direct Publishing gleichzeitig nach Deutschland gebracht hat, war kein Zufall, sondern folgerichtig.
Eben deshalb spielen selbst verlegte Bücher im traditionellen Buchhandel bisher auch noch keine Rolle. Ja, es gibt bei manch Buchhändler eine gewisse Amazon-Furcht, die in Teilen auch nachvollziehbar ist. Aber dass gedruckte Indie-Titel nicht in größerem Umfang in den Regalen stehen, liegt vor allem an hierfür fehlenden Strukturen, nicht am Widerwillen einzelner Beteiligter. Gerade Kleinverlage und Selfpublisher haben noch nicht in ausreichendem Maß erkannt, dass sie durch sehr ähnliche Interessen und Standpunkte verbunden sind.
Ist also alles noch wie vor zehn Jahren? Nein. Im Verhältnis der Beteiligten untereinander hat sich eine gewaltige Veränderung vollzogen, eine Revolution geradezu. Sowohl unter den Autoren (!) als auch bei den Verlagen will das mancher zwar noch nicht wahrhaben. Aber das ändert nichts an der Tatsache: Was erscheint und damit auch, was erfolgreich ist, bestimmen nicht mehr Agenten oder Verlags-Lektoren, sondern die beiden Parteien, die in einem Buch direkt miteinander kommunizieren: Autor und Leser. Das stärkt die Rolle der Autoren enorm und dauerhaft. Wer im Selfpublishing erfolgreich ist, hat das längst gemerkt, es gibt wirklich keinen einigermaßen erfolgreich Schreibenden, der nicht bereits Anfragen mehrerer Verlage erhalten hätte.
Was heißt das für die Verlage? Sie werden sich verändern. Der erfolgreiche Verlag der Zukunft wird ein Service-Unternehmen für seine Autorinnen und Autoren sein. Der Verlag iist Dienstleister und Erfolgs-Vereinfacher. Er hat durch Größe und Struktur Möglichkeiten, ein gutes Buch zum Bestseller zu machen, die einem einzelnen Autor nicht zur Verfügung stehen, und das lässt er sich gut bezahlen.
Die Zukunft des Selfpublishing besteht deshalb darin, sich selbst abzuschaffen. In zehn Jahren, schätze ich, wird niemand mehr von Selfpublishern sprechen. Autoren sind Autoren, und je nach aktuellem Projekt lassen sie sich von einem Verlag unterstützen oder stellen ihre Bücher selbst in die Shops. Vielleicht werden sie mehr mitreden wollen als heute (ich habe von mehreren Verlagslektoren gehört, wie herausfordernd die Arbeit mit erfolgreichen Selfpublishern sei). Aber vermutlich ist auch das eher ein Merkmal der Persönlichkeit als des Veröffentlichungsweges. Es ist eine Übergangszeit, in der wir leben, und harsche Urteile von dieser oder jener Seite sind dafür geradezu zu erwarten. Die Wahrheit liegt am Ende dann doch in der Mitte.