Die wichtigste Figur in Ihrem Roman spielt nicht immer darin mit: Der Erzähler. Jedes Wort, das der Leser Ihres Romans liest, kommt nicht von Ihnen als Autorin oder Autor, sondern vom Erzähler. Der Erzähler ist Instanz und Filter in einem. Er ist die Schnittstelle zu Ihrer Leserschaft.
Kategorie: Schreiben
Auf der Leipziger Buchmesse traf ich am Stand des Software-Anbieters Qualifiction die als Textehexe auftretende Lektorin (und Autorin) Susanne Pavlovic. Sie bietet AutorInnen derzeit einen Service, den ich persönlich spannend finde: Das Qualifiction-Programm LISA (das bisher nur Verlagen zur Verfügung steht) analysiert Ihren Text, und Susanne Pavlovic erklärt und berät dazu, was Sie mit den Daten anfangen können.
Wenn Autoren sich für eine möglichst nahe Erzählweise entscheiden, verfolgen sie damit vor allem diese beiden Ziele: Sie wollen die Leser möglichst tief in die Geschichte hineinziehen und dafür sorgen, dass sie sich mit dem Protagonisten identifizieren: Emotion schlägt Information.
Auch in Ihrem Roman lauert sehr viel mehr dramatisches Potenzial. Stellen Sie hierfür vor jedem wichtigen Ereignis im Plot die Frage: Was sind hierfür die denkbar ungünstigsten Umstände?
Der Autor hat eine Idee, verfolgt sie eine Weile, hat dann eine andere, verfolgt diese abermals, bis auch sie ihn langweilt und er dem nächsten Einfall folgt. Das Ergebnis sind Geschichten ohne Zusammenhang und Zusammenhalt, ohne Dramaturgie und Ziel und Höhepunkt, Geschichten, die den Leser frustriert zurücklassen.
Während all dem sitzt ein dicker, fetter Elefant im Raum. Weder Marek noch Val – die dem Leser in jeweiligen Ich-Perspektiven den Roman näherbringen – sehen den Dickhäuter. Der Leser aber sieht ihn sehr wohl.
Die Erzählperspektive verbindet den Leser mit dem Roman. Sie sorgt für Nähe oder Distanz und sie ist es, die den Leser zu Beginn eines Romans gewinnt, ihm das Ablegen seiner Skepsis erleichtert und ihn in den Roman hineinzieht. Manchmal können schon kleine Fehler in der Perspektive den Leser aus dem Roman reißen. Drei weit verbreitete Fehler oder zumindest Schwachpunkte sehen wir uns genauer an.
Das Durchbrechen der vierten Wand, wie es in der Filmsprache heißt, hat seinen besonderen Reiz: Der Autor/Erzähler oder eine Filmfigur redet direkt zum Leser oder Zuschauer. Wie amüsant das sein kann, zeigt aktuell der Film »Deadpool 2« (USA 2018).
Leider nehmen zu viele Autoren Atwood hier beim Wort. Bei ihnen gerät das, was zwischen Anfang und Ende läuft, tatsächlich zu einer einzigen Abfolge an Was: A passiert, dann passiert B, dann C, gefolgt von D und E, worauf F, G, H und I sich anschließen, bevor J, K, L und M kommen. Und immer so weiter, bis die »Geschichte« (wohlgemerkt: in Anführungszeichen) ihr Ende hat. Leser schaffen es selten bis dahin. Warum?
Im Film »Der Soldat James Ryan« (USA 1998) von Steven Spielberg wird, ganz klassisch, das zentrale Ziel der Story im ersten Plotpoint festgelegt, nach exakt zwanzig Prozent des Films strukturell und dramaturgisch gut platziert: Der Soldat James Ryan aus Iowa, gerade im Einsatz im Frankreich der Invasion vom Sommer 1944 verschollen, soll gefunden und sicher nach Hause gebracht werden.