Vielen muss ich ihn wohl gar nicht vorstellen: Albert Knorr hat schon Self Publishing betrieben, als Amazon noch gar nicht in Deutschland vertreten war. “Wiens Thrillerautor” berichtet regelmäßig auf seiner Website und in der SP-Gruppe bei Facebook von seinen vielfältigen Erfahrungen – was ihm gelungen ist, aber auch, was sich nicht gelohnt hat. Deshalb bin ich besonders froh, das Buchmarketing-Genie überredet zu haben, aus seinem Erfahrungsschatz auszupacken. Ich übergebe hiermit das Wort an Albert…
Marketing beim Eigenverlag
Das Spannende an Werbung ist, dass man bestenfalls hinterher sagen kann, ob und wie sie funktioniert hat. Und selbst dann sind die Ergebnisse selten reproduzierbar. Eine Strategie, die vor zwei Jahren funktioniert hat, ist heute zum Scheitern verurteilt, könnte aber schon morgen wieder einschlagen wie eine Bombe. Oder anders ausgedrückt: Werbung ist nie schlecht, solange man den richtigen Zeitpunkt dafür erwischt. Und die richtige Zielgruppe. Und den richtigen Ort. Und den richtigen Preis. Und…
Gutes Marketing ist weit mehr als Werbung, von der ohnehin jeder übersättigt ist. Als Eigenverleger habe ich einerseits traditionelle Wege versucht, andererseits aber auch eigene Ideen entwickelt und umgesetzt. Einige werde ich erläutern und sowohl gelungene als auch missglückte Beispiele anführen.
Vorab-Leseproben
Als ich 2006 als Autor und Verleger begonnen habe, galten Leseproben im Internet gemeinhin als undenkbar. Autorenkollegen reagierten geradezu panisch bei dem Gedanken, dass Leser vorab einen Blick auf die „geheimen Texte“ werfen könnten. Umso argwöhnischer wurde ich beäugt, als ich verkündete, dass ich die Feedbacks meiner Testleser in meine Bücher einfließen lassen würde. Zu einer Zeit, als Blogs gerade erst im Kommen waren und man Twitter und FB noch nicht kannte, war die Aufmerksamkeit der Internetnutzer leichter zu bekommen. Damals waren meine Leseproben (etwa 100 Buchseiten als Word-File) geradezu verboten verführerisch: Ich lieferte lesbaren Content und zwar gratis!
Zunächst schrieb ich potenzielle Leser per Mail an (im Lauf der Jahre etwa 40.000), später startete ich Testleser-Aufrufe in Foren. Vor allem das Amazon-Forum erwies sich in jenen Tagen als wahre Goldgrube. Binnen weniger Wochen wurde ich von tausenden Interessierten kontaktiert und verschickte meine Leseproben – zu einem großen Teil nach Deutschland. Natürlich lasen nicht alle den Text, nur ein Teil davon schickte mir Feedback, und wieder nur ein Teil davon kaufte später das Buch. Dennoch übertrafen die Absatzzahlen meiner Taschenbücher in Deutschland vom Stand weg die Verkäufe in Österreich.
Wien ist zwar eine Großstadt, doch der heimische Buchmarkt war und ist überschaubar. Dass es mir ohne nennenswerten Kapitaleinsatz gelungen war, deutsche Leser zu akquirieren, machte selbst die skeptischen Kollegen hellhörig. Es sollte nicht lange dauern, und der Damm war gebrochen. Quasi über Nacht wurden die Foren mit Testleser-Aufrufen geflutet. Eine Lehrbuchlektion aus der Nutzentheorie hatte sich praktisch bestätigt: Wenn ein Einzelner im Stadion aufsteht, verbessert er seine Sicht und erhöht seinen Nutzen, aber wenn plötzlich alle aufstehen…
Lesezeichen
Es gab ein Argument, das klar für den Einsatz von Lesezeichen als Flächenwerbung sprach: der Preis. Kein anderes Werbemittel lässt sich so kostengünstig herstellen. In einer Großstadt wie Wien dauert es zudem keine Woche, um 10.000 Postkästen damit zu füllen. Für 10.000 beidseitig bedruckte Lesezeichen waren etwa 120 EUR fällig, dem Postkasten-Spamming stand also nichts mehr im Weg.
Ich will nicht sagen, dass die Verteilung von schätzungsweise 50.000 Lesezeichen gar keine Wirkung erzielt hat, aber messbarer Erfolg sieht anders aus. Wenigstens hatte ich viel Bewegung und fand heraus, wie man Zutritt zu den teilweise elektronisch geschützten Postkästen bekommt, die es in exklusiveren Wohngegenden gibt. Wenn schon kein Verkaufserfolg, dann also zumindest Ideen fürs nächste Buch.
Abseits von überfüllten Briefkästen (die ich seit geraumer Zeit verschone) bieten sich Lesezeichen dank Größe und Gewicht auch als „Visitenkarten“ an. Auf jeder Recherchereise habe ich welche dabei und sogar schon in der jordanischen Wüste neue Leser gefunden. Außerdem hat sich so manche Tür abseits der Touristenpfade geöffnet, als ich mit einem Bündel Lesezeichen auf meine Autorentätigkeit hingewiesen habe. Wer über ein fremdes Land schreibt – noch dazu in einer fremden Sprache – ist ein gern gesehener Gast, wie ich bei mehreren Gelegenheiten erfahren durfte. Neben den 50.000 Lesezeichen, die ich in diversen Postkästen versenkt habe, wurden ungefähr genauso viele persönlich verteilt oder aufgelegt. Der Wirkungsgrad war dabei signifikant höher.
Gedruckte Leseproben
Im Vergleich zu meinen Online-Leseproben, die „nur“ sehr zeitintensiv waren, gingen die gedruckten Versionen richtig ins Geld. Ich reduzierte den Umfang auf 20 Seiten (A5), diese aber farbig und auf Hochglanzpapier gedruckt. Rund 400 Euro fielen für jeweils 2500 Exemplare an, die ich an strategischen Plätzen (Buchmesse, Buchhandlungen, Bibliotheken etc.) positionierte oder verteilte. Um nicht die gesamten Kosten tragen zu müssen, suchte ich mir niveauvolle Werbepartner (andere Autoren, aber auch Firmen), denen ich 4 Seiten in meinen Leseproben zu Werbezwecken überließ. Anders als das großflächige Postkasten-Spamming stellte meine Verteilung an Ausgewählte weitgehend sicher, dass die Zielgruppe passte.
Der große Vorteil an den gedruckten Proben war und ist, dass ich mit ihnen auch Leser erreiche, die nicht internetaffin sind. Die Gefahr von Nachahmern ist geringer, weil die Kosten viele abschrecken. Außerdem finden sich auch abseits der Hotspots immer Gelegenheiten, ein paar Leseproben unters Volk zu bringen. Sei es in der Arztpraxis, im Café oder im nächsten Stau. In Summe dürften es bisher etwa 30.000 Leseproben gewesen sein. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich deutlich mehr Leseproben verteilt habe, als ich Bücher verkauft habe.
Babyleserattenzeichen
Schon sehr früh wurde die Leseratte mein Markenzeichen. Es war also nur eine Frage der Zeit – und des Geldes – bis ich meine ersten eigenen Plüschleseratten in Auftrag gegeben habe. Damit die Verbindung zwischen meinen Büchern und den knuffigen Tierchen sofort ersichtlich ist, dient die Nabelschnur der Babyleseratten als (bedrucktes) Lesebändchen.
Einige Babyleserattenzeichen verkaufe ich, aber der überwiegende Teil dient als Belohnung. Sei es für den Kauf von drei Büchern auf einmal (die Leser freut es) oder als Zeichen der Anerkennung überreicht an einen Buchhändler für besondere Verdienste im Buchhandel.
Die Kosten hängen von vielen Faktoren ab (Größe, Farbe, Lieferzeitpunkt und natürlich Menge), und es empfiehlt sich, schon ein paar Jahre im Voraus zu planen, um nicht an den auftragsbezogenen Fixkosten zu ersticken. Genau kann ich es nicht sagen, aber meine bisherigen Plüschausgaben dürften an der Grenze zur Fünfstelligkeit kratzen. Nur ein Bruchteil davon hat sich durch die oben angesprochenen Verkäufe wieder hereinholen lassen. Der Wiedererkennungswert meines Maskottchens ist allerdings unbezahlbar.
Teil 2 folgt morgen an dieser Stelle.