Die Rabattaktion hat sich für viele eBook-Autoren beim Marketing zum Mittel der Wahl entwickelt: Durch eine deutliche Preissenkung, hoffen sie, könnte sich die Sichtbarkeit eines Titels so verbessern, dass sich die Verkäufe danach deutlich verbessern. Vermutlich haben die meisten Leser dieses Artikels schon einmal eine Preisaktion geplant und durchgeführt – aber haben Sie auch schon einmal durchgerechnet, ob sich die Preissenkung für Ihre Geldbörse wirklich lohnt? Das ist nämlich deutlich seltener der Fall, als es viele vermuten.
Der Einfachheit halber führe ich diese Diskussion am Beispiel von Amazon. Sie gilt aber ähnlich (wenn auch mit anderen Faktoren) bei anderen Anbietern. Wobei Sie bei den anderen Anbietern prüfen müssen, ob höhere Verkäufe tatsächlich eine höhere Sichtbarkeit (in Rankings etc.) bringen, wie es bei Amazon der Fall ist. Anderenfalls verpufft die Aktion komplett.
Beginnen wir mit den Kosten. Das Eintragen eines neuen Preises kostet nichts. Gut. Aber eine Preisaktion, von der niemand erfährt, bringt wenig. Also informieren Sie die üblichen Websites für preisreduzierte eBooks (was Arbeitszeit kostet, sagen wir mal ganz bescheiden: 30 Euro) und schalten vielleicht sogar Werbung auf Seiten wie XTME oder eBook-Rabatte.de. Mit 150 Euro erreichen Sie schon eine Menge Nutzer.
War’s das schon? Nein! Sie büßen ja auch an Einnahmen für Ihr eBook ein. Wenn Sie etwa von 2,99 Euro auf 99 Cent herunter gehen, kassieren Sie pro Verkauf statt bisher 1,75 Euro nur noch 30 Cent (Amazon zahlt da ja auch nur noch 35 Prozent aus). Sie müssen also sechsmal mehr Bücher verkaufen, um zum niedrigeren Preis das gleiche Honorar zu erhalten.
Wie realistisch ist das? Das hängt von Ihren Käufern ab, von Ihrer Zielgruppe. Experten sprechen hier von der Preiselastizität. Die Preiselastizität lässt sich berechnen – aber nur, wenn man die so genannte Nachfragekurve kennt, also weiß, zu welchem Preis wieviele eBooks gekauft werden. Diese Information haben wir nicht. Wir können sie nachträglich ermitteln, aber das hilft uns bei der nächsten Preisaktion nicht, denn die Funktion ist unter anderem auch von der Konkurrenz abhängig. Das ist leicht nachvollziehbar: Wenn etwa gerade hohe Nachfrage nach dem Liebesroman der Autorin X herrscht, sinkt die Nachfrage nach Ihrem Liebesroman.
Trotzdem wollen wir zur Veranschaulichung mal einen Überschlag durchführen. Es scheint nicht unrealistisch, dass ein halbierter Preis die Nachfrage verdoppelt. Mathematisch wird das durch diese Formel umgesetzt (ich rechne mit glatten 3 Euro statt mit 2,99 und mit einer Start-Nachfrage von 10, was bei Amazon etwa Rang 1000 entspricht:
N(P)=(3/P)*10
(N = Nachfrage, P = aktueller Preis; die Formel gilt natürlich nur, wenn der Preis über 0 liegt, aber ein Preis von 0 wäre dann ja auch eine Verschenkaktion)
Sie können an dieser Stelle nun Ihre eigenen aktuellen, täglichen Verkäufe einsetzen (statt der 10) und Ihren eigenen Preis (statt des P). Das Ergebnis zeigt Ihnen, was Sie nach der Preissenkung erwarten können. Bei 99 Cent käme bei obiger Formel zum Beispiel (ungefähr) 30 heraus. Das heißt, statt bisher 10 eBooks am Tag verkaufen Sie nun 30. Da Ihnen aber jedes eBook nur noch ein Sechstel des Honorars einbringt, verlieren Sie an jedem Tag der Preisaktion 8,50 Euro.
Über fünf Tage und mit Werbung und Arbeitszeit kommen wir damit auf Kosten von 30 + 150 + (5*8,50) = 224 Euro. Natürlich können Sie die Kosten senken (keine Werbung machen?), aber dann bemerkt niemand Ihre Preisaktion… Außerdem könnte es natürlich sein, dass ein halbierter Preis die Nachfrage nicht nur verdoppelt, sondern vervierfacht. Dann sieht die Rechnung sicher anders aus.
Kosten sind aber nur die eine Seite. Wie steht es um den Nutzen? Eine erhöhte Nachfrage (also mehr Verkäufe) bewirkt bei Amazon, dass ein Buch im Ranking steigt und dem Kunden öfter angezeigt wird. Wenn Sie nun von 10 auf 30 Verkäufe pro Tag erhöhen können, landen Sie damit circa auf Rang 250 statt bisher 1000. Bei manchen Kategorien erreichen Sie so auch die Kategorien-Charts und damit ein weiteres Regal. Die Hoffnung: falls Sie es schaffen, auch nach der Preisaktion auf diesem Platz zu bleiben, nehmen Sie in Zukunft dreimal so viel Honorar ein wie vor der Aktion. In unserem Beispiel wären das 35 Euro pro Tag zusätzlich. Um Ihre Kosten einzuspielen, muss Ihr Buch nun wenigstens sieben Tage zum höheren Preis auf Rang 250 bleiben, sonst war die ganze Aktion ein finanzieller Fehlschlag. Ob das realistisch ist – Ihre Entscheidung!
Damit das Exempel noch nützlicher wird, wollen wir zum Schluss noch einen weiteren Fall durchrechnen. Sie sind mit Ihrem 2,99-Euro-Titel bereits auf Rang 250 angekommen, verkaufen also 30 Stück pro Tag. Bei identischer Nachfragefunktion werden Sie durch die Preisaktion 90 Stück pro Tag verkaufen. Ihre Kosten belaufen sich 30 + 150 + (5*25,50) = 307,50 Euro. Nach Abschluss der Aktion verdienen Sie nun aber 105 Euro pro Tag zusätzlich, während Amazon Ihr Buch vermutlich kurz unter Platz 100 einordnet (tagesabhängig). Sie brauchen nur drei Tage zum vollen Preis dort auszuharren, damit sich die Aktion rentiert hat.
Was heißt das praktisch? Die wirkliche Gestalt der Nachfragefunktion können wir nur erraten. Aber ganz egal, wie sie aussieht: Wenn Sie von ganz unten kommen, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich die Aktion lohnt, als wenn Sie von weiter oben starten. Das gilt übrigens auch für alle anderen Formen von Deals, etwa Kindle-Deals, nur dass dort die Nachfragefunktion anders aussieht und die Kosten geringer sind (weil Amazon die Werbung übernimmt). Sie sollten also stets überlegen: wie realistisch ist es, dass Sie ein besseres Ranking erreichen, und was bringt Ihnen dieses neue Ranking konkret? Nutzen Sie dazu zum Beispiel die Amazon-Charts der Selfpublisherbibel. Im Zweifel könnte das auch bedeuten: belassen Sie Ihr Buch lieber für 4,99 Euro auf Platz 5000, statt es für 99 Cent auf Rang 1000 zu schieben.