Der geschätzte Kollege Andreas Winterer fragte mich gestern (im Zuge der Recherche für einen Beitrag im Hyperland-Blog des ZDF, Link folgt!), ob ich das Self Publishing schon für einen Wirtschaftsfaktor hielte. Eine interessante Frage – immerhin wird so viel darüber geschrieben, dass man diesen Verdacht gewinnen könnte…
Ich konnte nicht anders und habe mal nachgerechnet. Natürlich brauchte ich dafür ein paar Annahmen, die ich bewusst konservativ gewählt habe:
- Self Publishing spielt vor allem bei eBooks eine Rolle
- Bei Amazon tummelt sich der Großteil der Selbstverleger
- Amazon hat 40 Prozent Marktanteil am eBook-Markt
Laut Weltbild-Chef Carel Halff hatten eBooks 2012 einen Anteil von 4 Prozent am 4,2 Milliarden Euro schweren deutschen Publikums-Buchmarkt. Das ergibt 168 Millionen Euro Umsatz mit eBooks. 40 Prozent davon dürfte dann Amazon für sich verbuchen – also 67 Millionen Euro.
Wie groß ist der Self-Publisher-Anteil bei Amazon? In den Top 100, die wohl den Löwenanteil des Umsatzes machen, sind etwa ein Drittel der Titel verlagsunabhängig. Allerdings kosten die Indie-eBooks auch deutlich weniger als Verlagstitel, schätzungsweise zwei Drittel weniger. Von den 67 Millionen Euro eBook-Umsatz bleiben also 1/3 * 1/3 = 1/9, das sind rund 7 Millionen Euro.
Bezogen auf den gesamten Buchmarkt spielt das Self Publishing mit 0,17 Prozent also keine wirkliche Rolle. Das ändert sich auch nicht, wenn man die Zahlen großzügig hochsetzt. Lasst es 15, 20 oder 25 Millionen Euro sein – das ist der Jahresumsatz eines kleinen Mittelständlers.
Aber: Diese Rechnung berücksichtigt die Besonderheiten des deutschen Buchmarktes nicht. Durch die Preisbindung braucht der Leser nicht nach dem besten Preis zu suchen. Vielmehr kann er sich sehr frei entscheiden, wo er kauft. Also wählt er den Laden mit dem größten Angebot – und das ist Amazon. Durch KDP und vor allem auch KDP Select findet er dort eine ganze Menge Titel, die er nirgendwo anders kaufen kann und die zudem auch noch sehr günstig sind. Viel-Leser, weibliche Leser, interessiert das besonders – und wer einmal Amazon-Kunde ist, kauft dort auch andere Produkte. Damit wird Self Publishing auf schwer messbare Weise zu einem wichtigen Marketing-Faktor. Amazon hat im Vergleich zur Tolino-Allianz dabei den Vorteil, dass man auf Verlage keine besondere Rücksicht nehmen muss, Amazon ist egal, welches Buch den Umsatz und den Kunden bringt, während sich Tolino nach eigener Aussage zunächst den Verlagen als neuen Vertriebsweg empfehlen will.
Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt: Inzwischen beobachten auch die Verlage das Self Publishing sehr genau und nehmen vielversprechende Autoren, die einen Bestseller gelandet haben, gern unter Vertrag. Das ist eine sichere Bank und erspart die Marktforschung – ist also auch eine Art Wirtschaftsfaktor. Immerhin hat die Shades-of-Grey-Reihe dem Milliardenkonzern Bertelsmann wohl gerade die Jahresbilanz gerettet. Die Self Publisher werden zwar zunehmend selbstbewusster, was ihre Verhandlungsposition stärkt, sie nehmen also nicht mehr jedes Angebot an, nur weil ein Verlagsname darauf steht. Aber trotzdem schätzen sie durchaus den Service, den ein Verlag bieten kann, und sind bei passendem Angebot durchaus zum temporären oder dauerhaften Seitenwechsel bereit.