Ein neues Medium wie das eBook kann eine ganze Menge verändern: Nutzungsgewohnheiten und Geschäftsmodelle ganz sicher, bei der Digitalisierung des Buches erwarten manche sogar, dass sich Strukturen und Inhalte erweitern könnten (ich bin da ausnahmsweise skeptisch). Ein aktueller Aspekt dazu ist die Forderung nach Eröffnung eines (oder Ablehnung eines) Zweitmarktes. Elektronische Bücher aus zweiter Hand – das erscheint manchen Akteuren der Branche als Apokalypse.
Bei der Diskussion darüber werden aber gern Argumente durcheinander geworfen, die sich gegenseitig widersprechen. Denn eigentlich hätten Verlage und auch Autoren gern 7 Prozent Mehrwertsteuer auf das eBook, wie sie auch für Bücher berechnet werden. “Das eBook ist ja auch nur eine moderne Art von Buch”, heißt es dann. Auch von mir übrigens. Allerdings klingt es scheinheilig, wenn man bei anderen Fragen dann herausstellt, dass das eBook eben kein Buch sei.
Eine solche Frage ist die nach einem Second-Hand-Markt für elektronische Bücher. Hier sind dann plötzlich die Unterschiede zwischen Buch und eBook wichtig. Dass ein eBook sich nicht abnutze zum Beispiel. Und dass der Kunde eben kein Ding kaufe, sondern eine Lizenz zum Lesen. Ich kann auch dieser Argumentation durchaus folgen – allerdings sollte man die Forderung nach einer ermäßigten Mehrwertsteuer dann auch konsequenterweise aufgeben. Warum sollten Inhaltslizenzen auf diese Weise subventioniert werden?
Sinnvoller fände ich es allerdings, Konsequenz zu zeigen. Wenn wir wollen, dass eBooks Bücher sind (die mit 7 Prozent besteuert werden), dann muss der Käufer damit auch anstellen können, was er mit einem Buch kann. Und dazu gehört nun einmal der Wiederverkauf. Ich glaube nicht, dass dadurch das Abendland zusammenbricht. Ja, Geschäftsmodelle werden sich ändern, das ist in der Geschichte schon öfter passiert. Nach Erfindung des Buchdrucks waren plötzlich die Klosterschreiber arbeitslos, die Bücher zuvor per Hand abgeschrieben haben.
Die Angst, das Geschäftsmodell des BuchVERKAUFS durch Verlage könnte dadurch scheitern, halte ich aber für übertrieben. Denn das eBook hat auch einen Vorteil: durch seine elektronische Gestalt können die Besitzer der Inhalte, also Autoren (und zum Teil Verlage, wenn wir von der Gruppe der Verlagsautoren sprechen) darüber mitbestimmen, wie ein Zweitmarkt aussehen könnte. Statt in Vezweiflung auszubrechen und jeden Schritt in diese Richtung reflexhaft abzulehnen, sollten gerade Autoren überlegen, wie ein Zweitmarkt aussehen kann, der ihnen nicht die Lebensgrundlage raubt.
Deshalb hier ein Vorschlag, wie eine technische Umsetzung aussehen könnte. Grundlage müsste eine Datenbank sein, in der Rechteinhaber (Autoren oder Verlage) über die ISBN identifizierbare Werke einspeisen, für die sie einen Weiterverkauf erlauben. Nur dort enthaltene Titel wären für einen Second-Hand-Markt zugelassen. Betreiber der Datenbank könnte die VG Wort sein – oder aber die Börsenvereinstochter MVB, die ja eh schon die ISBN-Vergabe betreut. Die Märkte selbst werden aber vom Datenbank-Betreiber nicht organisiert – das wäre Aufgabe privater Anbieter. Diese wären auch für die Registrierung der Lese-Lizenzen bei ihren Nutzern zuständig. De facto machen das alle bereits, Amazon, Tolino, Apple, Google, alle verwalten in ihren jeweiligen Clouds Leselizenzen, auch für Werke, die nicht kopiergeschützt sind. Es müssen also keine neuen Datenkraken gezüchtet werden. Einziger Unterschied: für jeden Weiterverkauf wird ein Anteil an den Rechteinhaber ausgeschüttet.
Da die Anbieter der Preisbindung unterliegen und eBooks ja immer neu bleiben (einer ihrer Vorteile), ist auch kein Preisverfall zu befürchten, wie er von den Gegnern des Second-Hand-Marktes als Drohkulisse aufgebaut wird. Der einzige Unterschied zum Erst-Markt: die Leselizenz wandert von Nutzer zu Nutzer statt dass sie neu erzeugt wird. Der Verkäufer bekommt weniger als den Neupreis ausgezahlt, weil ja Gebühren an die Verkaufsplattform und den Rechteinhaber abgehen.
Warum sollte ein Rechteinhaber überhaupt Werke in den Zweitmarkt einstellen? Ob ein eBook für den Weiterverkauf zugelassen ist, könnte ein interessantes Verkaufsargument sein, wie es heute z.B. schon die DRM-Freiheit darstellt. Die Einnahmen aus dem Zweitverkauf wären geringer, aber das gilt bei gedruckten Büchern noch viel mehr: Dort sind sie gleich Null. eBooks würden von den Nutzern noch besser akzeptiert und hätten eine Chance, mit 7 Prozent Mehrwertsteuer abgerechnet zu werden. Der Markt insgesamt würde profitieren, nicht sterben. Gerade Autoren, glaube ich, sollten die Zukunft nicht fürchten, sondern mitgestalten.