Vor knapp einem Monat habe ich um Mithilfe gebeten – Ziel meiner kleinen Umfrage war es, etwas zum Verhältnis von (KindleUmlimited-Leihen und Verkäufen abhängig von Genre, Umfang und Preis eines eBooks herauszufinden. Da die Leihzahlen nirgends direkt angezeigt werden, die Leihen aber wie ein Verkauf ins Bestseller-Ranking einfließen, erlaubt das Wissen um das Potenzial eines Titels, den Sinn oder Unsinn von KindleUnlimited besser einzuschätzen. Beispiel: Angenommen, ein Liebesroman würde im Mittel dreimal so oft geliehen wie verkauft werden (ob das der Fall ist, werden wir sehen), dann wäre es sehr schwer, ohne KindleUmlimited bei Amazon erfolgreich zu sein (über den Erfolg auf anderen Plattformen sagt das natürlich nichts).
Die Beteiligung an der Umfrage war gut. Genau 200 Titel wurden gemeldet. Allerdings sind einige Kategorien unterrepräsentiert, es waren nur ein Sachbuch und sieben Science-Fiction-Titel dabei. In diesen Genres lassen sich also keine Aussagen treffen. Statistisch gut unterfüttert sind hingegen Liebesroman, Fantasy und Krimi sowie sämtliche Preisgruppen. Der mittlere Preis der gemeldeten Bücher lag bei 3,10 Euro, der mittlere Umfang bei 300 Normseiten. Verkaufszahlen und im September gelesene Seiten schwankten zwischen Null und Bestseller-Status. Über alle Genres, Preise und Umfänge hinweg lag das Verhältnis zwischen Verkäufen und Leihen (definiert als Anzahl gelesener Seiten durch doppelten Umfang in Normseiten) bei etwa 2:1. Wichtig: der Absolutwert ist hier nicht so entscheidend, vielmehr setzt dieser Wert von 2:1 quasi den Standard, mit dem Sie alle weiteren Angaben vergleichen sollten. Denn wir wissen ja nicht, wieviele Leihen es wirklich gab, die berechnete Zahl ist eher das Minimum, unter der Annahme, dass jedes geliehene Buch komplett durchgelesen wurde.
Je teurer, desto mehr Leihen
Es überrascht nicht, aber es ist gut, das auch mal schwarz auf weiß zu sehen: Je teurer ein eBook ist, desto öfter wird es geliehen statt gekauft. Bei 99-Cent-Titeln wird über alle Genres noch öfter gekauft als geliehen (der Quotient ist 2,25, das Verhältnis also 2,25 zu 1). Bei 1,99 Euro sinkt der Quotient auf 2,04, bei 2,99 Euro liegt er bei 1,68, bei 3,99 Euro bei 1,3 und bei 4,99 Euro schließlich unter 1, bei 0,92. Hier wird dann also deutlich öfter geliehen als gekauft. Psychologisch ist das klar: der KU-Abonnent möchte seine monatliche Gebühr möglichst schnell rentiert sehen.
Je dicker, desto mehr Käufe
Setzt man Leihen vs. Käufe mit dem Umfang eines eBooks in Beziehung, ergibt sich eine direkte Proportionalität: je dicker ein Buch, desto häufiger will der Leser es auch tatsächlich besitzen. Das ist psychologisch gut nachvollziehbar: je länger ich mich mit einem Helden befasse, desto näher kommt er mir, und desto schwerer fällt es mir, ihn (bzw. das Buch) wieder zurückzugeben. Bei eBooks unter 100 Seiten liegt die Leihquote fast bei 1:1, also auf jeden Kauf kommt eine Leihe. Bei Umfängen über 500 Seiten steigt der Anteil der Käufe dann deutlich auf etwa 5:2.
Geliehene Romantik
Die Genres unterscheiden sich sehr deutlich: Am höchsten ist die Leihquote bei Fantasy. Bei einem Quotienten von 1,12 kommt auf jeden Verkauf fast eine Leihe. Bei Liebesromanen sieht es ähnlich aus, hier liegt der Quotient bei 1,37. Krimis hingegen werden deutlich öfter gekauft, öfter sogar als im Mittel: Auf fünf Verkäufe kommen hier nur zwei Leihen.
Dass Fantasy hier den Leih-Spitzenplatz hält, könnte eine faktische Ursache haben: Fantasy-Titel sind im Mittel deutlich dicker als die anderen Genres und mit 3,58 Euro auch deutlich teurer. Und der Preis hat ja viel mit der Leihquote zu tun. Krimis sind im Mittel am dünnsten, Liebesromane liegen beim Umfang dazwischen, sind aber etwas günstiger als Krimis.
Je Bestseller, desto mehr Käufe
In einem letzten Test habe ich die Titel nach ihren Verkaufszahlen sortiert und in Gruppen eingeordnet: Bücher mit mehr als 2000 Verkäufen, mehr als 500, mehr als 100, mehr als 50 und mehr als 20 im Monat. Das Ergebnis: mit den Verkäufen sinken die Leihzahlen überproportional. Die bessere Sichtbarkeit wirkt sich offenbar auf die Kauf-Kunden stärker aus als auf Leih-Kunden. Oder anders ausgedrückt: wer es einmal nach oben geschafft hat, der wird auch gekauft. Doch um dorthin zu kommen, sind die Leih-Kunden wichtig. Die Abfolge ist sehr deutlich, die Kaufquote sinkt mit den Verkaufszahlen: 2,91 (über 2000) – 2,67 (über 500) – 1,38 (über 100) – 1,23 (über 50) – 1,16… Das einzige Kriterium, das die Bestseller in dieser Umfrage von den anderen Titeln unterscheidet, ist übrigens der Preis, der mit 2,30 Euro etwas niedriger als im Mittel liegt.
Zu all diesen Daten ist eines wichtig: es handelt sich um eine Statistik. Ausreißer sind in jeder Richtung möglich und wahrscheinlich. Bei Titeln für 4,99 Euro schwankt die Leihquote zum Beispiel zwischen 1:3 und 1:5. Doch es gibt regelmäßig mehr Leihen als Verkäufe. Sie können aus den Zahlen nicht Ihren Bucherfolg berechnen. Die Zahlen verraten aber, in welche Richtung es geht. Mit einem Krimi-Wälzer für 99 Cent werden Sie voraussichtlich kaum Leihen haben, bei einem 4,99 Euro teuren Fantasy-Buch hingegen dürften deutlich mehr Leihen als Verkäufe in der Statistik auftauchen. Oder, wenn Sie es strategisch sehen: Der Krimi-Wälzer profitiert von KindleUnlimited weniger, er wird es auch schwerer haben, in die Charts aufzusteigen, hier lohnt sich also eine Multi-Plattform-Strategie eher.
Ergänzend noch die Auswertung der letzen Frage – “Nutzen Sie PageFlip?” Nur ein Teilnehmer nannte “häufig”. “Selten”, “Fast nie” und “Nie” antworteten drei Viertel der Teilnehmer, ein Viertel wählte “Keine Ahnung, was das ist”.