Der Verkaufsrang bei Amazon wird einzig und allein von den Verkaufszahlen eines eBooks bestimmt. Richtig? Darüber waren sich jedenfalls bisher die Experten einig. Demnach spielen weder der Preis eine Rolle noch die Klicks auf eine Buchseite. Dass sich Ränge trotzdem nicht eindeutig aus den Verkaufszahlen berechnen lassen, liegt zum einen an unbekannten Variablen (wie lange spielen frühere Verkäufe eine Rolle, und welche?), zum anderen natürlich an der Konkurrenz, die ebenfalls mal mehr und mal weniger verkauft.
Ist das alles? Eine spannende Theorie stellt die amerikanische Autorin Rachel Aaron in ihrem Blog auf: Rachel glaubt aus dem Startverlauf ihres neuen Buches Hinweise darauf gefunden zu haben, dass der Amazon-Algorithmus eine weitere Komponente besitzt. Der Computer schätzt demnach aus den objektiv ablesbaren Voraussetzungen (Bewertungen, Kategorie, Preis…) ab, wo etwa ein eBook landen könnte. Dabei geht der Algorithmus stufenweise vor – etwa wie ich mir die Arbeitsweise eines Schwimmtrainers vorstelle. Wenn ein neuer Sportler zur Gruppe kommt, schaut ihn sich der Trainer an: Wie groß ist er, wie trainiert wirkt er? Dann wird der Neuling erst einmal mit ein paar anderen ins Wasser geworfen, die der Trainer für ähnlich leistungsfähig hält. Krault der Neuling seinen Kollegen davon, kommt er in die nächsthöhere Gruppe. Schwimmt er zu langsam, fällt er in eine schwächere Gruppe zurück.
Jedenfalls, und das ist der Punkt, muss der Neue bis dahin gar nichts geleistet haben. Er muss nicht ganz unten anfangen. Bringt er ein paar Muskelpakete mit, braucht er nicht erst bei den lahmen Enten am Ende mitzuschwimmen. Genau so arbeitet (vielleicht) auch der Amazon-Algorithmus. Wenn ein neues Buch genügend Muskeln mitbringt, sortiert er es zunächst irgendwo ein, sagen wir zwischen 1500 und 2000. Erbringt es mit der dadurch gegebenen Sichtbarkeit die versprochene Leistung, wandert es in eine höhere Gruppe. Das geht so lange weiter, bis das Werk sein Potenzial ausgeschöpft hat, also eBooks auf ähnlichen Rängen nicht mehr davoneilt. Das Ergebnis ist ein stufenartiger Verlauf des Rankings, den Aaron sehr schön bei ihrem Buch verfolgt hat.
Ist dieser Algorithmus tatsächlich am Werk? Ich war natürlich sehr neugierig, das an meinen Amazon-Top-1000-Daten auszuprobieren. Das erwies sich als gar nicht so einfach, denn die Auswirkungen des Algorithmus werden schnell von anderen Effekten verdeckt: Preisaktionen etwa durchbrechen diese Folge, und Autoren mit vielen Fans schießen neue Werke in drei Tagen in die Top 100, sodass der Algorithmus gar nicht mehr zupacken kann. Zudem ist nach 30 Tagen stets Schluss, dann bleibt jedes eBook sich selbst überlassen.
Am einfachsten ist die Treppenstruktur noch bei Krimis zu finden. Liebesromane werden ganz schnell zum Hit (oder gar nicht), aber Krimis entwickeln sich langsam und stetig. Und wirklich konnte ich bei einigen Krimis ähnliche Entwicklungen feststellen (siehe Bild) wie Rachel Aaron.
Kann man das als Autor irgendwie für sich nutzen?
Jein. Natürlich muss man dem Amazon-Algorithmus Raum zum Angreifen geben, indem man ein sehr gutes Buch abliefert, das schnell mit guten Rezensionen belohnt wird. Aber das garantiert natürlich rein gar nichts. Andererseits hat ein tolles Buch dem Verkauf noch nie geschadet. Also ist die Schlussfolgerung ganz simpel: Schreiben Sie ein gutes, professionelles Buch und verschaffen sie ihm schnell Rezensionen. Dazu brauchen Sie nicht die Verwandtschaft anzuheuern (Gefälligkeitsrezensionen fallen Ihnen irgendwann auf die Füße) – nutzen Sie etwa Leserunden auf Lovelybooks oder Whatchareadin oder Giveaways bei Goodreads.
An dieser Stelle interessieren mich natürlich Ihre eigenen Erfahrungen: Haben Sie diesen Treppen-Effekt ebenfalls schon verzeichnet?