1998 hatte ein schöner Film mit Tom Hanks und Meg Ryan Premiere. “E-Mail für dich” spielte vor dem Hintergrund eines für die damalige Zeit typischen Vorgangs: Weil eine große Buchkette eine Filiale in der Nähe eröffnet, muss Meg Ryans liebevoll inhabergeführte Buchhandlung schließen.
Tatsächlich hat der Aufstieg von Thalia, Weltbild, Hugendubel und Co. auch in Deutschland zahlreiche kleinere Buchhändler die Existenz gekostet. Während Thalia etwa, die 2005 noch 96 Filialen hatten, bis 2009 auf 238 Filialen expandierte, stellte in den letzten zehn Jahren jede fünfte Buchhandlung ihre Geschäfte ein. Die größten Buchhändler waren 2012 DBH (mit Weltbild, Jokers und Hugendubel 420 Filialen), Thalia (293) und Valora (178) – letztere ein Player, den keiner unter diesem Namen kennt, aber als Bahnhofsbuchhandlung sehr wohl.
Dass die Ketten derartige Erfolge feiern konnten, lag zum einen an ihrer Einkaufsmacht – Thalia war schon weitaus länger als Amazon für hohe Rabattforderungen an die Verlage bekannt. Den Kunden konnten sie zum anderen ein riesiges Angebot ausbreiten, das sofort zum Mitnehmen verfügbar war.
Aber dann kam der Online-Buchhandel. Sofort, immer und überall Bücher aus einem umfassenden Angebot zu kaufen, diesen Leserwunsch konnte Amazon noch viel besser erfüllen als Thalia oder Weltbild. Doch die Online-Händler müssen keine teuren Mieten für riesige Geschäfte in besten Innenstadtlagen zahlen. Sie beschäftigen billige Lagerarbeiter, Buchhändler werden von Algorithmen ersetzt. Und natürlich können sie auf eine enorme Einkaufsmacht verweisen. Ein Rezept dagegen hatten die Ketten nicht – wenn man den zunehmenden Verkauf von Geschenkartikeln aller Art nicht mitzählt. Es kam, wie es kommen musste: Thalia beschloss 2013, 20 Filialen dichtzumachen. Weltbild muss im Zuge der Insolvenz 53 Filialen aufgeben.
Gleichzeitig stößt Online-Buchhändler Amazon auf zunehmende Schwierigkeiten. Als Branchenprimus muss sich die Firma gefallen lassen, dass die Arbeitsbedingungen bei ihr besonders unter die Lupe genommen werden. Das gab ein paar unschöne Schlagzeilen. Vor allem hat es aber zumindest bei einem Teil der Buchkäufer ein gewisses Umdenken ausgelöst. Ein Umdenken darüber, was die eigenen Handlungen bewirken können. Ist es nicht auch ganz nett, statt von Algorithmen vom Buchhändler des Vertrauens beraten zu werden? Der Buchkäufer der Zukunft wird wohl ein Hybridkäufer sein: Will er einen bestimmten Titel, bestellt er das Buch bequem online. Braucht er Beratung, besucht er seinen Lieblings-Buchhändler. Dass das keine leere Vision ist, zeigen die Zahlen heute schon: 2013 machte der Internet-Buchhandel laut GfK ein leichtes Minus von 0,5 Prozent.
Wenn sich Großfilialen zurückziehen und die Menschen auch gern wieder vor Ort einkaufen – wer kann davon profitieren? Richtig. Der inhabergeführte Buchhandel braucht sich vor Amazon am allerwenigsten zu fürchten. Der Online-Händler wird in Sachen Beratung und persönlicher Präsenz nie mit ihm oder ihr konkurrieren können. Deshalb ist es sogar ein ausgesprochen cleverer Zug von Amazon, lokalen Buchhändlern in den USA den Kindle mit ordentlichem Rabatt zu verkaufen. Die Existenz von Amazon ist geschäftsschädigend – aber nur für die großen Flächen-Händler.
Und die Verlage? Sie profitieren davon, dass Amazon das eBook salonfähig gemacht hat. Erst durch das wirklich bequeme System des Kindle (das inzwischen auch von den anderen nachgeahmt wird) hat sich das Buchformat durchgesetzt, an dem die Verlage am meisten verdienen. Taschenbücher und Hardcover müssen gedruckt, gelagert, verteilt und schließlich remittiert werden. eBooks haben all diese Nachteile nicht. Obwohl sie hierzulande im Mittel 20 Prozent weniger als das Taschenbuch kosten und Autoren meist 25 statt 10 Prozent Honorar erhalten, verdienen Verlage pro verkauftem Exemplar etwa 25 Prozent mehr daran.
Das heißt aber gleichzeitig, dass auch Autoren mit Optimismus in die Zukunft schauen können, egal auf welchem Weg sie veröffentlichen. Als Verlagsautoren profitieren sie vom eBook durch höhere Honorare. Als Self Publisher brauchen sie niemandem mehr etwas abzugeben. Schon heute kann jeder Autor den Weg wählen, der ihm am besten liegt: Mit Betreuung (und Kontrolle) durch den Verlag, komplett frei, aber auch ohne Hilfe als Self Publisher: Erfolg ist auf beiden Wegen erreichbar. Der Autor der Zukunft wird, darauf wette ich, ein Hybrid-Autor sein. Manche Projekte wird er ganz oder teilweise mit Verlagsunterstützung durchziehen, bei anderen braucht er nur seine Fans und den Direktzugang zum Online-Buchhandel (den deutsche Händler leider noch immer nicht eingerichtet haben). Vergessen Sie nicht: ohne die Ideen, die Worte des Autors können weder Verlage noch Amazon mit Büchern Geld verdienen. Die Wahlfreiheit des Veröffentlichungswegs hat Autoren eine Macht zurückgegeben, die sie in den früheren Strukturen des Buchmarktes verloren hatten.
(dieser Text basiert auf einer Artikel-Idee von Hugh Howey für den US-Markt)