Der zweite Teil von Albert Knorrs Marketing-Tipps. Nachdem Sie gestern von Leseratten und Leseproben gelesen haben, geht es heute um Schokolade, Promotage und anderes.
Buchregal
Wenn ich Zeit und Kosten der Buchregale berücksichtige, dann waren sie ein katastrophaler Knieschuss in Sachen gelungenes Marketing. Ursprünglich dafür gedacht, die Vielfalt meiner Bücher auf einem Regal im Buchhandel zu präsentieren, verstellen mir die meisten davon mittlerweile die Wohnung. Die Materialkosten liegen bei etwa 150 Euro pro Regal, hinzu kommen ungefähr 6 Stunden meiner Arbeitszeit für Feinschnitt, Zusammenbau und Lackieren. Nicht mitgerechnet sind die diversen Prototypen, die ich im Vorfeld ausprobiert habe, bis ich die optimale Stückliste für den Lasercutter erstellt habe.
Warum sich die Buchregale so schlecht in den Buchhandel integrieren ließen, hat unterschiedliche Gründe. Hauptverantwortlich ist sicher der Umstand, dass mein Timing extrem schlecht war. Zu einer Zeit, in der etwa die Hälfte aller Buchhandlungen vor Ort massiv mit dem Überleben kämpft und Überschüsse remittiert, ist ein weiteres Extraregal, das nur befüllt gut aussieht, nicht unbedingt das, was man im Laden haben möchte.
Die Regalidee funktioniert lediglich in vier Buchhandlungen perfekt, allerdings ist es mir gelungen, drei meiner Regale andernorts (Reisebüro, Videothek, Installateur) unterzubringen. Bleiben aber leider immer noch genug, um mir den Weg ins hauseigene Buchlager zu verstellen.
Leserattenschokolade
Ursprünglich war die Schokolade als Dankeschön für die Buchhändler gedacht, die sich um meine Regale kümmern. Da die Regalidee, wie bereits oben erläutert, nicht so der Bringer war, hat sich der Einsatzbereich verändert.
Vermutlich sind meine Schokoladenmitbringsel die vergänglichsten Visitenkarten der Welt. Obwohl meine Kontaktdaten auf der selbstklebenden Schleife stehen, überleben sie selten länger als ein paar Minuten (so lange dauert es nämlich, die Schokolade aus der unzerreißbaren Schleife zu bekommen).
Hinzu kommt, dass man die Schoko im Sommer temperaturbedingt kaum transportieren kann. Umso besser ist die Wirkung im restlichen Jahr. Vor allem auf der Buchmesse im Herbst lässt sich damit wunderbar punkten. Wenn es um Süßes geht, fällt es den meisten schwer, einen kleinen Gefallen auszuschlagen – sei es die Platzierung eines Buches in der Messebuchhandlung oder eine Leiter, um schnell noch eine Lampe zu montieren. Anders als bei den Babyleserattenzeichen hat fast jeder Verwendung für ein zweites, drittes oder viertes Stück Nougat oder Marzipan.
Goodies / Beigaben zum Buch
Hier lässt sich vereinfacht sagen: je besser die Idee, desto größer der Erfolg. Beigaben sind leider nicht grundsätzlich ein Kaufanreiz, wie meine „goldgelbe Flaschenpost“ im letzten Jahr bewiesen hat. Vor allem die Messebesucher waren wenig angetan vom Zusatzgewicht. Trifft man allerdings den Nerv (wie beim giftgrünen Experiment), dann wird die Neugier der potenziellen Leser ganz schnell zum Selbstläufer. Auf den Wert der Beigabe kommt es dabei viel weniger an als auf den Nutzen für die Leser. Je größer und erkennbarer der Bezug zum Buch ist, umso besser wirken die Beigaben. Am besten lassen sich Goodies mit persönlichem Verkauf kombinieren, denn Buchhandel und Lieferketten sind nicht darauf ausgelegt, diverse Extras zu lagern, zu transportieren oder gar am Point of Sale dem richtigen Buch zuzuordnen.
Man muss sich der Sache selbst annehmen (z. B. in einer Buchhandlung) und dort zu jedem Buch das passende Goodie parat haben. Ich nenne diese Art von Öffentlichkeitsarbeit „Promotage“.
Promotag
Der Erfolg von Promotagen (Promo = Abkürzung für Promotion) lässt sich von allen genannten Maßnahmen mit Abstand am besten messen. Auf den Punkt gebracht läuft ein solcher Tag wie folgt ab: Man kommt frühmorgens mit seinen Büchern in die Buchhandlung und zählt am Ende des Tages, wie viele davon wieder heimgeschleppt werden müssen. Der Rest wurde (hoffentlich signiert) verkauft. Aufwand (überwiegend Zeit) und Ertrag (verkaufte Bücher abzüglich der Provision für die Buchhandlung) können klar gegenübergestellt werden.
Ein Rezept für den perfekten Promotag gibt es nicht. Jedes Mal beginnt man aufs Neue bei 0 verkauften Büchern und muss sehen, was am Ende des jeweiligen Tages rauskommt. Einstellige Tagesergebnisse sind extrem frustrierend, Schwankungsbreiten von über 1000 Prozent möglich und Luft nach oben gibt es immer.
Was die Besucherzahlen betrifft, so sind Völkerwanderungen nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit vielen verkauften Büchern. Das Wetter (in Abhängigkeit von der Lage der Buchhandlung) spielt ebenso eine Rolle wie die Tageszeit, der Tag des Monats (zu Beginn hat man in der Regel mehr Geld = Spielraum für Bücher) und viele andere Faktoren (Weihnachten, Muttertag, ein Bericht in der Zeitung über das Thema des Buchs etc.). Bei Buchhandlungen in grenznahen Einkaufszentren kommt ein entscheidender Punkt dazu: Ungarn, Tschechen und Slowenen sind prima für die Kaufkraft, aber sie interessieren sich nur selten für deutschsprachige Bücher.
Wer jetzt hofft, es würde reichen, sich hinter einen Stapel (hoffentlich eigener) Bücher in eine Buchhandlung zu setzen und mit der Füllfeder zu winken, der irrt. Man muss sich schon deutlich aktiver bemerkbar machen, denn genau das unterscheidet (am Promotag) die eigenen Bücher von allen anderen, die einfach nur „stumm rumliegen“. In der Regel verkaufe ich an Promotagen etwa die Hälfte aller Bücher an Menschen, die eigentlich gar nicht vorhatten, in die Buchhandlung zu gehen. Es lohnt sich also, einen Platz im Eingangsbereich, besser noch vor der Tür zu wählen. Auch, um die Kasse für andere Marketingexperimente aufzufüllen, sind Promotage unerlässlich. Ganz zu schweigen vom Gefühl, wenn man in der Buchhandlung am Ende des Tages 50 Bücher mehr verkauft hat als Dan Brown.
Fazit
Falls der Eindruck entstanden ist, dass meine Marketingexperimente trotz des massiven Kapital- und Zeitaufwands überwiegend positiv verlaufen wären, dann könnte das zwei Gründe haben: Einerseits nutze ich sie alle noch, denn Werbung unterliegt der Mode und die ändert sich ständig. Es lohnt sich also, nicht alles sofort einzustampfen, sondern auch einfach mal nur abzuwarten (wenn man den Platz zum Lagern hat). Andererseits halte ich mich an den Spruch „Jeder Nachteil lässt sich in einen mindestens genauso großen Vorteil verwandeln.“ Oft reicht es, nur wenige Parameter zu ändern, und die Idee an einem neuen Ort oder vor anderem Publikum erneut – und hoffentlich mit mehr Erfolg – zu versuchen.
Sollte sich jemand wundern, warum ich meine Erfahrungen so bereitwillig ausplaudere, möchte ich abschließend noch etwas betonen: Geschätzte 90 % meiner Bücher verkaufe ich durch persönlichen Einsatz. Wer sich ordentlich ins Zeug wirft, wird ähnliche, vielleicht sogar deutlich bessere Ergebnisse erzielen. Marketing hängt beim Eigenverlag in erster Linie vom Autor als Person ab. Mit dem bloßen Beherzigen von Tipps und Tricks kommt man nicht weiter. Mut und Innovationen sind gefragt, je unkonventioneller, desto besser. Bis heute halte ich mich an einen Satz von Albert Einstein, den ich in meinem ersten Buch zitiert habe: Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vorneherein ausgeschlossen erscheint.