In den letzten Tagen sorgte eine kurze Notiz im Börsenblatt für erhebliche Unruhe unter Autoren. Für eBooks, hieß es da, stünde demnächst eine obligatorische Alterseinstufung an, und zwar mit erheblichen Konsequenzen. Schaut man sich die Problematik genauer an, wird klar, dass derzeit noch gar nichts klar ist. Es lassen sich aber ein paar Abgrenzungen treffen, Mitspieler benennen und Irrtümer ausräumen.
Worum geht es?
Es geht um die Einstufung von elektronischen Büchern. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) ist der Ansicht, dass eBooks Telemedien im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags von 2003 sind. Diese Auffassung wird offenbar vom Justiziar des Börsenvereins geteilt.
Was müssen Anbieter von Telemedien leisten?
Gewerbsmäßige Anbieter von Telemedien müssen einen Jugendschutzbeauftragten benennen. Sie müssen ihre Angebote nach den Abstufungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags klassifizieren (dieser kennt “absolut verbotene”, “relativ verbotene” und “entwicklungsbeeinträchtigende” Inhalte) und den Zugriff je nach Klassifikation beschränken.
Als Telemedien gelten derzeit vor allem Webseiten. Die Einstufung wird hier von den Anbietern selbst vorgenommen. Der Vergleich mit USK (für Software) und FSK (für Filme) ist an dieser Stelle nicht gerechtfertigt – dort übernehmen externe Anbieter die Klassifikation gegen Gebühr. Das ist für eBooks nicht zu erwarten (und wäre bei 130.000 Neuerscheinungen im Jahr auch ganz und gar nicht praktikabel). Ein eigenes Label für eBooks wird es ebensowenig geben wie für Websites.
Wie könnte eine Umsetzung für eBooks aussehen?
Der Börsenverein plant offenbar, die Kennzeichnung als obligatorisches Feld ins Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) aufzunehmen. Doch das ist nur die eine Seite – ein Großteil der eBooks erscheint nie im VLB, und über die Umsetzung der Einschänkungen durch die eigentlichen Anbieter sagt das noch gar nichts aus. Hier sind die drei Stufen nach dem JMStv entscheidend:
Absolut unzulässige Angebote (Volksverhetzung, Kinder-, Jugend-, Gewalt- und Tierpornografie…) dürfen überhaupt nicht verbreitet werden – diese Inhalte verbietet in der Regel auch das Strafgesetzbuch.
Relativ unzulässige Angebote (Pornografie, indizierte und schwer entwicklungsfährdende Inhalte) dürfen nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden, und zwar mittels eines zugelassenen Altersverifikationssystems. Eine simple Angabe in den AGB (“Wir verkaufen nur an Erwachsene”) reicht hier nicht.
Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote sind laut Gesetz “Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen”. Dazu gehören etwa nicht-pornografische erotische Darstellungen; weitere Beispiele finden Sie hier. Solche Angebote dürfen nur so verbreitet werden, dass die betroffene Altersstufe sie “üblicherweise nicht wahrnimmt”. Das kann etwa über eine Alterskennzeichnung erfolgen, die von Jugendschutz-Software ausgewertet wird, aber auch durch eine Personalausweis-Abfrage oder eingeschränkte Verfügbarkeits-Zeiten (22 bzw. 23 bis 6 Uhr).
Welche Probleme erwachsen für Autoren daraus?
Für die Umsetzung sind die Inhalte-Anbieter zuständig, also in der Regel die Online-Shops. Autoren müssen mit zwei Konsequenzen rechnen.
Zum einen wird die Sichtbarkeit einschlägiger Titel bei den eBook-Plattformen sinken. Ein eBook-Händler, der sich an die Bestimmungen hält, kann Erotik-Titel dann nicht mehr einfach nur in eine eigene Rubrik auslagern und in der Suche ausklammern. DVDs mit FSK-18-Auszeichnung liefert Amazon z.B. nur gegen persönliche Übergabe bei Vorlage eines Ausweises aus.
Zum anderen wird aber auch der eigenständige Vertrieb der eBooks wesentlich erschwert – wer eBooks mit jugendgefährdendem Potenzial über seine Website verkauft, egal ob Autor oder Kleinverlag, müsste in Zukunft einen Jugendschutzbeauftragten bestellen. Dazu gibt es für Website-Betreiber bereits Angebote – pro Domain müssen Sie mit etwa 10 Euro im Monat rechnen.
Sekundär sind allerdings noch weitere Auswirkungen zu befürchten. Je umständlicher der Erwerb eines eBooks ist, desto eher weichen Nutzer auf illegale Angebote aus. Da deutsche Gesetze nur für Anbieter mit Sitz in Deutschland gelten, erhalten internationale Plattformen zudem einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Und schließlich wird durch die offensichtliche Ungleichbehandlung von Buch und eBook eine junge, vielversprechende Technik in ihrer Entwicklung behindert. Der Selfpublisher-Verband setzt sich deshalb für eine rechtliche Gleichstellung von Buch und eBook ein.
Wie geht es weiter?
Entschieden ist noch nichts. Die FSM wird das Thema in Kürze mit den Branchen-Beteiligten diskutieren, mit dem ausdrücklichen Ziel, ein sinnvolles, praktikables und rechtssicheres Modell für den Jugendschutz bei eBooks zu finden. Als Zeitrahmen wird offenbar eine Umsetzung bis 2017 angepeilt.