Das Warenhaus zum Mitnehmen: Amazon Fire Phone im Test

Als Amazon sein erstes Smartphone vorstellte, waren die Reaktionen eher ernüchtert. Das Fire Phone ist kein iPhone- oder gar Android-Killer geworden. Es ist trotz Mittelklasse-Hardware teuer – und bringt die typischen Einschränkungen mit, die auch die Fire-Tablets eingebaut haben. Trotzdem will Amazon in diesem Jahr noch drei Millionen Fire Phones verkaufen. Wie soll das funktionieren? Welche Funktionen machen das Gerät interessant genug für eine große Zahl von Käufern?

Das Fire Phone von Amazon
Das Fire Phone von Amazon

Die Hardware selbst ist jedenfalls nicht ausgesprochen fortschrittlich. Ein Bildschirm mit 4,7 Zoll Diagonale, der “nur” 1280 x 720 Punkte zeigt? Der eingebaute Speicher von 32 oder 64 Gigabyte ist niccht erweiterbar. Die Kamera fotografiert mit 13 Megapixeln, der Sound aus den mitgelieferten Ohrhörern oder den Lautsprechern ist nicht einmal mittelprächtig. Immerhin – der Akku hält ganz ordentlich durch, länger als beim Samsung-Flaggschiff Galaxy S5, das ist auch gerade noch zum Test habe. Geradezu enttäuschend sind im Vergleich zu Siri oder S-Voice die Fähigkeiten der Spracheingabe, die fast immer nur “Sorry, das kann ich noch nicht” antwortet.

Amazon selbst wirbt besonders gern mit einem Feature, das sich “Dynamic Perspective” nennt. Dabei bewegen sich Vorder- und Hintergrund unabhängig voneinander, und zwar je nachdem, wo der Nutzer hinsieht. Das ermöglicht einen hübschen 3D-Effekt, siehe Video.

In der Praxis hat dieser Effekt allerdings keinen wirklich spürbaren Nutzen. Er wird nur in wenigen Apps (unter anderem bei der Karten-App) für die “Peek”-Funktion genutzt: Sieht man schräg auf den Bildschirm, erhält man zusätzliche Informationen. Amazon wünscht sich davon “immersives Spielen”, allerdings müssen Spieleentwickler das Feature extra in ihre Games einbauen – und das für eine derzeit noch geringe Kundschaft.

Interessanter ist da schon die Gestensteuerung. Sie funktioniert zuverlässiger als bei Samsung, offenbar wegen der vier Kameras (eine in jeder Ecke der Handy-Front), die den Nutzer beobachten. In eBooks ruft man durch ein flinkes Kippen das Inhaltsverzeichnis auf, im Browser scrollt man darüber. Die Kritik, die bei manchen Tests in US-Medien daran aufkam, kann ich nicht nachvollziehen; die Gesten funktionieren mit ein bisschen Gewöhnung gut. Im Video sind sie zu beobachten:

Eindeutig das interessanteste Feature für Käufer wie auch für Amazon ist aber Firefly. Es bedient den “Haben wollen”-Instinkt vieler Menschen. Einmal länger auf den Kamera-Knopf drücken, und Firefly startet. Im Test erkennt die Software erstaunlich viele verschiedene Produkte. Musik, Bücher, CDs, DVDs, Blu-rays, Computerspiele – das wäre ja noch zu erwarten (wobei auch etliche alte Schinken erkannt werden). Doch auch Elektronik-Gadgets (nur beim eigenen Kindle weigerte sich Firefly ironischerweise) und Lebensmittel wie Nutella oder Knorr-Saucen wurden erkannt.

Bei größeren Objekten hingegen (Fernseher, Auto…) muss Firefly passen. Manchmal muss man auch die Beleuchtung ändern, um zum Erfolg zu kommen. Natürlich geht es darum, das Objekt dann auch bei Amazon zu kaufen, Händler fürchten damit zu Recht um ihre Umsätze. Allerdings ist der Trend wohl unausweichlich: Ein lokaler Händler muss andere Argumente als den Preis liefern, um mit Online-Giganten mithalten zu können. Hier sehen Sie Firefly im Video:

Deutsche Händler können sich allerdings noch eine Weile ausruhen, denn die Bestellung geht noch nicht an Amazon.de. Überhaupt bringt das Fire Phone derzeit ein paar Einschränkungen mit, die eine Bestellung in den USA wenig ratsam erscheinen lassen.

Was das Fire Phone in Deutschland nicht kann

Am wichtigsten ist dabei zweifellos, dass das Fire Phone zwar mit einer wechselbaren Nano-SIM-Karte geliefert wird. Das Gerät ist allerdings (auch wenn vertragsfrei erworben) an AT&T gebunden. Damit ist es nur via WLAN nutzbar. Das ist schade, weil auch alle hierzulande nötigen Frequenzen unterstützt werden. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis ein Unlocking möglich ist.

Die Oberfläche des Smartphones ist bisher nur auf Englisch oder Spanisch einstellbar. Immerhin kann man sowohl eine deutsche Tastatur inklusive Umlauten als auch eine deutsche Sprachausgabe konfigurieren.

Der Amazon-Appstore legt Wert auf US-Adresse und US-Kreditkarte, sonst erlaubt er keine Downloads, auch keine kostenlosen. Er lässt sich aber durch andere Appstores ersetzen, wie es auch beim Kindle Fire HDX möglich ist. Leider hat es im Test nicht funktioniert, einfach den deutschen Amazon-Appstore für Android einzurichten. Alle anderen Apps (außer denen von Google) lassen sich mit den vom Kindle Fire HDX bekannten Tricks problemlos installieren, nachdem man das Einrichten von Fremd-Apps erlaubt hat.

Die Kindle-App lässt sich problemlos mit einem deutschen Amazon-Account verknüpfen. Das gilt auch für die Musik-App. Der E-Mail-Client kommt mit Google-Mail-Accounts zurecht. Gekaufte Apps und Spiele (etwa von einem auf dem gleichen Konto registrierten Fire-Tablet) lassen sich herunterladen, in den Appstore kommt man mit deutschem Account jedoch nicht.

Fazit

Das Fire Phone ist für Amazon ein wichtiger Schritt, Kunden möglichst gut im eigenen System zu halten. Käufer haben den Vorteil, dass alles reibungslos miteinander verknüpft ist. Die Bedienung ist einfach, das Handy ist für jeden Zweck geeignet. Eine Bürosoftware ist zwar nicht vorinstalliert, kann aber im Appstore gekauft werden. Zunächst werden wohl Besitzer anderer Kindle-Geräte zum Fire Phone greifen.

Tipp: Fire Phone – das inoffizielle Handbuch. Anleitung, Tipps, Tricks

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