Gnadenlos ausgeliefert? Was Amazons Rezensionssystem verbietet – und was das Gesetz dazu sagt

Kunden kaufen ungern die Katze im Sack. Darauf basieren die “Stiftung Warentest”, zahllose Test-Zeitschriften und nicht zuletzt auch die Käufer- oder Leserrezensionen, die Sie bei Amazon und den anderen Online-Händlern finden. Für Autoren sind sie sehr oft Quelle großer Freude, aber regelmäßig verursachen sie auch Herzrasen, Muskelkrämpfe und Alpträume. Das Problem ist weniger, dass es nie gelingt, den Geschmack wirklich jedes Lesers zu treffen. Vielmehr ist es das Gefühl, dem System ausgeliefert zu sein.

Wer mir ins Gesicht sagt, dass er mein Buch nicht mag, den kann ich zu überzeugen versuchen (auch wenn mir das vielleicht nicht gelingen mag). Doch Online-Rezensenten verstecken sich oft hinter Pseudonymen. Ganz egal, ob sie in wüstem Ton über ein Buch herziehen, die Auflösung verraten oder aus taktischen (Konkurrenz-)Gründen eine Einstern.Bewertung einstellen – der einzige Weg zu ihnen führt über einen Service-Mitarbeiter bei Amazon, der in der Regel eine Standard-Antwort verschickt.

Tatsächlich gibt es Gründe, warum das System so arbeitet, wie Autoren es erleben, und es gibt auch Regeln, auf deren Einhaltung sie pochen können. Das Rezensionssystem fügte Amazons erster Angestellter Shel Kaphan der Website im Juni 1995 hinzu, einen Monat vor dem offiziellen Start des Regelbetriebs, also vor nunmehr fast 21 Jahren. Es gehört firmenintern zu den Heiligtümern – Jeff Bezos selbst, erklärt Brad Stone in seinem Buch “Der Allesverkäufer“, setzte frühzeitig durch, dass Bewertungen nicht schon beim Einstellen geprüft werden, sondern man nur die Auf- und Ausfälligen im Blick behalten solle.

Was Amazon in seinen Rezensions-Richtlinien verbietet

Auf seiner Website hält Amazon fest, wie eine gute Rezension aussehen sollte – und was gegen die Richtlinien verstößt. Die Formulierungen sind nicht immer klar, deshalb hier eine Zusammenfassung all der Punkte, die für Ihren Umgang mit Rezensionen wichtig sind.

  • Rezensionen, die nicht produktbezogen sind

Ein besonders wichtiger Punkt. Regelmäßig irren sich Leser, wenn sie Rezensionen verfassen, und besprechen entweder ein anderes Produkt oder aber Lieferung oder Versandprobleme. “Bitte belästigen Sie mich nicht mehr mit Aufforderungen zur Rezension” ist da zu lesen oder “Die Kindle-App stürzt auf meinem Computer immer wieder ab.”

  • Unangebrachte Inhalte

Die Liste unangebrachter Inhalte ist sehr spezifisch: “Obszönitäten, vulgäre Ausdrücke, Telefonnummern, Adressen, Nicht-Amazon-URLs, Videos mit Wasserzeichen , fremdsprachlichen Inhalt  und Inhalte anderer Personen”. Subjektiv ist hier allenfalls der Begriff “vulgär”.

  • Hassrede und beleidigender Inhalt

“Hate speech” (Hassrede) ist gegen bestimmte Gruppen von Menschen gerichtet – Amazon führt hier explizit “Rasse, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung und Nationalität” auf.

  • Werbeinhalte

Autoren und deren Familienmitglieder oder enge Freunde dürfen eigene Bücher nicht besprechen und Bücher anderer Autoren nicht negativ. Außerdem dürfen sie den “Hilfreich”-Button nicht anklicken. Wenn Sie den Verdacht haben, dass negative Rezensionen von anderen Autoren kommen, haben Sie allerdings ein Beweis-Problem.

Was die Rezensions-Richtlinien nicht verbieten

  • Spoiler

Hinweise zur Handlung verbieten die offiziellen Rezensions-Richtlinien nicht. In der Hilfefunktion von Author Central ist das noch anders zu lesen, doch diese basieren offenbar nicht auf der letzten Version der Richtlinien.

  • Herabsetzende Meinungen

Kunden dürfen Ihre, wie Amazon es formuliert, “Expertise in Frage stellen”. Auch in scharfem Ton, solange dies “in einer nicht bedrohlichen Art und Weise geschieht” oder, siehe oben, obszöne oder vulgäre Begriffe benutzt werden.

Was Recht und Gesetz verbieten

Eine Leserbewertung stellt eine öffentliche Meinungsäußerung dar. Insofern können Sie daran natürlich dieselben rechtlichen Maßstäbe legen wie an jede andere Meinungsäußerung. Auch wenn es sich dabei um ein hohes Rechtsgut mit verfassungsmäßigem Rang handelt, gibt es doch Einschränkungen, die Rezensenten beachten müssen und auf deren Einhaltung Sie als Autor ein Recht haben.

Dabei gibt es grob gesagt zwei Kategorien von Einschränkungen. Die erste kommt aus dem Strafrecht: Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede sind Straftaten. Üble Nachrede stellt eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung gegenüber Dritten dar (also etwa allen Amazon-Nutzern), von der nicht klar ist, ob sie wahr ist (“Der Autor ist ein Plagiator”). Eine Verleumdung liegt vor, wenn jemand eine ehrverletzende Behauptung über Sie aufstellt, obwohl er weiß, dass diese nachweislich falsch ist (“Der Autor ist ein Plagiator”, wenn Sie zuvor in einem Plagiats-Prozess freigesprochen wurden). Eine Beleidigung ist am schlechtesten zu definieren. Es handelt sich um einen Angriff auf den Ihnen zustehenden Anspruch, nach Ihrem Wert behandelt zu werden. “Schwein”, “Idiot” können Beleidigungen sein – aber auch, geduzt zu werden.

Aber Achtung: dabei geht es immer um Sie, um den Autor. Nicht um das Buch. “Die Autorin ist dumm” kann eine Beleidung sein. “Ein abgrundtief mieses Buch, das schlechteste, das ich je gelesen habe” ist keine.

Alle drei Sachverhalte sind strafbar. Sie werden als solche verfolgt, wenn Sie Anzeige erstatten. Der Amazon-Support kann und darf hier nicht als Richter tätig werden (wenn nicht zusätzlich auch Rezensions-Richtlinien verletzt werden). Grundsätzlich müssen Sie den Vorgang dokumentieren (Screenshots!), zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Das kostet Sie nichts, Sie brauchen auch keinen Anwalt. Meines Wissens hat das bei einer Leser-Rezension zwar noch niemand probiert, aber es gibt immer ein erstes Mal.

Die zweite Kategorie bezieht sich speziell auf den Fall, dass ein anderer Autor negative Rezensionen Ihrer Werke verbreitet. Dann könnten Sie sich auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb berufen (UWG). Allerdings brauchen Sie hier dann schon einen Anwalt, der von Amazon mit einer durchdachten Begründung die Herausgabe der Daten des Konkurrenten verlangen muss. Von sich aus darf das Unternehmen diese Daten schon aus Datenschutzgründen nicht herausgeben.