Mein erster Verlags-Vertrag: Drei Fragen, die Sie klären sollten

Gerade derzeit kommen sie wieder, die freundlichen E-Mails: “Ihre Bücher würden sehr gut in das Programm von … passen. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnten…” Die meisten Publikumsverlage, aber auch Amazon Publishing, gehen inzwischen von sich aus aktiv auf erfolgreiche Selfpublisher zu – eine Nummer-1-Position ist dazu längst nicht mehr nötig, solange das veröffentlichte Buch offenkundig von professionellem Anspruch zeugt.

So eine Anfrage ist also auf jeden Fall Grund zu Freude, ganz egal, wie Sie zum Abschluss eines Verlagsvertrages stehen, denn sie signalisiert ein absolut ernst gemeintes Kompliment. Wie Sie dann weiter vorgehen, das sollten Sie allerdings von den Antworten auf drei wichtige Fragen abhängig machen, die Sie dringend klären müssen. Als da wären:

Was will der Verlag?

Mal davon abgesehen, dass der Verlag natürlich wie jedes Wirtschaftsunternehmen Geld verdienen will – was will der Verlag konkret von Ihnen? In jedem Fall Nutzungsrechte (denn das Urheberrecht können Sie ja nicht verkaufen). Sie müssen klären, welche Rechte Sie dem Verlag überlassen sollen. Im Normvertrag des VS können Sie nachsehen, was alles möglich ist.

Der Vertrag, den Ihnen der Verlag dann irgendwann zuschickt, ist zunächst aber nur als Angebot zu verstehen. Alle Paragraphen lassen sich anpassen. Sie wollen die Auslandsrechte lieber einer Agentur übergeben? Dann streichen Sie §2, Absatz 1, Punkt d. Audible hat längst wegen der Hörbuchrechte angefragt? Dann lassen Sie  §2, Absatz 1, Punkt g weg (jeweils auf den Normvertrag bezogen).

Manchmal gehen die Verlage aber auch vorsichtiger zu Werke und wollen zunächst nur Ihre E-Book-Nutzungsrechte übernehmen. Dann müssen Sie klären, was mit den anderen Rechten passiert. Dürfen Sie das Taschenbuch selbst veröffentlichen – oder behält sich der Verlag diese Option offen, falls sich Ihr E-Book gut verkauft? Für jedes Recht, das Ihnen der Verlag blockiert, sollte er an anderer Stelle (etwa beim Honorar) entgegenkommen. Ein paar Punkte aus dem Kleingedruckten, die Sie sich ansehen sollten:

  • Konkurrenzausschluss: Manchmal finden sich Klauseln, die Ihnen untersagen, ein Werk im gleichen Genre anderswo herauszubringen. Unbedingt streichen lassen.
  • Vorkaufsrecht: Der Verlag bittet sich aus, ein neues Werk zuerst ihm anzubieten. Das ist akzeptabel, solange frei verhandelt werden kann. Sie dürfen dann den Verlag wechseln, wenn Ihnen die Bedingungen nicht zusagen.
  • Laufzeit des Vertrags: Nach wie vielen Jahren fallen die Rechte an Sie zurück? Bei Belletristik sind zehn Jahre nicht unfair, sieben Jahre wären besser.
  • Nebenrechte: Oft sichern sich die Verlage auch alle möglichen anderen Rechte, etwa für die Hörbuchfassung, die Verfilmung und so weiter. Überlegen Sie, was Ihnen persönlich wichtig ist. Filmrechte selbst zu verkaufen, ist nicht jeder Autor*in Sache. Aber wenn Sie selbst Ambitionen haben, Drehbücher zu schreiben, könnte das vielleicht ein Grund sein, die Klausel zu streichen.
  • Leistungen des Verlags: Was darf (oder muss) der Verlag für Ihr Buch tun? Bei einer Neuveröffentlichung sollten Lektorat, Covergestaltung und Layout selbstverständlich vom Verlag übernommen werden. Ist Ihr Buch bereits etwa als E-Book erfolgreich, können Sie das Lektorat auch streichen. Die gesparten Kosten könnten dann ein höheres Honorar rechtfertigen. Hier ist aber auch interessant, welche Marketingmaßnahmen der Verlag plant.
  • Rechte des Verlags und der Autor*innen: Wer darf den Namen des Buches bestimmen, wer entscheidet über das Cover? Wie viel kreative Kontrolle bleibt Ihnen? Wer legt den E-Book-Preis fest? Auch das kann im Vertrag festgehalten werden. Wenn es noch keine derartige Klausel gibt – fügen Sie sie ein: “Der Buchtitel wird von … festgelegt”.

Was zahlt der Verlag?

Das Honorar kommt im Normvertrag relativ spät zur Sprache. Was gut für Sie ist, ist pauschal schwer zu sagen. Dazu müssen Sie wissen, dass sich das Honorar normalerweise aus einem prozentualen Anteil am Buchverkauf und einer Garantiesumme (nicht rückzahlbarer Vorschuss) zusammensetzt. Je höher der Vorschuss, desto höher ist das Risiko, das der Verlag übernimmt, denn selbst wenn nur ein Exemplar Ihres Buches verkauft wird, erhalten Sie den vereinbarten Betrag. Will ein Verlag gar keinen Vorschuss zahlen, heißt das im Umkehrschluss, dass er kein Risiko übernehmen will. Falls Sie aber sowieso das Risiko selbst tragen sollen, warum dann nicht gleich selbst veröffentlichen?

Aus dem Vorschuss und dem prozentualen Anteil können Sie errechnen, welche Verkäufe der Verlag mindestens erwartet. Bei 5000 Euro Vorschuss, zehn Prozent vom Netto-Verkaufspreis und zehn Euro Buchpreis muss der Buchhandel mindestens 5400 Exemplare absetzen, damit der Verlag Ihren Vorschuss hereinbekommt. Erst wenn mehr verkauft wird, erhalten Sie weitere Zahlungen.

Der Verlag hat bei dieser verkauften Auflage aber noch nichts verdient, denn er muss ja auch noch seine Gemeinkosten, Druck, Produktion und Lektorat bezahlen. Falls Sie einen sehr hohen Vorschuss durchgesetzt haben, am Ende aber zu wenig verkauft wird, wird der Verlag dann kaum ein weiteres Buch von Ihnen haben wollen.

Übliche Honorare sind (jeweils auf den Nettoverkaufspreis bezogen):

  • 5 bis 8 Prozent beim Taschenbuch (evtl. auflagenabhängig)
  • 8 bis 12 Prozent beim Hardcover
  • 25 bis 35 Prozent beim eBook
  • 30 bis 50 Prozent beim eBook bei reiner eBook-Veröffentlichung

Achtung, manchmal wird das Honorar in Prozent vom Buchhandelsabgabepreis angegeben, das wären 30 Prozent weniger als der Netto-Verkaufspreis. 10 Prozent vom Buchhandelsabgabepreis entsprechen 7 Prozent vom Nettoverkaufspreis!

Eine weitere wichtige Frage wird gleich im ersten Satz von Paragraph 2 des Mustervertrags geklärt: Wie lange soll er gelten? Der Vorschlag lautet hier “für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts” – das wären 70 Jahre nach Ihrem Tod. Hier können Sie durchaus einen kürzeren Zeitraum wählen – etwa zehn oder sieben Jahre. Ein Roman wird ja nicht so schnell schlecht – auch wenn er sich zwei Jahre nach Erscheinen im Buchhandel meist kaum noch verkauft. Von der vereinbarten Frist unabhängig können Sie gewährte Rechte übrigens nach mindestens zwei Jahren zurückfordern, wenn diese vom Verlag nicht genutzt werden.

Was bietet der Verlag?

Das ist nicht dasselbe wie Frage 2 – es ist das Wesen eines Verlags, dass er mehr bietet als ein Selfpublishing-Dienstleister. Immer inklusive (und selbstverständlich) sollte ein Lektorat sein. Manche E-Book-Label großer Verlage verzichten neuerdings auf das Lektorat und bieten nur noch ein Korrektorat an – m.E. ein Schritt in die falsche Richtung, zumal dort dann auch meist kein Vorschuss gezahlt wird. Wenn der Verlag so wenig Risiko zu tragen bereit ist, können Sie im Grunde beim Selfpublishing bleiben.

Interessant wird es beim Marketing. Was tut der Verlag für Ihr Buch? Standard ist, dass Sie in die Vorschau aufgenommen werden und dass sich die Presseabteilung um Sie kümmert. Aber wie sieht es mit Werbung für Ihr Buch aus? Als Verlags-Neuling werden Sie selten ein riesiges Werbebudget bekommen. Aber eine Social-Media-Kampagne? Eine Buchung bei Vorablesen.de? Oder auch eine Lesereise? So etwas sollte möglich sein. Die meisten Verlage freuen sich, wenn Sie dazu eigene Ideen mitbringen!

Der (leider nicht häufig zu findende) Idealfall wäre, dass der Verlag ein längerfristiges Interesse an Ihnen als Autor*in mitbringt. Dass er Sie aufbaut, Sie in Ihrer Karriere unterstützt. Ob das der Fall ist, erfahren Sie nur im persönlichen Gespräch mit dem Lektorat, noch besser: mit dem Verleger oder der Verlegerin. Hat man auch an Ihren künftigen Projekten Interesse? In Verträgen lässt sich ein solches Engagement kaum niederlegen – da werden Sie nach Gefühl entscheiden müssen.