Autoren-Tipp: Rankings und Charts verstehen – bei Amazon und anderswo

Wie erfolgreich ist mein Buch? Wer die Bestenlisten versteht, kann den eigenen Anteil an der Vermarktung seines Werks besser steuern.

Wenn das eigene Buch endlich erhältlich ist, ob nun als gedrucktes Buch oder als eBook, beginnt die wohl spannendste Zeit: Wird es seine Leser finden? Verkauft es sich – oder liegt es schwer wie Blei in den echten oder virtuellen Regalen? Verdiene ich damit vielleicht sogar mehr als den kargen Vorschuss, den mir der Verlag gezahlt hat? Machen sich wenigstens Lektorat und Coverlayout bezahlt, die ich als Self Publisher aus eigener Tasche finanziert habe?

Sicher – irgendwann werden sie Zahlen liefern, der Verlag, der mein Werk veröffentlicht hat, oder der Online-Händler, bei dem ich mein Werk selbst eingestellt habe. Die Fristen dafür sind sehr unterschiedlich. Sie hängen vom Vertrag ab, von den Möglichkeiten der Distribution, vom Engagement aller Beteiligten. Im ungünstigsten Fall wartet der Autor ein Jahr oder länger, wenn er einen besonders langmütigen Verlag erwischt hat. Im besten Fall gibt es Rückmeldung binnen weniger Stunden – zeitnahe Berichte sind bei Self-Publishing-Dienstleistern jedenfalls stark im Kommen.

Doch es gibt Instrumente, auf die alle Autoren zugreifen können – und die sogar Informationen über von anderen verfasste Titel liefern. Bestenlisten, Charts, verraten weit mehr als nur eine Position im Vergleich zu anderen Titeln, wenn man sie denn richtig zu lesen versteht.

Warum Bestenlisten analysieren?

Ist die Zeit, die das Studium von Charts und Rankings zweifellos kostet, nicht besser ins Schreiben neuer Bücher investiert? Ja – wenn Sie jemanden haben, der Ihnen das komplette Marketing ihres Buches abnimmt (Glückwunsch!). Ja – wenn Sie auf Marketing sowieso verzichten können, weil Ihre Titel schon allesamt Bestseller sind und Neuveröffentlichungen schon Ihres Namens wegen diesen Status automatisch erreichen (Toll! Sie heißen nicht zufällig Stephen King?). Und ja – wenn es Sie verunsichert, beim Schreiben des nächsten Buches zu viel vom Erfolg (oder eventuellen Scheitern) des aktuellen Werks mitzubekommen (Ich kenne einen Kollegen, dem es so geht).

Anderenfalls – nein. Sie müssen den Ist-Zustand kennen, wenn Sie sich in irgendeiner Form selbst für den Erfolg Ihres Buches einsetzen wollen. Was läuft bereits rund, wo stehen Sie? Das müssen Sie analysieren, um die nötigen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Als Self Publisher können Sie zum Beispiel mit dem Preis spielen. Sie können Ihr Buch verschenken oder einen kräftigen Rabatt geben. Doch auch, wenn Sie über einen Verlag veröffentlichen, stehen Ihnen Möglichkeiten offen. Viele Verlage sind inzwischen zu Aktionen bereit, wenn Sie diese als Autor unterstützen. Eine Blogtour mit Ihrem Buch, eine Verlosung in einer Lese-Community, Lesungen in Buchhandlungen – das alles kann helfen, dem Verkauf des Buches einen kleinen Schubs in die richtige Richtung zu geben. Manchmal hilft es sogar schon, beim Onlinehändler das Genre zu wechseln, in der Ihr Buch angeboten wird.

Offizielle Bestenlisten

Die Charts, wie sie unter anderem SPIEGEL und FOCUS führen, helfen nur sehr wenigen Autoren bei der Standortbestimmung: Den 20 oder 50, die jeweils darauf vertreten sind. Ich führe die Listen, die über Stichproben im Buchhandel erhoben werden, deshalb nur der Vollständigkeit halber an. Wie sie erhoben werden, ist immer wieder branchenpolitisches Streitthema. Denn eine Platzierung dort hilft natürlich den Verkäufen enorm. Diese Charts sind insofern eher Marketing- als Analyse-Instrument.

Im eBook-Bereich sieht es nicht besser aus – jedenfalls was händlerübergreifende Bestenlisten betrifft. Offizielle Charts, die auf realen Verkaufszahlen beruhen, gibt es hier nicht. Das liegt zum Teil am Unwillen der Beteiligten: Die großen Anbieter, allen voran Amazon und Apple, wollen sich nicht in die Karten schauen lassen. Trotzdem erheben Mediacontrol/GfK seit 2012 regelmäßig eBook-Charts. Diese beruhen allerdings auf Stichproben. Sie haben zudem ein gewichtiges Manko: Titel, die nur auf einer Plattform erscheinen, werden nicht berücksichtigt. Die einzige Plattform, die damit gemeint sein könnte, ist – klar – Amazon, wo etwa ein Drittel der eBooks in den Top 100 nicht bei anderen Anbietern erhältlich sind. Die Mediacontrol-Charts schließen zudem besonders günstige Titel unter 3 Euro Verkaufspreis aus – und damit die Mehrzahl der verlagsunabhängig publizierten eBooks.

Die Charts der Händler

Die ergiebigste Datenquelle stellt eindeutig Amazon dar. Im Vergleich dazu liefern alle anderen Unternehmen eher spärliche Informationen. Weltbild und Hugendubel etwa haben überhaupt keine Online-Charts, die diesen Namen verdienen.

Konkurrent Thalia, inzwischen in der Tolino-Allianz mit den beiden vereint, ordnet Titeln immerhin einen Verkaufsrang zu. Wie schnell dieser sich ändert und was eine bestimmte Platzierung bedeutet, darüber liegen derzeit noch keine Daten vor.

Interessanter wird es schon bei Kobo, dem unabhängigen Anbieter, der auch über seine eReader bekannt geworden ist. Die Kobo-Charts sind tagesaktuell. Leider hat die Firma in Deutschland nur bisher keinen nennenswerten Marktanteil erobern können. In Zahlen drückt sich das so aus: Ein eBook in den Kobo-Top-10 verkauft am Tag etwas über zehn Exemplare. Die allermeisten eBooks gehen hier also seltener über den virtuellen Ladentisch.

Apple ist eine Art Insel im eBook-Markt, weil viele der hier angebotenen Titel nur auf Apple-Geräten anzuzeigen sind. Trotzdem kommt die Firma in Deutschland schon auf fünf bis zehn Prozent Marktanteil. Ein eBook, das es bei Apple unter die Top 10 geschafft hat, verkauft sich täglich bereits über 50 Mal. Apple führt auch in den einzelnen Kategorien Bestenlisten. Hier liegt allerdings noch nicht genug Datenmaterial vor, um die Positionen Verkaufszahlen zuordnen zu können.

Die Amazon-Rankings

Bleibt Marktführer Amazon, der gleich mehrere Bestenlisten führt und zudem mit Empfehlungs-Algorithmen arbeitet. Was den meisten Amazon-Kunden (und auch den Autoren) zuerst auffällt, ist die Bestseller-Liste. Sie umfasst genau 100 Titel und ist hart umkämpft. Anders als bei anderen Unternehmen kann man sich hier nicht einkaufen, und Amazon manipuliert die Liste auch nicht redaktionell (mit der Ausnahme, dass Erotik-Titel hier nicht geführt werden). Die Bestseller-Liste wird automatisch erstellt und stündlich aktualisiert.

Sie basiert auf dem Verkaufsrang (Sales Rank) eines eBooks. Jedes Buch besitzt einen anderen Verkaufsrang, der in der Buchbeschreibung ablesbar ist (#xx Bezahlt in Kindle-Shop). Der Text verrät schon, woraus sich der Rang zusammensetzt: Aus den aktuellen Verkäufen eines eBooks in der betreffenden Filiale von Amazon. Verschenkaktionen spielen hier also keine direkte Rolle. Doch auch Verkäufe via Amazon.com werden bei Amazon.de nicht berücksichtigt. Der Preis des Titels hat auf die Platzierung keine Auswirkungen. Amazon berücksichtigt auch Verleih-Vorgänge im Rahmen der Kindle-Leihbücherei, obwohl diese für den Leser (scheinbar) kostenlos sind – der Autor wird ja dafür auch bezahlt.

Was sagt eine bestimmte Platzierung über die Verkaufszahlen? Das können Sie mit Hilfe der “Amazon-Top-1000” prüfen. Täglich aktualisiert finden Sie hier die Daten der 1000 bestplatzierten Titel bei Amazon. Die angegebenen Verkaufszahlen sind zwar eine Schätzung – aber eine, die sehr nah an der Realität liegt, denn viele Autoren liefern hierfür ihre echten Verkaufszahlen ab. Außerdem zeigt die Liste auch die zeitliche Entwicklung von Preis, Ranking und Umsatz in einem Diagramm. Dazu müssen Sie einfach auf die Vortages-Platzierung klicken.

Die Top-1000-Analyse

Ein weiteres Werkzeug, mit dem Sie Verkaufszahlen verfolgen können, ist Novelrank. Es liegt zwar meist deutlich weiter von der Wirklichkeit entfernt als die Amazon-Top-1000, funktioniert aber auch für alle Amazon-Websites weltweit und für jeden Titel. In der Regel unterschätzt Novelrank die tatsächlichen Verkaufszahlen.

Zusätzlich führt Amazon auch noch für jede Kategorie einen Verkaufsrang. Damit hier überhaupt etwas zu sehen ist, muss ein Buch mindestens unter den ersten 100 einer seiner Kategorien sein. Das ist oft leichter zu erfüllen als ein Platz unter den allgemeinen Top 100. Allerdings gibt es besonders hart umkämpfte Kategorien mit viel Konkurrenz und solche, wo weniger los ist.

Verkaufsrang eines eBooks

Wenn der eigene Titel in der Hauptkategorie keine Chance hat, kann es deshalb nützlich sein, ihn anderswo einzuordnen (das kann Ihr Verlag arrangieren, falls Sie kein Self Publisher sind). Denn finden können ihn potenzielle Käufer sowieso nur, wenn er über eine der Listen sichtbar ist. In einer exotischeren Kategorie suchen zwar vielleicht nicht so viele Käufer – doch wenn sich dann mal jemand dort hinein verirrt, trifft er den eigenen Titel viel weiter oben, während er ihn in der umkämpften Kategorie vielleicht gar nicht gefunden hätte.

Wer sich exklusiv an Amazon bindet und dadurch über das KDP-Select-Programm sein Buch in die Kindle-Leihbücherei legen kann, erhält übrigens noch eine zusätzliche Regalfläche: Die hier ausleihbaren Titel führt Amazon nämlich nach Verkaufsrang in einer speziellen Top-100-Liste, die nur von einem echten Kindle beziehungsweise Kindle-Tablet aus sichtbar ist. Da etwas über 30 der Top-100-Bücher diese Möglichkeit nutzen, ist hier noch eine Menge Raum für Indie-Titel. Wer eine realistische Chance sieht, unter die ersten 300 Titel insgesamt zu gelangen, sollte sich deshalb überlegen, lieber exklusiv bei Amazon zu bleiben, statt auch andere Plattformen zu bedienen. Nach meiner Erfahrung kommt auf zehn Kaufvorgänge ein Leihvorgang, aber das ist von Autor zu Autor verschieden.

Das ist aber nicht alles – Amazon führt auch eine Rangliste, die gern “Popularitäts-Ranking” genannt wird. Auf der Webseite werden Sie diese Liste aber nicht finden, jedenfalls nicht unter diesem Namen. Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn Käufer sich über die Kategorien im Kindle-eBookstore durchklicken, etwa in “Kindle eBooks -> Computer & Internet“. Bei dieser Art des Vorgehens werden alle Titel nach Beliebtheit gelistet.

Die Beliebtheit speist sich nun nicht nur aus Verkäufen, sondern auch aus Verschenk-Aktionen, und zwar ungefähr im Verhältnis 30:1, das heißt 9000 verschenkte eBooks (bei einer gut geplanten Aktion leicht erreichbar) wirken wie 300 verkaufte Bücher. Und das ist der eigentliche Grund, warum diese Aktionen nützlich sind: Sie geben einem eBook die Chance, in der Beliebtheits-Rangfolge sichtbar zu werden. Erst jetzt wird es gesehen und kann gekauft werden – wodurch es schließlich auch im Verkaufs-Ranking steigen kann. Allerdings wird auch die Beliebtheit regelmäßig neu berechnet. Wenn sich die Verkäufe nach dem Ende der Werbeaktion nicht einstellen, rutscht der Titel schnell wieder in die unsichtbaren Tiefen.

Das Beliebtheits-Ranking hat allerdings noch ein paar Eigenheiten, die es Indies erschweren, die Effekte zu nutzen. Denn zum einen fließt hier auch der Preis eines Buches mit ein (bei Verschenkaktionen der vorherige Preis). Teure Verlags-Bücher haben größere Chancen, im Beliebtheitsranking nach oben zu kommen.

Zum zweiten berücksichtigt diese Liste die Leihvorgänge aus der Kindle-Bücherei nicht (anders als die allgemeine Bestenliste). Sie wird auch nicht so oft aktualisiert (nämlich nur einmal am Tag) und besitzt eine Verzögerung von zwei Tagen. Darum dauert es auch nach einer Verschenkaktion stets genau zwei Tage, bis sich bei dem verschenkten Titel etwas tut. Auf welcher Position ein Titel landet, bestimmt sich nach seinen Umsätzen in den vergangenen 30 Tagen. Die Verkaufs-Bestenliste hingegen ist weitaus dynamischer und bestraft sinkende Verkäufe fast sofort, spätestens aber nach 24 Stunden.

War das alles? Nein. Amazon führt auch noch zu jedem einzelnen Produkt eine Art Bestenliste, welches andere Produkt besonders häufig dazu gekauft wird (“Kunden, die Artikel gekauft haben, welche Sie sich kürzlich angesehen haben, kauften auch”).

Vorsicht – macht süchtig

Die ständige Beobachtung des eigenen Titels beim Händler kann spannend sein. Sie birgt aber die Gefahr, dass Sie sich womöglich gar nicht mehr vom Bildschirm losreißen können. Denken Sie daran, dass es sich um ein Werkzeug handelt, nicht um den Hauptzweck ihres schriftstellerischen Daseins.

Der Artikel erschien in Federwelt Februar / März 2014.