Erfolg nur mit 99 Cent? Was Bestsellerlisten leisten – und was nicht

Heute kosten 45 der E-Books in den Amazon-Top-100 nur 99 Cent, also beinahe die Hälfte. Das könnte zu der Annahme verleiten, dass Erfolg bei E-Books nur mit einem besonders niedrigen Preis möglich sei. Aber stimmt das wirklich? Wer ökonomisch denkt (und das sollte ein Selbst-Verleger eigentlich), muss sich dazu überlegen: Was ist Erfolg?

Erfolg im wirtschaftlichen Sinne bedeutet, mehr Einnahmen zu erwirtschaften als Ausgaben angefallen sind. Die Ausgaben (Lektorat, Cover und so weiter) sind fix, lediglich an den Ausgaben für die E-Book-Vermarktung können wir schrauben. Die Einnahmen richten sich nach genau zwei Faktoren: den Verkaufszahlen und dem Preis. Die Verkaufszahlen wiederum werden von der Sichtbarkeit eines Titels bestimmt, also davon, wie bequem potenzielle Käufer ein Buch finden.

Sichtbarkeit erreichen Bücher bei Amazon auf sechs Wegen (hinzu kommt als siebenter noch die externe Sichtbarkeit, wenn Sie etwa auf Ihrer Website oder auf Facebook direkt für Ihr Buch werben)

  1. Top 100 – Gesamt- oder Rubriken-Bestenliste. Kriterien: Verkaufs- und Leihzahlen über 48 Stunden.
  2. Beliebtheitsranking. Kriterien: Verkaufs-Umsatz (!) über 30 Tage.
  3. “Kunden kauften auch”-Einträge bei anderen Büchern. Kriterien: Ähnlichkeit.
  4. Werbe-Aktionen (Kindle-Deals). Kriterien: Auswahl durch Amazon.
  5. Suchfunktion. Kriterien: Titel, Beschreibung, Keywords, Beliebtheit.
  6. Kindle Unlimited / Kindle-Leihbücherei. Kriterien: Verkaufs- und Leihzahlen, hoher Preis.

Dass Käufer bei geringeren Preisen lieber zugreifen, ist nachvollziehbar. Allerdings spielen die reinen Verkaufszahlen nur bei Weg 1 die entscheidende Rolle. Bei Nummer 2, aber auch bei der Suche ist das Beliebtheitsranking wichtiger, in das der Umsatz einfließt. Und auch in KindleUnlimited werden teurere Bücher öfter geliehen als billigere.

Deshalb verwundert es nicht, dass in der Umsatzstatistik ganz vorn nicht die 99-Cent-Titel auftauchen, sondern die E-Books zu 2,99 / 3,99 Euro und die zu 8,99 €. Unter 2,99 € und über 9,99 € zahlt Amazon nur 35 Prozent, man muss also von einem 99-Cent-E-Book sechs Mal mehr verkaufen als von einem Titel für 2,99 Euro, um auf denselben Umsatz zu kommen.

Natürlich ist eine temporäre 99-Cent-Aktion in vielen Fällen trotzdem sinnvoll. Der genaue Anteil der sechs Wege ist zum Beispiel von Genre zu Genre unterschiedlich. Eine Platzierung in den Top 100 nutzt vor allem den Standard-Genres (Liebe, Krimi, Fantasy), weil die Leser der anderen Genres es sowieso nicht gewohnt sind, dort nach Lesestoff zu suchen. Und ganz ohne initiale Verkäufe wird auch kein Titel das Beliebtheitsranking erreichen. Und als neuer Autor werde ich nicht dieselben Preise aufrufen können wie ein Bestseller-Autor, der schon eine große Fanbasis besitzt. Die Marketing-Strategie muss eben zum Buch passen – nicht notwendigerweise dazu, was die anderen tun.