Autoren-Tipp: Worüber soll ich schreiben?

(Bild: Olly18 / Depositphotos.com)

Viele Autoren stellen sich die Frage, worüber sie schreiben sollen. Mein erster, wenig sympathischer Impuls darauf: »Wenn ihr das nicht wisst, Leute, dann schreibt nicht, denn offenbar treibt euch nichts um.« Dann sehe ich mir die Frage genauer an und suche nach der echten Frage dahinter. Im Kern schreiben wir alle über uns selbst – und sind dabei in guter Gesellschaft, denn auch die Leser beziehen ja alles, was sie lesen, auf sich selbst, machen einen Roman zu ihrem Roman, ja, machen erst den Roman.

Wenn wir über uns selbst schreiben, reduziert sich die Frage zu dieser: »Worüber in meinem Leben und in mir selbst soll ich schreiben?«

Doch diese Frage bleibt auf uns beschränkt. Wenn wir nur davon ausgehend schreiben, entstehen autobiografische Texte, die für andere Leser als uns selbst weniger interessant und schon gar nicht aufregend sind. Ausnahmen sind die Texte von den großen Meistern unter den Schriftstellern, die, obwohl auch literarisch in ihrem eigenen Leben gefangen, große Literatur zuwege bringen.

Wenn Sie wie ich zu den gewöhnlichen Autoren gehören, talentiert sind, aber nicht genial, diszipliniert sind, aber nicht besessen, ideenreich, aber nicht überbordend wahnsinnig, dann brauchen Sie eine Geschichte, die Ihre Autobiografie zumindest verhüllt oder, besser noch, eigenständig funktioniert. Was Sie wieder zurück zu Ihrer Frage bringt: »Worüber außerhalb von mir, außerhalb meines Lebens soll ich schreiben?«

Wo ist es auf unserem Planeten am spannendsten? Geologisch gesehen dort, wo die Erdplatten aufeinandertreffen, wo sich Spannungen aufbauen und in Erdbeben entladen, wo sich Magma aufstaut und als Lava aus Vulkanen explodiert. Politisch gesehen dort, wo Kriegsgegner aufeinanderprallen, wo Ländergrenzen gewaltsam verschoben werden und Flüchtlingsströme und Epidemien bewältigt werden müssen. Sozial da, wo die Lebensgewohnheiten und Ansichten von Menschen auf die anderer Menschen stoßen, sich aneinander reiben, womöglich aneinander zerbrechen. Interpersonal bei Beziehungen zwischen Menschen, die sich durch Herkunft, Hautfarbe oder Lebenseinstellungen unterscheiden. Psychologisch gesehen dort, wo zwei Seelen in der Brust eines Menschen leben, wo er vor einer schwierigen, ja, unmöglichen Entscheidung steht, deren Konsequenzen ihn den Rest seines Lebens verfolgen werden.

Solche Spannungsfelder finden sich beispielsweise bei Autoren, die als Einwanderer in ein fremdes Land kommen oder in zwei kontrastreichen und zum Teil konfliktären Umfeldern aufwachsen, etwa der türkischen Familie in Deutschland. Nicht von ungefähr ziehen viele bekannte Autoren daraus ihre Inspiration und ihre Geschichten, etwa Jhara Lumpari, Hanif Kureishi, Zadie Smith, Feridun Zaimoǧlu oder auch Filmemacher wie Faith Akin.

  • Suchen Sie sich für Geschichten solche Spannungsfelder und Sollbruchstellen jeglicher Art, und Sie haben den Ausgangspunkt oder das Umfeld für mitreißende Konflikte.
  • Finden Sie solche Stellen in Ihrem eigenen Leben, wo Träume zerplatzt und Beziehungen zerbrochen sind, wo Wege verschüttet wurden, wo Sie sich alleingelassen fühlten, unverstanden, Stellen, wo Sie schäumten vor ohnmächtigem Zorn, wo Sie aufgaben, umkehrten, neu anfingen.
  • Suchen Sie zu jeder Niederlage einen Sieg oder zumindest die Hoffnung auf Besserung, stellen Sie jedem negativen Gefühl ein positives gegenüberm, kontrastieren Sie jedes Schlüsselereignis, schwelgen Sie in diesen erinnerten Gefühlen und melken Sie jede starke Emotion.
  • Entdecken Sie den emotionalen Unterbau, das Wissen und die Leidenschaft, um diese Konflikte auf Ihre ganz und gar persönliche Art auszugestalten, zu dramatisieren, zu eskalieren, zu lösen.

Extra-Tipp: Fangen Sie erst dann mit dem Schreiben an, wenn die Geschichte Sie in helle Aufregung versetzt, wenn die Charaktere aus Ihrem Leben nicht mehr weggehen, wenn der Drang zu erzählen übermächtig wird. Gutes Schreiben entlädt sich wie Magma bei einem Vulkanausbruch. Wenn Sie nicht für die Geschichte brennen, wieso sollte es der Leser tun?

Stephan Waldscheidt

 

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