Wann beginnt Amazon mit der Zählung der Verkäufe für das Bestseller-Ranking? Der US-Autor Davod Gaughran meint: Wenn das Ranking zum ersten Mal sichtbar ist. Kollege Michael Meisheit beschrieb vergangene Woche in seinem Blog seine Erfahrungen beim Start einer neuen Folge seiner eBook-Serie “Im falschen Film” – und warum er daraus die Schlussfolgerung zieht, dass Gaughran im Recht ist.
Die Zahlen, die Michael Meisheit nennt, scheinen die These zu bestätigen. Und doch gibt es Argumente, die dagegen sprechen: Die Verkäufe werden ja auch schon vor der erstmalige Anzeige eines Verkaufsrangs in KDP registriert. Sie für das Ranking zu ignorieren, wäre ein Bug – den Amazon einfach korrigieren müsste und wohl auch würde. Das ist aber bisher nicht passiert.
Zusammen mit Michael Meisheit und ein paar anderen Kolleginnen und Kollegen (vielen Dank für die Mithilfe!) habe ich die Theorie deshalb noch einmal gründlich getestet. Zwei eBooks mit Dummy-Inhalten, eigentlich nicht zum Verkauf bestimmt, wurden in KDP hochgeladen und mit identischem Preis versehen. Unterschiedlich war nur der Zeitpunkt der Käufe: Bei eBook Nummer 1 erfolgten 15 Käufe, sobald der Titel online war. Titel Nummer 2 hingegen wurde zunächst nur einmal gekauft, damit Amazon das Buch überhaupt mit einem Ranking versah (Bücher ohne Verkäufe bekommen nie ein Ranking).
Das Ergebnis: Als Amazon für Titel Nummer 1 erstmals ein Bestseller-Rang anzeigte, ca. 9 Stunden, nachdem es erstmals online zu sehen war, hatte es einen Verkaufsrang von 1050. Das ist etwas weniger als eigentlich zu erwarten: Mit 12 Verkäufen sollte ein Buch eigentlich die Top 1000 knacken. Es war aber auch nicht so, dass Amazon alle 15 Verkäufe ignoriert hätte.
Titel Nummer 2 brauchte etwa 18 Stunden, bis das erste Ranking erschien (29.500). Danach erfolgten noch 13 Käufe. Das Ergebnis: Das eBook stieg zunächst auf 3479 (9 Verkäufe), dann auf 988 (KDP zeigte zu diesem Zeitpunkt 14 Verkäufe an) und schließlich sogar noch auf Platz 820 (keine weiteren Verkäufe). Diese Platzierung entspricht etwa den Erwartungen an diese Verkaufszahl – sie liegt weder niedriger noch höher.
Wie kommen diese um etwa 20 Prozent unterschiedlichen Ergebnisse zustande? Es liegt an der Dynamik. Amazon vergisst keine Verkäufe, selbst wenn das eBook noch keinen Rang hat. Aber ältere Käufe sind weniger wert als jüngere, sie werden umso mehr abgewertet, je länger sie zurückliegen. Beim ersten Buch waren die Kaufbewegungen schon 12 Stunden alt, als der Rang zum ersten Mal angezeigt wurde. Beim zweiten Buch hingegen waren sie noch ganz frisch. Die Dynamik ist es auch, die es überhaupt erst möglich macht, eine Nummer 1 vom Platz zu stoßen.
Die Dynamik produziert also einen Effekt, der den Anschein erweckt, es würden Käufe wegfallen, die noch hinter verschlossenem Vorhang (ohne Rang) stattfinden. Dabei handelt es sich aber tatsächlich nur um eine Abwertung, die am Alter der Käufe liegt. Derselbe Effekt tritt ein, wenn man bis auf das erste Ranking wartet, dann gleich kauft (Buch geht hoch) und dann 12 Stunden wartet (Buch sinkt wieder ohne Verkäufe). Solange kein Ranking vorhanden ist, erfolgt dieser Vorgang jedoch für den Zuschauer unsichtbar und man erkennt nur das Ergebnis (niedrigeres Ranking).
Fazit wäre dann dasselbe, das auch Michael Meisheit aus seinem Versuch zieht: Autoren sollten erst dann auf ihren neuen Titel aufmerksam machen, wenn das Ranking zum ersten Mal erschienen ist – zumindest aber zwölf Stunden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass ein höheres Ranking (und damit eigentlich bessere Sichtbarkeit) noch hinter dem verschlossenen Vorhang stattfindet.